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Das Böse ist immer und überall. Schwaben-Krimis sind angesagt.

Das Böse ist immer und überall. Schwaben-Krimis sind angesagt.

Krimis, die im Schwäbischen spielen, sind sehr beliebt. Klaus Wanninger und Jürgen Seibold schreiben sie.

Ute Stabingies

Krimi-Autor Klaus Wanninger Foto: z

Ute Stabingies

Esslingens malerische Gassen, romantische Streuobstwiesen im Heckengäu, sonnige Weinberge im Remstal, romantische Seen und dunkle Wälder: Baden-Württemberg hat einen hohen Freizeit- und Erholungswert. Aber ein schöner Schein kann ja bekanntlich trügen, die beschaulichen Städtchen und Landschaften eignen sich nämlich auch als perfekte Kulisse für düstere Machenschaften. Im Ländle gibt es ordentlich Mord und Totschlag – und überaus pfiffige Ermittler. Seit vielen Jahren haben Schwaben-Krimis eine eingeschworene Fangemeinde und ziehen ihre Leserschaft mit mehr oder weniger blutigen Plots, schwäbischer Lebensart und einer ordentlichen Portion Heimatgefühl in ihren Bann.

„Wenn die Handlung in einer bekannten Gegend oder gleich um die Ecke spielt, ist das doch viel interessanter, als einen Skandinavien-Krimi zu lesen oder über einen Mordfall, der weit weg in den USA spielt“, sagt Klaus Wanninger. Vor 30 Jahren hat der „Meister des Schreckens“, wie er einmal genannt wurde, seine erfolgreiche regionale Krimi-Serien wie „Schwaben-Sumpf“ oder „Schwaben-Rache“ begonnen.

Im Sommer erscheint sein neuestes Buch „Schwaben-Prinzessin“. So viel sei verraten: Tatort ist ein schwäbisches Dorf, das so gar nicht mehr in unsere Zeit passt. Und vermutlich wird es auch hier bald Tatort-Tourismus geben, denn Wanningers Fans heften sich auf der Suche nach ein wenig Nervenkitzel gerne mal mit dem Fahrrad auf die Fährte der Ermittler Steffen Braig und Katrin Neundorf. Leider nicht ohne die ein oder andere Enttäuschung, denn einige Orte sind einfach nur der Fantasie des Autors entsprungen.

Wer einen Schwaben-Krimi liest, der sollte wissen: Das Böse ist immer und überall und Verbrechen passieren nicht nur im Schutz der Dunkelheit, sondern auch am helllichten Tag. „Die Handlung gibt viel von der Lebensweise und Mentalität der Menschen in der Region preis“, so Autor Klaus Wanninger. In seinen Büchern gibt es kaum ein Motiv, das es nicht gibt: Ehebetrug, Sex-Tourismus nach Thailand oder auch mal ganz alltäglicher Dorf-Knatsch. Kurzum: All das, was man für gewöhnlich gerne hinter verschlossenen Türen und zugezogenen Gardinen versteckt.

Und je malerischer die Kulisse, desto krasser ist der Kontrast mit einem blutigen Mord. „Die vermeintlich heile Welt im Ländle ist ja gar nicht so heil, hier wird viel verbrämt und beschönigt“, sagt Wanninger. Sein Erfolgsrezept: „An den beschaulichen Orten, an denen meine Krimis spielen, findet die reale Welt statt – mit allem, was dazugehört. Ich möchte meine Leser durchaus aufrütteln und aufmuntern, eben nicht wegzuschauen“, so der Autor weiter.

