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Überall auf den Biertischen auf dem Marktplatz standen Töpfe mit Papierblumen. Bei der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 1. Mai zeigte die DGB-Jugend, wie gefährdet dieser „Garten der Demokratie“ ist. Hauptredner war Frank Iwer von der Vorstandsverwaltung der IG Metall. Vorab hatte es einen Gottesdienst zum „Tag der Arbeit“ gegeben.

Von Peter Dietrich

Den ganzen Körper blau eingehüllt, rannte der Räuber durch die Reihen, um die Papierblumen mit Aufschriften wie „Solidarität“, „Mitbestimmung“ und „gelebte Vielfalt“ einzusammeln. Für Nichtkenner der politischen Farbenlehre trug der Demokratiedieb ein „AfD“-Schild auf der Brust. Doch der DGB-Gärtner war dem Dieb dicht auf den Fersen und stoppte sein übles Treiben.

Auch der stellvertretende DGB-Kreisvorsitzende Jürgen Groß ging auf die AfD ein. Sie habe „keine Positionen für Arbeitnehmerrechte, im Gegenteil“. Sie schüre Ängste. Ein Mittel dagegen: „Wem es gut geht, der hat weniger Angst.“ Das betreffe den Wohnungsbau und den Mindestlohn. Noch immer gebe es viel zu viele Arbeitslose, Personen in prekärer Beschäftigung und Menschen mit Werkverträgen. Alle bräuchten Solidarität.

„Die Menschenwürde ist universell“, sagte Frank Iwer. Sie könne nicht nach Kassenlage, nach der „schwarzen Null“ festgelegt werden. Die Welt gerate aus den Fugen, Europa als soziale Gemeinschaft und Friedensprojekt stehe auf der Kippe. Die Interventionen in anderen Ländern der letzten 15 Jahre seien Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Laut Entwicklungshilfeorganisationen besäßen die 62 reichsten Menschen so viel wie 3,5 Milliarden andere. „Das ist ein Skandal,“ so Iwer.

Der gesetzliche Mindestlohn habe für 3,7 Millionen Menschen eine Verbesserung gebracht, bei der Rente und Werkverträgen gebe es erste Korrekturen. Doch das Erreichte genüge „vorne und hinten nicht“. 23 Prozent der Arbeitnehmer seien im Niedriglohnsektor beschäftigt. Zu den Hauptthemen der nächsten Zeit zähle die Rente, denn die Erhöhung im Sommer sei nur ein Strohfeuer, für positive Veränderungen brauche es Druck. Ebenso wichtig seien die Arbeitszeit - für mehr Selbstbestimmung statt noch mehr Verfügbarkeit - und die Entwicklung der Entgelte. „Ausgerechnet die Bundesbank empfiehlt nun, weil es gut für die Konjunktur ist, Abschlüsse in Höhe von etwa drei Prozent,“ so Frank Iwer. Die Gewinne der Metall- und Elektrounternehmen seien stabil, die Dividenden der DAX-Unternehmen aktuell erheblich gestiegen. Von Infoständen umgeben, saßen unter den Besuchern Vertreter der Politik wie Staatssekretär Markus Grübel (CDU), OB Jürgen Zieger (SPD), Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler (SPD) und die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Lindlohr.

Zum ökumenischen Gottesdienst in der Frauenkirche unter dem Motto „Die Würde des Menschen ist (un)antastbar“ hatten DGB und Kirchen gemeinsam eingeladen. Mit Kurzinterviews führte Pfarrer Peter Schaal-Ahlers zu Orten, an denen die Menschenwürde angetastet oder verteidigt wird. „Wenn dieser Gott ein Gott der Liebe ist, wieso sollen dann in der Kirche Ängste sein“, fragte Vera Nkenyi Ayemle vom Verein Sompon Socialservice. Der Hass sei nicht von Anfang an da gewesen, sondern vom Menschen selbst gemacht, also könne er auch wieder abgeschafft werden. Jessica Hemmer erzählte von der Arbeit des Esslinger Frauenhauses. Frauen und Kinder würden bedroht, bekämen kein Geld und hungerten, erlitten körperliche und sexuelle Übergriffe. Zwei junge Fußballerinnen vom FC Esslingen erzählten, wie sie gemeinsam mit einem Mädchen, das Trisomie 21 hat, Fußball spielen.

Seine von Gott gegebene Würde könne kein Mensch verlieren, sagte Pfarrer Stefan Möhler. Die Besucher sprachen Psalm 8. Das Gebet aus der Bibel verortet den Menschen nicht wenig höher als den Affen, sondern „wenig niedriger als Gott“. Betriebsseelsorger Peter Maile berichtete über den Propheten Amos. Dieser hatte vehement gegen die sozialen Zustände seiner Zeit protestiert, als Kleinbauern für die Großgrundbesitzer arbeiten mussten. „Die Verwirklichung von Recht und Gerechtigkeit ist ein gelebter Gottesdienst“, betonte Maile. Dabei sei nicht nur der Staat, sondern die ganze Zivilgesellschaft gefragt.