Von Detlef Drewes

Die Brüsseler EU-Kommission beginnt zu verstehen: Natürlich ist es gut, wenn Europa sich nicht mit den kleinen, sondern vorrangig mit den großen Themen beschäftigt, die die Staaten nicht alleine lösen können. Aber mindestens genauso wichtig sind die alltäglichen Probleme der Bürger, mit denen sie konfrontiert werden, sobald sie die Grenzen überschreiten. Ob es nun um die Eröffnung eines Kontos, die Versicherung für ein Mietauto oder um einen Kredit außerhalb der Heimat geht - was da noch immer an hanebüchenen Auflagen und nationalen Hindernissen existiert, erscheint eines Binnenmarktes nicht würdig.

Gerade bei den Finanzdienstleistungen gibt es weiter Stolpersteine: Banken, Hotels oder Online-Shops außerhalb des Euro-Raums berechnen teilweise abenteuerliche Wechselkursgebühren, von denen niemand durchblickt, auf Grundlage welcher Kriterien die eigentlich entstanden sind. Ein echter Binnenmarkt kann solche künstlichen Hürden nicht brauchen. Insofern hat die Kommission Recht: Hier müssen die Anbieter, die Institute und die Mitgliedstaaten mit ehrgeizigen Reformen dafür sorgen, dass der Bürger konkret erlebt, was die EU ihm bringt. Für die großen Dinge bleibt dann immer noch genügend Zeit.

Natürlich ist diese Liste eine Art Geburtstagsgeschenk kurz vor den morgigen Feierlichkeiten zum 60. Gründungsjahr der Union. Wenn die 27 Staats- und Regierungschefs ohne Großbritannien zusammensitzen, werden sie viel von Reise- und Niederlassungsfreiheit, vom Binnenmarkt und den übrigen Errungenschaften reden. Diese Grundwerte sind wichtig. Aber die Alltagshindernisse, an denen Bürger, die sich zwischen den Ländern bewegen, scheitern, dürfen nicht vergessen werden.

Die Kommission hat in jahrelangen Verhandlungen den Wegfall der Roaminggebühren für mobiles Telefonieren und Surfen von Sommer an erreicht. Ein ähnliches Meisterstück würde man sich jetzt bei den vielen kleinen Steinen wünschen, die private Anbieter und Händler den Kunden aus der EU-Nachbarschaft in den Weg legen. Diese sind unsinnig genug. Schließlich können weder Banken noch Autovermieter, Hotels oder Urlaubsanbieter wollen, dass das Bezahlen über eine Grenze hinweg so kompliziert ist, dass der Verbraucher lieber ein anderes Angebot wählt. Die Offensive aus Brüssel kommt also genau richtig - vorausgesetzt man erreicht, was dem Verbraucher da versprochen wurde.