10.4.2016 Die Feuerwehr hat den Einsatz im S-Bahn Tunnel am Flughafen geübt.

 Foto: SDMG

Von Gesa von Leesen

„Stoßtrupp 2.1 zieht sich zurück.“ „Nächster Abtransport! Gibt es noch Verletzte?“ „Nee, ich glaub’ die sind alle raus.“ „Keine Personen mehr im Zug.“ „Okay.“ Schnarrend sind die Ansagen und Anfragen über die Funkgeräte zu hören. Mitten im 3000 Meter langen Tunnel mit seiner schwachen Beleuchtung steht eine S-Bahn, an deren Ende es vor kurzem noch geraucht hat. Tunnel, S-Bahn, Feuer - diese drei Worte genügen, um Katastrophenszenarien im Kopf entstehen zu lassen. Zum Glück sind derartige Unfälle selten, umso wichtiger ist es für Feuerwehrleute, den Ernstfall zu üben.

Etwa 100 Feuerwehrleute aus Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen übten gestern Morgen im S-Bahn-Tunnel zwischen Bernhausen und dem Flughafen das Löschen und die Menschenrettung nach der neuen Stoßtrupp-Taktik aus der Schweiz. Von 7 bis 12.30 Uhr wurde deswegen der S-Bahn-Verkehr auf der Strecke gesperrt. Der Rauch an der S-Bahn ist nur Theaternebel. Im Scheinwerferlicht der Bahn leuchten die Reflektionsstreifen auf den Uniformen der Feuerwehrleute, die in Fünfer-Gruppen „Verletzte“ (lebensgroße Puppen) auf orangefarbenen Tragen aus dem Zug bergen, die Tragen auf Schienenrollwagen hieven und die Wagen zum nächsten Ausgang schieben.

Dafür müssen die Rettungskräfte mit ihrer etwa 20 Kilogramm schweren Ausrüstung - unter anderem Atemmaske und Pressluftflaschen - mehr als 500 Meter zurücklegen. Der Weg bis zum Ausgang in Richtung Flughafen wäre zwar kürzer, aber dorthin zieht der Rauch. „Feuerqualm ist giftig“, erklärt Filderstadts Stadtbrandmeister Jochen Thorns. „Deswegen nehmen wir immer den Weg weg vom Rauch.“

Kooperation der Feuerwehren

Bis die „Verletzten“ gerettet werden konnten, hatten die Flughafenfeuerwehr die Erdung der Bahn erledigt, Feuerwehrleute den Standort der Bahn am S-Bahn-Kilometer 26,2 erkundet, das Feuer am Unterboden gelöscht und gemeldet, wie viele Menschen in der S-Bahn Hilfe benötigten. Einige konnten selber gehen, das waren fünf Azubis der S-Bahn, die anderen, also Puppen, wurden geborgen. Fortwährend raunte es aus den Funkgeräten, Meldungen wurden an die Leitstelle gegeben, die mit lilafarbenen Westen gekennzeichneten Leiter der Übung beobachteten ihre Leute genau. Zudem standen etwa 30 Beobachter anderer Feuerwehren und zahlreiche Presseleute am Rand, um das Geschehen zu verfolgen.

Auch die Oberbürgermeister von Filderstadt, Christoph Traub, und Leinfelden-Echterdingen, Roland Klenk, waren vor Ort. Sie zeigten sich nach der Übung sichtlich beeindruckt. „Eine großartige Leistung der Feuerwehrleute“, sagte Traub. Klenk erklärte: „Als gehobener Laie habe ich einen Eindruck bekommen, was so eine Großschadenslage bedeutet. Es zeigt sich, dass Unfälle von einer solchen Dimension nur gemeinsam bewältigt werden können.“

Damit spielte Klenk auf eine der beiden Neuerungen der Übung an: die interkommunale Zusammenarbeit der Feuerwehren Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt. In den beiden Städten gibt es jeweils ungefähr 300 aktive ehrenamtliche Feuerwehrleute. Wenn beide Wehren kooperieren, sind jederzeit genügend Männer verfügbar.

Die zweite Neuerung, die im Tunnel geübt wurde: die Stoßtrupp-Taktik. Gingen bislang immer zunächst zwei bis drei Feuerwehrleute als erstes zum Unfallort, um die Lage zu orten, werden mit der Stoßtrupp-Taktik fünf losgeschickt. Stadtbrandmeister Jochen Thorns: „Vier arbeiten, einer führt an.“ Damit werden die Kommunikation verbessert, Übersichtlichkeit und Ordnung geschaffen. An diesem Sonntagmorgen schickten die beiden Feuerwehren jeweils vier Stoßtrupps und zwei Erkundungstrupps in den Tunnel, die Reihenfolge richtete sich nach dem Konzept „Löschen, um zu retten“, erklärte Thorns. Zunächst wurden Feuer und Rauch gestoppt, anschließend kamen die Trupps für Menschenrettung.

Ein echter Notfall

Nach knapp zwei Stunden zeigten sich Übungsleitung, Stadtbrandmeister, Oberbürgermeister und S-Bahn-Vertreter hoch zufrieden. Thorns: „Es gab wohl Optimierungsmöglichkeiten bei der Benennung der Trupps, aber im Großen und Ganzen lief die Übung sehr gut.“ Das I-Tüpfelchen sei der echte Atemschutznotfall gewesen: Einer der Feuerwehrleute war im Tunnel umgekippt. „Da hat der Trupp hervorragend reagiert“, lobte Thorns. Der Kamerad wurde versorgt und konnte kurz darauf unbeschädigt den Tunnel selbstständig verlassen.

Am Mittwoch wird es mit allen beteiligten Stellen eine ausführliche Auswertung geben und Thorns ist sicher: „Im Sommer können wir die Stoßtrupp-Taktik vollständig einführen.“