Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Klaus Franke (Fotos)

Eichen wachsen zwar nicht nur am Fuß der Schwäbischen Alb. „Aber sie sind die besten“ - zumindest dann, wenn man wie Matthias Streib auf Qualität setzt und sich dem alten Handwerk ebenso verpflichtet fühlt wie den eigenen Wurzeln. „Ich möchte kein Material verarbeiten, das nichts mit unserer Heimat zu tun hat“, sagt er. „Denn unser Betrieb steht dafür, einheimisches Holz zu verwenden.“ Doch greift er nicht aus purem Lokalpatriotismus zum Rohstoff aus den umliegenden Wäldern. „Wir Fassmacher brauchen Holz mit feinen Poren“, erklärt der 24-Jährige, der den Familienbetrieb im vergangenen Jahr von seinem Vater Hermann Streib übernommen hat. Da die Eichen rund um Mössingen langsam wachsen, liegen ihre Jahresringe eng beieinander. „Wenn der Baum dann noch gerade gewachsen und möglichst astfrei ist, ist er optimal geeignet.“ Der junge Handwerksmeister sucht aber nicht nur die Bäume für seine Eichenfässer persönlich aus.

Den größten Teil der Dauben sägt Matthias Streib selbst. Beim Zuschneiden ist viel Sorgfalt und handwerkliches Können gefragt. Ein Fass ist nämlich nur dann dicht, wenn die Markstrahlen des Holzes quer, also parallel zum Fassrand, liegen und die Jahresringe strahlenförmig stehen. Aus einem optimal gewachsenen Stamm holt er etwa 40 Prozent Fassholz heraus. Der Rest wandert in den Ofen. Bevor das Holz zur Daube wird, muss es jedoch erst einmal lagern. „Für Barriquefässer lasse ich das Holz zwischen 24 und 36 Monaten liegen.“

Wie beim Sägen, kommt es auch beim Zusammenfügen der Dauben auf Präzision und Fingerspitzengefühl an. Nachdem der Küfer die erste Daube mit einer Zwinge an einem Metallreif befestigt hat, setzt er mit geübter Hand und sicherem Blick weitere der, je nach Fassgröße zwischen 32 und 64 Millimeter starken Holzbretter aneinander - bis der Ring geschlossen ist. Dann greift er zum Hammer und treibt den Bauchreif mehrere Zentimeter nach unten, so dass die Dauben immer fester zusammen gezurrt werden. „Unser Beruf ist hart wie der des Schmieds und fein wie der des Uhrmachers. Deshalb fasziniert mich dieses Handwerk auch so“, sagt der Küfer. Die zusammengesetzten Dauben werden in mehreren Arbeitsgängen unter dem Einfluss von Dampf, Wasser und Feuer gekrümmt. So bekommt das Fass seine typisch bauchige Form. „Durch das Feuer im Inneren werden die Fasern verkürzt, durch das Wasser, das wir außen draufgeben, verlängern sich die Fasern und dadurch können wir das Fass dann biegen“, erläutert der Handwerksmeister.

Seine Ausbildung hat Matthias Streib im pfälzischen Bad Dürkheim gemacht. „Dort haben wir Fässer mit bis zu 10 000 Liter hergestellt.“ Im eigenen Betrieb hat er sich auf Behältnisse spezialisiert, die zwischen 225 und 3000 Liter fassen, wobei die 225-Liter-Fässer bei den Kunden am beliebtesten sind. Die kleinen schafft Matthias Streib an einem Tag. Kommt aber ein Auftrag für ein 3000-Liter-Fass herein, „brauche ich natürlich schon ein bisschen länger“. Bis zu 150 Fässer rollen pro Jahr aus der Mössinger Werkstatt. Die Kunden sitzen im Remstal und Stuttgarter Raum sowie im Markgräfler Land, aber auch in der Pfalz. Es läuft also wieder rund im Küferhandwerk. Doch das war nicht immer so.

Mitte der 70er-Jahre sahen sich die baden-württembergischen Wengerter gezwungen, ihre Holzfässer aus dem Keller zu räumen. „Die Weine aus den Eichenfässern haben damals die Qualitätsprüfung nicht mehr geschafft, weil sie nach Holz schmeckten“, weiß Matthias Streib aus den Erzählungen seines Vaters. Auch Bierbrauer, Essigproduzenten und Mosttrinker setzten in jenen Jahren auf Tanks aus Edelstahl oder Kunststoff. Nachdem aber die Weinbauern in den Vereinigten Staaten und in Südafrika das Holzfass wieder in ihre Keller geholt hatten, schwappte die Barrique-Welle Mitte der 80er-Jahre über den großen Teich. So konnte Küfermeister Hermann Streib, der die Flaute mit der Herstellung von Blumenkübeln und anderen Dekoartikeln sowie Sonderanfertigungen überbrückt hatte, aufatmen. Denn immer mehr heimische Winzer besannen sich auf Eichenfässer made in Mössingen.

Um mit der ausländischen Konkurrenz mithalten zu können, „müssen wir in Deutschland innovative Qualitätsprodukte anbieten“, ist Matthias Streib überzeugt. „Wenn ein Wein 15 Euro kostet, muss er aber auch danach schmecken.“ Doch Geschmack lasse sich weder durch die Zugabe aromatisierter Holzchips - „das funktioniert, wenn überhaupt, nur bei Weißweinen“ - noch in Edelstahltanks erzielen. „Schwere Rebsorten funktionieren einfach nicht in Edelstahl, weil den Tanks die mikrooxidative Fähigkeit des Holzes fehlt“, weiß der Weinküfermeister, der in Weinsberg die Meisterschule absolviert hat. Füllt man den Rebensaft hingegen in ein Fass aus Eichenholz, schlage man zwei Fliegen mit einer Klappe. „Denn dadurch bekomme ich sowohl den nötigen Sauerstoffaustausch, als auch den Geschmack nach Holz.“ Um die Geschmacksstoffe aus dem Holz herauszukitzeln, entfacht der Küfer im Inneren des Fasses nochmals ein Feuerchen. Durch das sogenannte Toasten entwickeln sich im Eichenholz Geschmacksstoffe, die an Vanille, Kokosnuss oder auch Kaffee erinnern und den Barriqueweinen ihren Kick geben.

Ob ein Fass am Ende „heavy toasted“ oder „medium toasted“ die Mössinger Werkstatt verlässt, hängt davon ab, was der Winzer damit vorhat. „Ich besuche jeden meiner Kunden ein Mal im Jahr, um mit ihm abzuklären, welche Rebsorten er anbaut und welche Ansprüche er an seinen Wein hat“, erzählt Matthias Streib. Weil er eben nicht nur das Küferhandwerk beherrscht, sondern an der Meisterschule alles über die edlen Tröpfchen gelernt hat, kennt er sich auch mit dem Inhalt seiner Fässer aus. „Wenn ich zum Beispiel ein Fass ‚heavy toaste’, also es lange über dem Feuer stehen lasse, dann passt da nur ein sehr schwerer Rotwein rein.“ Schaut er dann wieder im Weingut vorbei „und der Kunde hat mit meinem Fass Erfolg gehabt, ist das die größte Auszeichnung für mich“. Die hat Matthias Streib in diesem Jahr bekommen. Denn der vom Verein Württemberger Weingärtner als bester „Trollinger Individualist“ ausgezeichnete Tropfen ist in einem Fass aus der Werkstatt des Mössinger Weinküfermeisters gereift.