Akribisch recherchierte Handlungsorte

Krimi-Autor Jürgen Seibold. Foto: Stefanie de Buhr
Krimi-Autor Jürgen Seibold. Foto: Stefanie de Buhr

Authentizität bei der Auswahl und Beschreibung seiner Handlungsorte ist auch für Schwaben-Krimi-Autor Jürgen Seibold oberstes Gebot. Bekannt geworden ist der gebürtige Stuttgarter durch seine Remstal-Krimis, hat aber auch schon einen Psychothriller und einen Historienroman veröffentlicht. Im November erscheint sein fünfter Band mit Buchhändler Mondrian als Ermittler. Ähnlich bodenständig ist auch der liebenswerte Ermittler Gottfried Fröhlich unterwegs, der eigentlich Bestatter ist und in dem Krimi „Unsanft entschlafen“ ganz nebenbei einen Todesfall in einem Altenheim in Weil der Stadt aufklärt. Seine Tatorte, wie das Heckengäu, recherchiert Seibold akribisch. „Man muss die Orte schon hautnah erleben, daraus ergeben sich ja dann auch die weiteren Details. Ich möchte den Menschen, die dort wohnen nicht auf die Füße treten, es soll ja schließlich keinem weh tun, außer dem Opfer.“

Die Handlungen seiner Geschichten sind durchaus auch für Krimi-Anfänger geeignet. „Das wurde früher als Cosy Crime bezeichnet“, erklärt Seibold. „Mir ist es wichtig, die Lebensart der Menschen und ihre Eigenheiten zu erfassen. Nur mit Kutteln und Spätzle macht man es sich da zu einfach.“ Denn den Schwaben gebe es gar nicht. Je nachdem, wo die Geschichte spiele, ob in einer Kleinstadt, in Stuttgart oder auf dem Land sei die Lebensart ganz verschieden. Er wolle, wie er es nennt, die Landsmannschaft seiner Figuren treffend wiedergeben, wie zum Beispiel bei einem zünftigen Abend in der Kneipe mit Live-Band oder bei den schwäbischen Landfrauen.

Seibold legt viel Wert darauf, keine Stereotypen zu bedienen. „Ich gebe meinen Figuren gerne etwas mit, was sie sympathisch macht, woran sich der Leser erinnert, und manchmal auch etwas, was ein bisschen gegen den Strich gebürstet ist.“ Wie zum Beispiel die 80-jährige Mutter seines Ermittlers, die offenbar ein weitaus spannenderes Sexualleben führt, als ihr etwas langweiliger Sohn. In seinen Geschichten blitzt dann ab und zu sein ganz eigener Humor auf, wenn ein Opfer zum Beispiel durch einen ordentlichen Schlag mit der Spätzlepresse zu Tode kommt oder ein baden-württembergischer Landesbeamter auf einer Streuobstwiese mit Mostäpfeln zu Tode „gesteinigt“ wird. „Dabei habe ich aber immer ein wohlwollendes Augenzwinkern“, betont Seibold.

Mit einem weitaus bedrohlicheren Szenario bekommen es die Ermittler in Wanningers Schwaben-Krimis zu tun. In „Schwaben-Zukunft“ kämpft sich Ermittlerin Ann-Sophie Braig durch ein düsteres Untergangsszenario mit mahnender Message. Die Geschichte spielt im Stuttgart des Jahres 2073, seit Tagen ergießt sich anhaltender sintflutartiger Dauerregen. Teile der Stadt und des Umlands gehen unter in reißenden Fluten.

„Ich will mit meinen Krimis aufrütteln, dass nicht nur Mord und Totschlag unsere schöne Heimat bedrohen. Es ist ja gerade auch der Lebensstil, den viele im Ländle praktizieren, der angesichts der uns drohenden ökologischen Katastrophe so nicht weitergehen kann,“ erklärt Wanninger und kritisiert: „Mit Luxuskarossen kann zukünftig kein Wohlstand mehr generiert werden, dafür braucht es ein Umdenken.“

Folgerichtig fahren seine Ermittler in dem Buch möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln. „Gerade die Eigenschaft der Schwaben, sehr tiefgründig über Dinge nachzudenken, gibt mir Hoffnung, dass wir es schaffen, unseren Lebensstil noch rechtzeitig zu ändern – auch wenn es dafür fast schon zu spät ist.“

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