Jason Bourne (Matt Damon) kann sich niemals sicher sein, denn seine Verfolger können hinter jeder Ecke lauern. Foto: Universal Pictures Quelle: Unbekannt

Von Britta Schultejans

Esslingen - „Ihr denkt jetzt vermutlich: Das ist ein Superhelden-Film, aber der Typ im Anzug hat aus dem anderen gerade einen Scheiß-Kebabspieß gemacht. Überraschung: Das ist ne andere Superhelden-Geschichte.“ Besser als von Marvel-Antiheld Deadpool selbst ist der Film, der in dieser Woche in die deutschen Kinos kommt, wohl nicht zusammenzufassen. Mit eher bunt geratenen Filmen über die „Avengers“, „Iron Man“, „Thor“ oder die „Fantastischen Vier“ hat „Deadpool“ rein gar nichts zu tun. Die Geschichte ist deutlich düsterer, blutiger, viel witziger und sexy.

Das Schicksal schlägt mit Macht zu

Dabei beginnt die Story mit einer Schreckensnachricht, an der überhaupt nichts lustig ist: Wade Wilson (Ryan Reynolds), ein Ex-Soldat, der sich als Söldner in einer zwielichtigen Organisation seinen Lebensunterhalt verdient, leidet an Krebs im Endstadium. Da ist nichts zu machen. „Der Krebs sitzt nur in Leber, Lunge, Prostata und Gehirn - alles Dinge, die ich nicht brauche“, erklärt er mit dem ihm eigenen Sarkasmus. Und das Schicksal schlägt ausgerechnet in dem Augenblick zu, als er mit Vanessa (Morena Baccarin) gerade seine große Liebe gefunden und ihr einen Heiratsantrag gemacht hat.

Um ihr schmerzhafte Monate an der Seite eines todkranken Krebspatienten zu ersparen, begibt sich Wade in die Hände des skrupellosen Ajax (Ed Skrein), der verspricht, einen Superhelden aus ihm zu machen. Wades einzige Sorge, die er selbstironisch zum Ausdruck bringt: „Ich will nicht, dass der Superhelden-Anzug grün ist - oder animiert.“ Genre-Kenner verstehen diese Anspielung sofort: Einen grünen Anzug musste der Schauspieler Ryan Reynolds ja schließlich schon als grüne Laterne in „Green Lantern“ tragen. Doch das wird nach der folgenschweren Entscheidung für diesen Weg Wades geringste Sorge bleiben. Denn Ajax macht aus ihm in grauenvollen Folter-Experimenten, die der Film bis ins schrecklichste Detail auskostet, ein unverwundbares Wesen - und (zumindest optisch) ein Monster. Denn er sieht danach aus, „wie ein Hoden mit Zähnen“ - oder, wie sein bester Freund es ausdrückt, „als hätte Freddy Kruegers Gesicht eine topografische Karte von Utah gefickt“. Doch das ist Teil dieses verstörenden Spiels, und Ajax sagt ungerührt: „Sexiest Man alive wirst Du nicht mehr.“ Auch das ist mit Hintersinn formuliert: Diesen Ehrentitel erhielt der Schauspieler Reynolds im Jahr 2010.

Weil Ajax versucht, ihn zu seinem „Supersklaven“ zu machen, wird er zu Wades Erzfeind. Und als sich herausstellt, dass der auch hinter Wades Freundin Vanessa her ist, wird Wade zu Deadpool - zum Superhelden wider Willen: „Ich wollte nicht super sein, und ich bin kein Held. Aber wenn Du mitkriegst, dass dein schlimmster Feind hinter deinem Mädchen her ist, ist es höchste Zeit, ein Scheiß-Superheld zu sein.“

Was folgt, ist eine blutige Verbrecherjagd, an der auch Quentin Tarantino seine Freude haben dürfte. Wo herkömmliche Superhelden-Geschichten gnädige Film-Schnitte setzen, hält die Kamera genüsslich drauf. Blut spritzt, Gehirnmasse klatscht zu Boden, Gliedmaßen fliegen nur so durch die Luft. Und nebenbei hat Deadpool auch noch genügend Zeit, sich gegen die Anwerbungsversuche der „X-Men“ Colossus und seiner Praktikantin Negasonic Teenage Warhead (auf deren Superhelden-Namen ist Deadpool ziemlich neidisch) zu wehren.

Der Zuschauer frage sich ganz bestimmt, „wem ich die Eier kraulen musste“, um einen eigenen Film zu bekommen“, richtet Deadpool sich ziemlich zu Beginn an sein Publikum. Den Namen verrate er zwar nicht, aber „sein Name reimt sich auf Polverine“, lässt er wissen. Regisseur Tim Millers Film ist ein sehr unterhaltsamer, mit Seitenhieben auf die „X-Men“, Reynolds selbst und seine Kollegen wie Hugh Jackman gespickter Marvel-Comic für Erwachsene geworden.

Mehr Blut, mehr Sex, mehr Witz: Mit „Deadpool“ kommt eine unterhaltsame, nicht-jugendfreie Marvel-Comicverfilmung ins Kino - mit einem herrlich selbstironischen Ryan Reynolds.