Von Bettina Grachtrup

Stuttgart - Dass Sparen tatsächlich sehr weh tun kann, war fast in Vergessenheit geraten. Nach der Einigung auf einen Entwurf für den Landeshaushalt 2017 überschlugen sich Grüne und CDU darin, sich für die angeblich so gute Zusammenarbeit in der grün-schwarzen Koalition zu loben. Innere Sicherheit, Justiz, Naturschutz, Digitalisierung: Eifrig kommunizierten die Koalitionäre, wo überall Mehrausgaben drin seien - trotz Sparzwanges. Allein Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) macht nun klar, was der Etat 2017 für ihren Bereich bedeutet. Sie beschreibt drastische Konsequenzen. Damit hat die noch junge grün-schwarze Landesregierung nun einen veritablen Konflikt - und ein Problem.

Die grün-schwarze Haushaltskommission hatte die Forderung der Ministerin nach 500 neuen Lehrer-Stellen abgelehnt. Eine Alternative der CDU, den Klassenteiler - die Schülerzahl, ab der eine Klasse in zwei geteilt wird - in den Gemeinschaftsschulen zu erhöhen, um so Arbeitskraft für andere Bereiche zu gewinnen, wollten die Grünen nicht mitmachen.

Für klare Ansagen bekannt

Eisenmann sieht nun keine Möglichkeit, die nötigen Lehrerstellen für den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen und die Einbeziehung behinderter Kinder in den regulären Schulunterricht (Inklusion) zu finanzieren. Die beiden Projekte sowie die Einführung des Faches Informatik ab Klasse 7 will sie nun zum Schuljahr 2017/2018 aussetzen, obwohl der Anspruch auf Ganztagsschulen und Inklusion rechtlich garantiert ist. „Ich glaube, man sollte ehrlich sagen, was geht und was nicht geht“, sagt Eisenmann, die schon als Stuttgarter Schulbürgermeisterin für klare Ansagen bekannt war. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz fährt ihr im SWR in die Parade. Er halte nichts davon, Alarmstimmung zu verbreiten. Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser sagt: „Es ist Aufgabe der Kultusministerin, das Gesetz zu erfüllen.“ Ganztagsschulen und Inklusion, das sind eher Herzensangelegenheiten der Grünen.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch, der früher selbst Kultusminister war, zeigt gewisses Verständnis für die CDU-Ministerin: „Frau Eisenmann steht offensichtlich mit dem Rücken zur Wand.“ Er selbst habe als Minister gespürt, wie hart es in Finanzverhandlungen sei, für den Bildungsbereich zu kämpfen. „Für mich waren die Grünen schon damals auf einem völligen Irrweg, weil sie den Bildungsbereich als Sparbereich gesehen haben.“

Grün-Schwarz hatte ausdrücklich die Losung ausgegeben, Ruhe in den Bildungsbereich hineinzubekommen, nachdem mit den Reformen der grün-roten Vorgängerregierung einiges in Unordnung geraten war. Von Ruhe kann nun keine Rede sein.

Verbände auf den Barrikaden

Bildungs- und auch Wirtschaftsverbände sind auf den Barrikaden. Das Amt der Kultusministerin ist kein Zuckerschlecken: Eisenmanns Vorvorgängerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) scheiterte an den großen Herausforderungen, die damit verbunden sind. Sie trat nach großem internen und öffentlichen Druck zurück. Ihr Nachfolger Stoch musste mit seiner SPD arg dafür kämpfen, dass auch die Grünen vom einst geplanten Abbau von 11 600 Lehrerstellen abrückten.

Pokert Eisenmann nun mit Rückendeckung ihrer Partei? Gestern herrschte in der Koalition lange Schweigen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) weilt in Brüssel. Am späten Nachmittag erklärt er, dass er für Dienstag den Koalitionsausschuss zur Lösungssuche einberufen hat. Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) macht am Mittag klar, dass Eisenmann nicht mit mehr Geld rechnen kann, aber selbst Stellen umschichten könne - zumal der Etatentwurf von den Fraktionen schon beschlossen worden sei. Vize-Regierungschef Thomas Strobl sagt: „Wenn man gemeinsam entscheidet, muss man auch gemeinsam die Konsequenzen tragen.“ Das kann als Fingerzeig an die Grünen verstanden werden, sich in den weiteren Etatberatungen doch noch zu bewegen.