Von Claudia Bitzer

Deutsche Sprache - schwere Sprache. Das gilt nicht nur für manche Zufluchtsuchende aus anderen Kulturkreisen, die in Esslingen gestrandet sind. Sondern offenbar auch für die Annahmen, die Mitarbeiter des Esslinger Jobcenters über ihre Kundschaft aus diesen Ländern machen. Beim Versuch, sich mit ihnen zu verständigen, bleiben in den Amtsstuben mitunter offenbar nicht nur die direkte Anrede, der eine oder andere Artikel oder die Kommasetzung auf der Strecke - sondern auch die Höflichkeit und der Respekt. Richtig peinlich wird es aber dann, wenn Insider-Kürzel das vordergründige Bemühen um Verständlichkeit vollends zur Karikatur werden lassen.

So ist es neulich einem jungen, anerkannten Flüchtling aus Syrien ergangen, dem Mitarbeiter des Jobcenters einen Zettel mit folgendem Inhalt auf den Heimweg mitgegeben haben: „Kunde würde gern ab dem 17.02.2017 in OAW. Da er noch recht früh dran ist wird Kunde gebeten eine Woche vor der OAW, also ab 10.02. oder 13.02. nochmals in der EZ vorzusprechen, damit evtl. Termine mit der AV abgestimmt werden können.“

Der junge Syrer wandte sich ratlos an Ortrud Lübke. Als ehemalige Lehrerin wollte die Esslingerin im Ruhestand ursprünglich geflüchteten Menschen beim Deutschlernen helfen. Dabei wurde sie auch immer mehr zur Stütze ihrer Schützlinge bei Übersetzungen und Behördengängen.

Bei jenem Schreiben aus dem Jobcenter wusste jedoch selbst die erfahrene Pädagogin nicht weiter. „Ich empfand diesen Text als unzumutbar für Leute, die gerade erst die deutsche Sprache lernen, ich haben ihn selbst als Deutschlehrerin nicht verstanden. Wenn man nicht das Glück hat, jemanden vom Jobcenter ans Telefon zu bekommen, steht man dumm da.“ Sie jedenfalls wählte sich die Finger wund, bis sie kurz vor der Mittagspause durchkam. Ergebnis: OAW steht für Ortsabwesenheit, EZ für Eingangszone und AV für Arbeitsvermittlerin. Damit heißt der Text nunmehr ausgeschrieben: „Kunde würde gerne ab dem 17.02. in die Ortsabwesenheit. Da er noch recht früh dran ist wird Kunde gebeten eine Woche vor der Ortsabwesenheit, also ab 10.02. oder 13.02. nochmals in der Eingangszone vorzusprechen damit evtl. Termine mit der Arbeitsvermittlerin abgeklärt werden können.“

Mit etwas mehr Hintergrundwissen wird die Geschichte dann doch sogar auch noch verständlich. Der Schützling von Ortrud Lübke wollte seine kranke Mutter besuchen, die im Libanon lebt. Deshalb musste er sich beim Jobcenter und beim Ausländeramt die Genehmigung dafür holen, zumal er dann eine Zeit lang seinen Integrationskurs und eventuelle Arbeitsangebote verpassen würde. „Diese Auflage ist auch völlig richtig“, findet seine Betreuerin Lübke.

Als er dann das Flugticket mit den genauen Terminen hatte, hat er nochmals beim Jobcenter vorgesprochen. Dort habe man ihm offenbar klar machen wollen, dass er mit seiner Abmeldung noch zu früh dran sei und kurz vor seinem Abflug noch einmal vorbeikommen solle. Lübke: „Ich verstehe nicht, warum die Mitarbeiter auf dem Jobcenter das nicht einfach kurz schriftlich bei sich vermerken konnten, sondern ihn noch einmal einbestellen wollten.“

Dabei wäre das doch so einfach gewesen. Etwa mit folgendem Text unter seinem Namen (oder seiner Nummer?): „Kunde geht vom 17.02. bis 03.03. in die OA. Nochmaliges Vorsprechen in der EZ ist nicht notwendig, Kunde steht in dieser Zeit der AV nicht zur Verfügung.“

Im Jobcenter würde das jeder verstehen. Ganz sicher.