Von Lena Müssigmann

Stuttgart - Der erste baden-württembergische Wolf trottet über ein Feld auf der Baar, er wirkt schwach. Ein Spaziergänger hat ihn dabei gefilmt und damit die Sensation bewiesen: Zum ersten Mal seit 150 Jahren wurde ein lebender Wolf in Baden-Württemberg gesichtet. „Es scheint so, dass es ihm nicht ganz so gut geht“, sagte gestern Andre Baumann, Wolfsexperte und neuer Staatssekretär im Umweltministerium. Vermutlich habe das Tier eine Verletzung am Fuß. Über die Sichtung freue man sich im Land - „weil Wölfe zu Deutschland und Baden-Württemberg gehören“. Schafzüchtern und manchen Spaziergänger jagt die Nachricht eher Angst ein.

Was weiß man bisher über diesen Wolf? Ersten Vermutungen zufolge handelt es sich um ein eher junges Tier, das wahrscheinlich aus der Schweiz eingewandert ist. Das sagte gestern der Leiter des Arbeitsbereichs Wildtierökologie bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA), Rudi Suchant. Auch die Vogesen oder gar Siedlungsgebiete im Osten Deutschlands seien als Herkunft nicht ausgeschlossen - ein Wolf lege am Tag eine Strecke von bis zu 100 Kilometer zurück.

2015 zwei Tiere tot gefunden

Wie man es aus guten Krimis kennt, könnten Haare oder Speichel in einer genetischen Untersuchung viel über den Unbekannten verraten. Am Ort der Beobachtung danach zu fahnden, gleiche aber der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, sagte Suchant. Deshalb setze die FVA auf Jäger, die gerissene Tiere melden. „An der Bisswunde können wir Speichelproben nehmen.“

So könnte bald mehr über den ersten wilden Wolf im Land bekannt werden - den ersten, der lebt. Zwei Wölfe wurden 2015 tot gefunden: Einer war Ende November auf der A 8 bei Merklingen überfahren worden, der andere schon im Sommer auf der A 5 bei Lahr. Sie waren Brüder aus der Schweiz, wie Analysen der Kadaver ergaben. Das Skelett des toten Tiers aus Lahr wird inzwischen im Karlsruher Naturkundemuseum aufbereitet und soll im Oktober bei einer Sonderausstellung zur Wiederausbreitung des Wolfes zu sehen sein.

Bei den Schäfern wächst derweil die Sorge, die der Vorsitzende im Zaum zu halten versucht. „Wir müssen nicht in Hysterie verfallen“, sagte der Vorsitzende des Landesschafzuchtverbands, Alfons Gimber. „Vielleicht ist es nur ein Durchreisender.“ Der Verband habe aber alle Schafzüchter im betroffenen Gebiet bei Donaueschingen über die Sichtung des Wolfs benachrichtigt und ihnen geraten, ihre Netze und Elektrozäune in Ordnung zu halten. „Mehr können wir nicht machen.“

Fonds mit 10 000 Euro

Ein Wolfs-Riss-Fonds von Naturschutzverbänden und Landesregierung ist mit 10 000 Euro gefüllt, mit denen Schäfer entschädigt werden können, wenn der Wolf zugeschlagen hat. Auch der Landesjagdverband rät zur Gelassenheit: „Ein Wolf ist nicht das Ende der Wildbestände“, sagte Wildbiologe Klaus Lachenmaier.

Dass der Wolf Menschen angreift, sei „extrem unwahrscheinlich“, wie Wolfsexperte Suchant sagt. „Der Wolf muss vor uns mehr Angst haben als wir vor ihm“, sagte auch Staatssekretär Baumann. Im April ist allerdings in Niedersachsen Wolf „Kurti“ mit offizieller Erlaubnis erschossen worden, nachdem er sich mehrfach Menschen genähert und sogar einen Hund angegriffen hatte.

Wo sich der baden-württembergische Wolf jetzt befinde, ist nach Angaben der FVA unklar. Suchant vermutet, dass er sich auf der Suche nach einem ruhigen, geschlossenen Waldgebiet befindet.

Der Wolf spielte im Kampf von CDU-Politiker Guido Wolf um die CDU-Spitzenkandidatur zur Landtagswahl eine große Rolle. Im September 2014 hatte er angekündigt, eine Patenschaft für den ersten lebend gesichteten Wolf zu übernehmen. Inzwischen ist er Justizminister im grün-schwarzen Kabinett. „Zu seinem Wort steht er“, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Experten sähen darin ein Signal. „Das wäre ein Zeichen an alle Akteure, dass der Wolf leben soll und der Umgang mit ihm gelernt werden muss“, sagte Suchant.