Die Bereichslehrer Sabine Zirm und Michael Widmann werden von pensionierten Pädagogen und Studenten unterstützt. Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

Bad Cannstatt - Schausteller sind meist das ganze Jahr über unterwegs, fahren von Festplatz zu Festplatz. Auch die Schaustellerkinder sind zum Teil mit dabei, besuchen dann die Schule am Ort der Veranstaltung. Beim Volksfest ist es anders. Da kommen die Lehrkräfte auf den Cannstatter Wasen. Mehr als 30 Kinder werden täglich unterrichtet - seit dem Ende der Sommerferien bis eine Woche nach Festende.

„Ohne Unterstützung durch das Kultusministerium wäre das nicht möglich“, sagt Michael Widmann. Er ist Bereichslehrer für Kinder und Jugendliche von beruflich Reisenden. Er sorgt für Unterricht für Kinder von Schaustellern, Zirkusleuten oder Puppenspielern. Nicht alle Schausteller schicken ihre Kinder ins Internat, einige reisen mit. Diese bekommen von ihrer Heimatschule die Lehrpläne mit, nach denen an den Schulen vor Ort unterrichtet wird. Für Volks- und Frühlingsfest, die mit Auf- und Abbau mehrere Wochen dauern, lohnt sich eine Schaustellerschule. „Ein ganz wichtiges Angebot für die Schausteller“, so Widmann, der dies beim Frühlingsfest zum ersten Mal durchführte.

Sie fungiert als Zweigstelle der Eichendorffschule, wo die Schaustellerkinder gemeldet sind, und läuft als außerunterrichtliche Veranstaltung. Sabine Zirm ist an der Eichendorffschule Klassenlehrerin. Während des Volksfestes ist sie bis 9.30 Uhr an ihrer Stammschule, kommt dann auf den Wasen. Sie hat sich für die ausgeschriebene Stelle als Bereichslehrerin beworben und ist jetzt für den Raum Stuttgart zuständig. „Es ist hier ein anderes Arbeiten“, beschreibt sie. Es läuft in Gruppen, Team-Teaching heißt das neudeutsch. „Es gibt mehr Zeit für das einzelne Kind.“ Und man merke, dass dies den Kindern guttue. Jeder im Team, zu dem zehn zum Teil pensionierte Pädagogen gehören, die sich abwechseln und ehrenamtlich agieren, hat sein Spezialgebiet. „Das passt.“ Zudem haben sich durch die Berichterstattung über die Schaustellerschule zwei Studenten der Pädagogischen Hochschule gemeldet und helfen mit. Das Kultusministerium bezahlt die Bereichsleiterstunden und die Fahrkosten für die ehrenamtlichen Helfer.

Als Klassenzimmer fungiert ein Raum auf dem Wasengelände, in dem sonst Schulungen für die Feuerwehr stattfinden. Den stellte die in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft zur Verfügung. Darin gibt es eine Tafel, Plakate sorgen für Schulatmosphäre. „Das Umfeld ist wichtig.“ Von 8 bis 12 Uhr wird intensiv gearbeitet. „Es gibt keinerlei Disziplinierungsprobleme, keiner wird unterfordert. Alles ist sehr effektiv.“ Leerlauf Fehlanzeige. Vertreten sind alle Schularten von Klasse 1 bis 10. Alle Altersstufen in einem Raum - funktioniert das? „Jeder weiß, was zu tun ist.“ Diese Konstellation ermögliche auch Lernen am Vorbild. „Die Kleinen lernen von den Großen.“ Auch den Pädagogen mache es sehr viel Spaß. „Die Arbeit in Gruppen ermöglicht ein hohes Maß an Individualisierung. Die Kinder sind mit Begeisterung dabei und kommen gerne zum Unterricht.“ Und profitieren davon. „Die Eltern vermelden Erfolge“, so Widmann. „Sie haben kapiert, wie sie lernen sollen.“ Da auf dem Wasen intensiv über einen längeren Zeitraum gearbeitet wird, wirke dies nachhaltig. „Wir legen intensiven Wert auf selbstständiges Lernen.“ Es sei eine große Chance, etwas einzuüben. Das Modell sei übertragbar. Auf dem Oktoberfest sei man noch zurückhaltend, so Widmann. Der Vorsitzende des Vereins Schule im Zirkus kommt auf den Wasen und will sich alles anschauen.

Der Schaustellerverband Südwest und Schaustellerpfarrer Johannes Bräuchle unterstützen das Projekt. Der Pfarrer sammelt bei Hochzeiten, Konfirmationen und Taufen Geld. „Davon haben wir zehn Sitzkissen gekauft.“ Denn Tische und Stühle sind nicht unterrichtsgerecht.