Von Rasmus Buchsteiner

Joachim Gauck ist ein Meister des Worts. Er verabschiedet sich allerdings als Präsident in großer Sorge: Um die politische Kultur und den Stil der Auseinandersetzung, um die Sicherheit des Landes in Zeiten allgegenwärtiger Terrorgefahr und internationaler Konflikte, um Liberalität und Demokratie. Es hilft aber, sich noch einmal die historische Perspektive zu vergegenwärtigen. Dass die Bundesrepublik heute das beste Deutschland ist, das es je gab, wie es der Präsident jetzt in seiner Abschiedsrede eindringlich in Erinnerung gerufen hat, sollte bei aller Aufgeregtheit und Polemik in der politischen Debatte stärker ins Bewusstsein rücken. Doch Gauck wäre nicht Gauck, wenn er es bei dieser Erkenntnis belassen würde.

Mehr Streit wagen, mit dickem Fell, aber bitte auch mit gegenseitigem Respekt - das ist seine eigentliche Botschaft. Ob das im Bundestagswahlkampf mehr als ein frommer Wunsch ist, wird sich zeigen. Es ist eine der vornehmsten Pflichten des Staatsoberhaupts, auf einen kultivierten Meinungskampf zu dringen. Streit ist kein Selbstzweck, sondern, wie Gauck es sehr treffend formuliert, „der Sauerstoff der offenen Gesellschaft“. In Zeiten von „Fake News“ und Hetze in Sozialen Medien mag oft von einer Vergiftung des Meinungsklimas und einem gespaltenen Land die Rede sein. Joachim Gauck hält zum Ende seiner Präsidentschaft kräftig dagegen - wohl auch, weil er weiß, wie es ist, in einem Land ohne Wettstreit der Ideen und ohne öffentlich gewünschte Kritik zu leben.