Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Wer sie kennt, staunt immer wieder über ihren Einfallsreichtum und ihr nimmermüdes Engagement. Babette Ulmer hat die Esslinger Kulturlandschaft in den vergangenen Jahren auf vielfältige Weise geprägt: Sie hat mit Kindern im Aichwalder Jugendhaus und mit Schülern am Esslinger Georgii-Gymnasium Theater gemacht, sie hat mit den Stage Divers(e) ein junges Theaterensemble gegründet, das weit über Esslingen hinaus auf sich aufmerksam macht, und sie hat als eine der ersten im Land konsequent Kulturarbeit mit Asylbewerbern auf den Weg gebracht. Das alles tut sie engagiert, beharrlich und mit immer neuen Ideen, die oftmals auch von anderen übernommen werden. Kein Wunder, dass Babette Ulmer für den Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ 2016 nominiert wurde.

Gemeinsamkeiten finden

Babette Ulmer ist eine Theatermacherin durch und durch, dabei wies ihre Ausbildung zunächst in eine andere Richtung: Die heute 46-Jährige hat in Tübingen Ur- und Frühgeschichte, prähistorische Anthropologie und Ethnologie studiert, später bildete sie sich in Managementwissenschaften weiter. Vieles, was sie an der Universität erfahren hat, kommt ihr heute zugute: „Im Studium haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Mensch funktioniert und was ihn ausmacht. Der Kommunikation kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Es ist ganz wichtig, möglichst früh mit ganz unterschiedlichen Menschen Gemeinsamkeiten zu finden. Man muss überlegen, was einem wichtig ist, und das muss man zum Ausdruck bringen. Das gilt besonders für junge Menschen. Theater ist eine wunderbare Möglichkeit, interkulturelle Kommunikation zu fördern.“

Ganz egal, ob Babette Ulmer mit Kindern im Jugendhaus, mit Schülern an der Schule oder später mit den Stage Divers(e) gearbeitet hat - stets verfolgte sie ein Konzept: Sie wollte dem Nachwuchs nichts überstülpen, sondern junge Leute dazu ermutigen, sich ihre eigenen Gedanken zu machen und ihre Inszenierungen gemeinsam selbst zu entwickeln. Und über allem stand ein Gedanke: „Jeder darf so sein, wie er ist. Diversität war uns in unserer Theaterarbeit schon immer sehr wichtig.“ Als die Stage Divers(e) für das Esslinger Kulturfest Stadt im Fluss 2012 ein Theaterstück über die Arbeit der bisherigen Theodor-Haecker-Preisträger entwickelten, haben sie sich mit Aspekten wie Waffen, Rüstung und den Ursachen prekärer Lebensbedingungen in der Welt auseinandergesetzt. „So kamen wir zum Thema Flucht und zu der Frage, welche Verantwortung Deutschland im globalen Gefüge hat“, erinnert sie sich. „Dabei haben wir festgestellt, dass unsere Perspektive eine monokulturelle ist.“ Deshalb gingen Babette Ulmer und ihre Mitstreiter auf Menschen mit anderem kulturellem Hintergrund zu. Im Rahmen des Bundesprojekts „Kultur macht stark“ wurde eine „Welcome-Akademie der Begegnung“ entwickelt - eine Theatergruppe mit Kindern aus geflüchteten Familien. Und mit Matias Urroz wurde ein junger Chilene als Bundesfreiwilliger ins Boot geholt. „Sprachliche Probleme sind in der klassischen Theaterarbeit schwierig“, weiß Babette Ulmer. „Matias hat in Südamerika viel Zirkusarbeit gemacht und weiß deshalb, wie man auch non-verbal arbeiten kann. So haben alle dieselben Voraussetzungen und begegnen sich auf Augenhöhe. Das ist ganz wichtig.“

Mittlerweile spielt die Theaterarbeit mit Flüchtlingen eine Hauptrolle: „Im geschützten Raum eines Theaterlaboratoriums kann man sich offen äußern und darf auch mal Fehler machen. Die sind wichtig, weil man so bestimmte Verhaltensmuster viel besser erkennen und aufarbeiten kann.“ Erst haben Babette Ulmer und ihre Mitstreiter ein Projekt mit unbegleiteten Jugendlichen gestartet, parallel dazu nahmen sie Kontakt mit jungen Männern vorwiegend aus Gambia auf, die in der Flüchtlingsunterkunft in Zell leben. Matias Urroz und Babette Ulmers Tochter Katinka (23) haben die jungen Flüchtlinge vor allem in Akrobatik und Jonglage ausgebildet. Dabei hat sich ganz rasch eine wunderbare Gruppendynamik entwickelt. So entstand mit den United Unicorns ein neues Ensemble, das beim Kulturfest Stadt im Fluss 2015 auf sich aufmerksam machte.

„Es hat sich gezeigt, dass die United Unicorns sehr gute Kulturvermittler sein können“, sagt Babette Ulmer. „Wenn Menschen dieselben Erfahrungen machen und wenn sie deshalb dieselben Schwierigkeiten erleben, können sie ganz anders aufeinander zugehen. Kultur ist ein wunderbarer Brückenbauer.“ So hat Babette Ulmer mit Sabine Bartsch, der Geschäftsführerin des Kulturzentrums Dieselstraße, die Idee eines Kultur-Kompetenz-Camps entwickelt: Junge Flüchtlinge schnuppern als Bundesfreiwillige in Kulturinstitutionen, arbeiten dort mit und geben ihr Wissen an andere Flüchtlinge weiter. So zieht dieser Gedanke immer weitere Kreise. „Man muss international denken“, findet Babette Ulmer. „Schwierigkeiten entstehen, wenn man immer nur lokal denkt und handelt. Je mehr Übung man im interkulturellen Umgang hat, desto eher erkennt man die Chancen.“ Deshalb hat sie noch manches vor, um die Integration von Flüchtlingen voranzubringen - ein Weltmusikprojekt und eine interkulturelle Woche in der Dieselstraße sind in Vorbereitung.

Kultur kann als sozialer Kitt wirken

Und was motiviert die 46-Jährige zu immer neuem ehrenamtlichem Engagement? „Mich treibt die Neugier, und Spaß macht die Arbeit auch“, sagt Babette Ulmer. „Ich sehe viele Dinge, die man einfach lösen könnte und die aus unterschiedlichsten Gründen nicht angepackt werden. Man sollte nicht warten, sondern zupacken und das tun, wovon man überzeugt ist. Und man darf sich nicht beeindrucken lassen von denen, die zweifeln und bremsen. Wir müssen aufpassen, dass sich manches in unserer Gesellschaft nicht rückwärts entwickelt. Und wir müssen klar Stellung beziehen - gerade die jungen Menschen. Wir brauchen in unserer Gesellschaft keine Marionetten, sondern Leute, die Verantwortung übernehmen und die sich für das Gemeinwohl engagieren. Das ist der soziale Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält.“

Die EZ stellt in dieser Serie die sieben Gewinner des Ehrenamtspreises „Starke Helfer“ vor. Das Schwerpunktthema 2016 lautet „Zusammen leben ohne Grenzen“. Der Ehrenamtspreis ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen und der Eßlinger Zeitung.