Von Detlef Drewes

Italien hat sich zum Sorgenkind der EU entwickelt. Premierminister Matteo Renzi kopiert seine Gegner, in dem er deren Kritik an der EU übernimmt und die Gemeinschaft zum Sündenbock für praktisch alles macht, was in dem Land seit Jahren schiefläuft. Dabei hat der Mann ja nicht nur Unrecht: Eine ganze Reihe von europäischen Staaten verweigern sich allen Zusagen, Flüchtlinge aus italienischen Lagern zu übernehmen. Auf diesem Punkt herumzuhacken, mag populär sein, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass der Premier selbst mehr hätte tun können und müssen, um die wirtschaftliche und finanzielle Lage Roms in den Griff zu bekommen.

Die Krise im Bankensektor ist seit vielen Jahren bekannt. Die Probleme der kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Darlehensvergabe haben sich nicht verbessert. Die finanzielle Ausstattung der Bürger ist nicht besser, sondern schlechter geworden. Es ist schlicht Unsinn, für alles die EU in Haftung nehmen zu wollen, was Renzi selbst hätte korrigieren können. Ja, der Premier hat Reformen durchgezogen. Aber ihm ist es nicht gelungen, in dem Land die Aufschwung-Stimmung zu erzeugen, die es bräuchte. Das wird ihn am Sonntag einholen.

Italiens Zukunft scheint alles andere als rosig. Renzi hat sein Kapital als Hoffnungsträger weitgehend aufgebraucht. Der Griff in die Trickkiste billiger Wahlgeschenke zeigt, wie wenig politische Substanz er für sich in die Waagschale werfen kann. Dabei hätte er viele Möglichkeiten, wenn er seinen Landsleuten klarmachen würde, dass nicht weniger, sondern mehr Europa auch für das Mittelmeer-Land notwendig wäre. Und dass genau dieser Einfluss auf die EU gestärkt würde, wenn man eine kraftvollere Zentralregierung vorweisen kann. Renzi hat sich eine Zeit lang eingebildet, er könne mit Italien den Platz in der Union einnehmen, der durch Großbritannien frei wird. Das ist nicht nur möglich, es wäre auch wünschenswert: Gerade um einen gewichtigen Ansprechpartner aus dem Süden der Gemeinschaft an der Seite Deutschlands, Frankreichs und Polens zu haben. Denn das wäre eine Achse, die die EU prägen könnte. Dazu aber braucht man einen italienischen Regierungschef, der sich nicht aufs Lamentieren und Klagen verlegt, sondern der tatkräftig seine Finanzen in Ordnung bringt und ökonomische Rahmenbedingungen schafft, die Wachstum auslösen. Renzi scheint das nicht mehr zu wollen oder zu können. Aber es gibt aus europäischer Sicht keine erträgliche Alternative zu ihm.