Susanne Eisenmann will trotz dünner Personaldecke mehr Qualität. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

„Bildungspolitik - quo vadis?“ hat Susanne Eisenmann (CDU) ihren Vortrag überschrieben, zu dem die Esslinger CDU ins Alte Rathaus eingeladen hatte. In der Frage, wohin man als bildungspolitisch Interessierter am Mittwochabend gehen sollte, hatten sich nur 60 Zuhörerinnen und Zuhörer - darunter etliche Eltern, Lehrkräfte und Schulleiter - für die baden-württembergische Kultusministerin und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz entschieden. Denn unglücklicherweise fiel nicht nur ein Infoabend zum Schreiben- und Lesenlernen an den Grundschulen (vgl. unten stehenden Bericht) auf den gleichen Zeitpunkt. Das Staatliche Schulamt hatte zudem die Elternvertreter der Realschulen nach Nürtingen eingeladen, um ihnen in Anbetracht der schwierigen Unterrichtsversorgung bei Krankheitsfällen das Prozedere zu erläutern.

Problem wird eher noch größer

Dass die „Unterrichtsversorgung auf Kante genäht“ ist, hat Eisenmann offen eingeräumt. Das sei zwar nicht in allen Landstrichen, Schularten und Fächern gleich. Aber die Situation sei in den nächsten drei, vier Jahren sehr angespannt, vor allem im ländlichen Raum. „Das Problem mit den Krankheitsvertretungen und der Unterrichtsversorgung wird eher noch größer. Wir haben ausreichend Stellen, aber zu wenige Bewerber“, so die nüchterne Bilanz der Kultusministerin. „Wir arbeiten an Lösungen.“ Man habe die schulscharfen Ausschreibungen bereits auf Dezember vorgezogen und „teils um 100 Prozent erhöht“ und starte mit der landesweiten Lehrerausschreibung für alle Schularten im März. „Das ist früher als jedes andere Bundesland“, antwortete sie auf die Kritik, dass viele Junglehrer in andere Branchen oder Bundesländer abwandern würden, weil Baden-Württemberg so spät mit seinen Zusagen dran sei. Zudem denke man über Anreize nach, Gymnasiallehrer für einen Einsatz an Grundschulen zu begeistern. Eisenmann bestätigte der Esslinger Gesamtelternbeiratsvorsitzenden Aglaia Handler, dass die Stundendeckelung für pensionierte Lehrer, die für erkrankte Kollegen einspringen, erhöht werden muss. „Und wir müssen uns überlegen, ob die vorhandenen Lehrerressourcen auch richtig eingesetzt sind.“ Dabei denkt Eisenmann nicht nur an die Lehrkräfte, die vom Klassenzimmer in die Verwaltung „abgeordnet“ worden sind. Sondern auch an „zahlreiche, jahrelange Schulversuche“, die Lehrerstunden binden. Von diesen Stundenstreichungen ist in Esslingen bekanntlich bereits der Sportzug der Zollberg-Realschule betroffen. Eisenmann: „Wir müssen die Schulversuche einstellen oder so überführen, dass sie für alle Schulen gelten.“

Sie räumt ein, dass die Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte qualitativ besser werden müssten. „Das ist unsere Aufgabe.“ Die Zeit dafür sollten sich die Lehrerinnen und Lehrer aber in den unterrichtsfreien Tagen nehmen. Auch die pädagogischen Tage sollen die Schulen künftig in den Ferien ansetzen. Sie dürften ohnehin nur „ausnahmsweise“ während der Schulzeit abgehalten werden. „Aber bei uns im Land ist die Ausnahme zur Regel geworden“, so Eisenmann.

Die dünne Personaldecke hält sie auch nicht davon ab, das „massive Qualitätsproblem“ anzugehen, das die jüngsten Bildungsstudien den baden-württembergischen Schülern im Lesen, Schreiben und Rechnen bescheinigt haben. Deshalb müsse in den Grundschulen „schon ab Klasse eins richtig geschrieben werden“. Ein Lehrer aus dem Publikum betonte, dass die Kollegen an den Grundschulen auf fachlicher und fachdidaktisch solider Basis arbeiteten und sich immer um die Rechtschreibung gekümmert hätten. „Warum ist es nötig, die Grundschrift allen anderen Schulen außer den Erprobungsschulen zu verbieten?“ Weil sich an den Versuchsschulen „kein Mehrwert“ der Grundschrift ergeben habe, so die Ministerin. Eisenmann unterstrich das neue Realschulkonzept, das sich zwar auch an Schüler mit Werkrealschulempfehlung richtet, in der gemeinsamen Orientierungsstufe aber nur das mittlere Niveau für die Leistungsbemessungen zugrunde legt. Die Befürchtung von Stadträtin Annette Silberhorn-Hemminger, die Realschulen könnten sich somit der Werkrealschüler entledigen, die sich dann nur noch in den Gemeinschaftsschulen einfänden, war für die Ministerin kein Problem: An den Gemeinschaftsschulen hätten ohnehin 65 Prozent der Kinder eine Werkrealschulempfehlung. Das konnte Christel Binder, Leiterin der Schule am Schillerpark, die sich aus einer Real- zu einer Gemeinschaftschule entwickelt hat, so nicht stehen lassen. Sie verwies nicht nur auf den erwünschten und mancherorts auch deutlich besseren Begabungsmix für die noch junge Schulart. „Die Gemeinschaftschule hat auch ein anderes Lernkonzept wie die Realschule. Ein Wechsel in Klasse sieben oder acht ist schwierig. Wir haben schon Sorge, dass die Gemeinschaftsschule so nur zu einer Auffangschule wird.“

Ethik für die Klassen fünf bis sieben

Joachim Scheffzek, geschäftsführender Schulleiter der vier Esslinger Gymnasien, ist hingegen mit seinem Wunsch nach Ethikunterricht bereits in den Klassen fünf und sechs auf offene Ohren der Ministerin gestoßen: „Wir bräuchten diese Alternative zum Religionsunterricht eigentlich in allen Schularten, auch schon an den Grundschulen. Wir wollen Ethik in dieser Legislaturperiode für die Stufen fünf bis sieben einrichten“, so Eisenmann. Noch sehr vorsichtig beurteilt sie hingegen die Frage, ob die fünf Milliarden Euro auch kommen, die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka für die Digitalisierung in Aussicht gestellt hat. Man werde von Länderseite jedenfalls alles vorbereiten, darauf zugreifen zu können, so die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz.

Dass die Eltern bei der Anmeldung ihrer Kinder für die weiterführenden Schulen künftig die Grundschulempfehlung vorlegen müssen, begründet sie mit dem damit nochmals verbundenen Beratungsangebot. Acht bis zwölf Prozent der Kinder auf einem Gymnasium seien „nicht gut beschult“.