Christian Kandzia Quelle: Unbekannt

Von Peter Dietrich

Der Architekt Christian Kandzia war an den Münchner Olympiabauten beteiligt und kümmerte sich um den Bundesadler des Bundestagsplenums in Bonn. Seit 1992 lebt der heute 77-Jährige in Esslingen - und er hat einen besonderen Blick auf die Stadt: den eines Fußgängers. Während einer politischen Matinee im Kulturzentrum Dieselstraße zeigte er Schönheiten und Mängel - auch für Radfahrer.

Es dürfte keinen interessanten Weg in der und um die Stadt geben, den Kandzia noch nicht gegangen ist. Bei seinen Erkundungen lässt er sich auch von Absperrungen nicht schrecken. Manche seiner erlaubten Wege sind ein Geheimtipp, etwa der Weg auf der südlichen Neckarseite mit Blick hinüber nach Mettingen und zum Schenkenberg. Neben dem Weg verlaufen dicke Rohre: „Sie gehören langfristig unter die Erde.“ Doch zunächst nahm Kandzia die 70 Zuhörer in der Dieselstraße mit auf die Burg, lobte die „ausgezeichnete Aufenthaltsqualität“ und beschrieb die Katharinenstaffel als „ein baukünstlerisches Kleinod von besonderem Rang“. Doch auch Neues fand sein Wohlgefallen: der Margarete-Müller-Bull-Steg an der Maille genauso wie der Fuß- und Radweg am Neckarfreibad - für ihn „die beste Investition der letzten Jahre“. Anderes kritisierte er dagegen - etwa die neue Stahlbrücke am Hengstenberg-Areal. Sie sei bei Nässe gefährlich, Streumaterial falle durch das Gitter, das angrenzende Ufer sei lieblos gestaltet. Dagegen lobte er den geschwungenen Steg in Mettingen - ein extrem leichtes Bauwerk, das allerdings nicht so leicht zu finden sei. Überhaupt vermisst Kandzia außerhalb der Stadtmitte oft Wegweiser für Fußgänger.

Fußgänger sollen oben bleiben

„Ich habe das nie ganz kapiert“, sagt er zum Zugang zur Bahnhofsunterführung von der Neckarseite aus, wo es - wohl aus Angst vor Hochwasser - zuerst die Treppe hoch und dann wieder hinunter gehe. Kandzia mokierte sich auch über den „Hochsicherheitszaun“ auf der Pliensaubrücke. Auf der Vogelsangbrücke führe ein gefährlicher Weg über die Straße. Sperrholztafeln am Geländer verdecken die Sicht. Der Architekt hat nachgemessen: „Die Bordsteinkante ist 24,5 Zentimeter hoch.“ Der Betonsteg vor der Frauenkirche soll derweil abgerissen werden. Kandzia (Foto Dietrich) forderte unter großem Applaus, „die Fußgänger nicht unter die Erde zu zwingen“. In Verlängerung der Beblinger Straße sei eine Freitreppe nötig.

Die städtische Praxis, so manchen Steg zu sperren und still verfallen zu lassen, trifft bei Christian Kandzia auf Unverständnis - besonders beim Alicensteg: „Er ist die kürzeste Verbindung zu Jugendfarm und Waldheim.“ Auch viele Zuhörer äußerten ihren Unmut. Unter ihnen war ein Landesbühnen-Schauspieler, der die Verbindung zum Zollberg vermisst. Ein zweiter Anstieg, der schon lange gesperrt ist, ist die Pfeifferklinge. Kandzias Fotografien zeigten die wildromantische Umgebung, die dort entstanden ist.

Die neue Radverkehrsachse in Richtung Stuttgart verläuft übers Hengstenberg-Areal und dann unter der Bahnlinie hindurch zurück zum Neckar. Was geschieht mit dem Weg direkt am Neckar, der unterhalb der Pliensaubrücke extrem schmal ist? „Wir brauchen beide Wege“, forderte eine Zuhörerin. Kandzia stimmte ihr zu. Eine Verbreiterung direkt am Neckar sei im Gespräch. Ein Zuhörer hatte die Unterführungen in Kandzias Ausführungen vermisst. „Das ist fast ein eigener Vortrag“, sagte der Architekt, der weiß, wie ungepflegt sie sind. Und auch die abmontierten Bänke und Mülleimer am Schlangenwegle bei der Frauenkirche, die eine Zuhörerin monierte, sind ihm wohl bekannt.

Geht es in der Politik ums Geld, wird oft von „Verteilungskämpfen“ gesprochen. Diese, so eine Zuhörerin, gebe es auch um öffentlichen Raum. Planer hätten Angst, zugunsten von Fußgängern und Radfahrern den Autos Platz wegzunehmen, beklagte sie. Ein Mann schlug vor, dass sich Fußgänger bei gemeinsamen Fuß- und Radwegen rechts orientieren. „Früher wurde man erzogen, rechts zu gehen“, sagte Kandzia, „aber die Jungen wissen das nicht mehr.“ Er schloss mit einer Aufforderung an den OB: „Jürgen Zieger schmückt sich mit der fußgängergerechten Stadt. Dafür muss man mehr tun.“

Christian Kandzia spricht am Donnerstag, 25. Februar, 19 Uhr, im Econvent in der Ritterstraße zum Thema „Vernachlässigt, verdrängt, verschoben, vergessen? Esslingens ungeliebte und nicht fertiggestellte Baustellen“.