Von Andreas Herholz

Wer gedacht hatte, die Euphorie-Rakete werde schnell wieder verglimmen, sieht sich getäuscht. Seit die SPD die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz gezündet hat, leuchten die Sterne der Genossen plötzlich wieder strahlend hell. Vier Wochen ist es nun her, dass sich Sigmar Gabriel zurückgezogen und mit diesem Schritt die Sozialdemokraten aus einer kollektiven Depression herausgeholt hat. Seitdem hat der Schulz-Effekt nicht nur dafür gesorgt, dass der schier uneinholbar wirkende Vorsprung von Angela Merkel und der Union wie Eis in der wärmenden Frühlingssonne weggeschmolzen ist. Plötzlich liegt die SPD erstmals seit elf Jahren vorn und bei den Wählern höher im Kurs als die Kanzlerinnen-Partei. Dabei hat Schulz bisher noch gar nichts gemacht, außer seiner verzweifelten Partei wieder Mut und Begeisterung eingehaucht.

Der Kanzlerkandidat probt die Rolle des Robin Hood, der den Verunsicherten die Sicherheit wieder zurückgeben will und den Armen mehr Gerechtigkeit verspricht. Wie genau er das anstellen will, darüber schweigt sich der designierte SPD-Vorsitzende einstweilen noch aus. Machen doch zu viele Fakten am Ende womöglich angreifbar. Doch läuft Schulz’ Agenda auf eine große Umverteilung hinaus.

Und was macht die Union? CDU und CSU staunen über die Trendumkehr und das Stimmungshoch der Schulz-SPD. Außer einem trotzigen „Wir lassen uns nicht einfach vom Hof jagen“ fällt den Merkelianern nicht viel ein. Und von der Kanzlerin ist in den Tagen der Schulz-Euphorie nicht viel zu sehen. Natürlich kommt es im Wahlkampf auf die Schlussphase und einen kräftigen Endspurt an. Sich aber allein darauf verlassen zu wollen, dass Schulz und Genossen früher oder später schon die Luft ausgehen wird, wäre fahrlässig.