Abgelehnte Asylbewerber bei einer Sammelabschiebung. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Stuttgart (lsw) - Der Flüchtlingsrat und die Grüne Jugend fordern die grün-schwarze Landesregierung auf, Abschiebungen nach Afghanistan zumindest auszusetzen.

Die Landeschefin der Grünen Jugend, Lena Schwelling, sagte gestern in Stuttgart: „Wir halten es für entscheidend, dass niemand nach Afghanistan abgeschoben wird, solange die geforderte Neubewertung der Sicherheitslage durch das Bundesaußenministerium noch nicht erfolgt ist.“ Die Vorsitzende des Flüchtlingsrates, Angelika von Loeper, sagte: „Flüchtlinge nach Afghanistan abzuschieben, bedeutet, sie sehenden Auges möglicherweise in den Tod zu schicken.“

Innenminister Thomas Strobl (CDU) machte klar, dass es weiter Abschiebungen nach Afghanistan geben wird. „Dabei wird jede Abschiebung im Einzelfall rechtlich geprüft.“ Die Lage in Afghanistan sei nicht einfach. „Es gibt in Afghanistan aber vergleichsweise sichere Regionen, in denen Millionen Afghanen ihrem Alltag nachgehen“, sagte er. „Deutschland unterstützt Afghanistan mit Entwicklungshilfe, die Bundeswehr ist vor Ort.“ Außerdem habe die EU ein Abkommen zur Rückführung mit Afghanistan geschlossen.

Flüchtlingsorganisationen erwarten die nächste Abschiebung in das Land am Hindukusch für diesen Mittwoch. Bisher hat Baden-Württemberg nach Angaben des Innenministeriums acht abgelehnte Asylbewerber in zwei vom Bund geleiteten Sammelabschiebungen nach Afghanistan zurückgeschickt.

Vor zwei Wochen hatte ein Sprecher des Staatsministeriums erklärt, dass das Land an der Abschiebung nach Afghanistan grundsätzlich festhalten will - es sei dazu verpflichtet. Die freiwillige Ausreise habe aber Vorrang. Schleswig-Holstein setzte die zwangsweise Rückführung aus. Auch Nordrhein-Westfalen wird sich nicht an der nächsten Sammelabschiebung nach Afghanistan beteiligen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in einem am Freitag verschickten Brief auf, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu bewerten. Kretschmann verfasste den Brief im Namen von Parteifreunden aus zehn der elf Bundesländer, in denen die Grünen mitregieren. SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch warf Kretschmann daraufhin Doppelzüngigkeit vor.

Sowohl Schwelling als auch von Loeper halten Afghanistan nicht für sicher. „Wir haben große Zweifel daran, dass die Sicherheitslage in Afghanistan Abschiebungen dorthin zulässt.“ Die Landesregierung müsse deshalb wie Schleswig-Holstein einen Abschiebestopp nach Afghanistan verhängen. Von Loeper nannte die Sicherheitslage „absolut prekär“. Sie zeigte sich enttäuscht über die Grünen in der Landesregierung, weil sie bei Abschiebungen nach Afghanistan - gemeinsam mit der CDU als Juniorpartner - weiter mitmachten. „Damit geben die Grünen Positionen auf, die sie über Jahre hinweg in Bezug auf Flüchtlinge und Menschenrechte besetzt haben.“

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf den Grünen vor, mit der Forderung nach einer Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan die Durchsetzung des Asylrechts zu hintertreiben. Dabei wollten sie der Bundesregierung den „Schwarzen Peter“ zuschieben. „Dabei sollte jedem klar sein, dass es die Landesregierung ist, die bei der Durchsetzung der Abschiebungen in der Bringschuld steht“, sagte Rülke. Angesichts der unterschiedlichen Interessen von Grünen und CDU werde die grün-schwarze Koalition im Jahr der Bundestagswahl zu einer erheblichen Belastung für das Land.