Quelle: Unbekannt

Von Nicole Spiegelburg

Was haben die Grauen Männer aus „Momo“ mit der Deutschen Bahn gemein? Beide klauen unsere Zeit. Aus fünf Minuten werden klammheimlich zehn, dann 15 Minuten und ehe man es sich versieht, ziehen auf der Anzeigentafel 25 Minuten vorüber. Durchsagen? Keine. Stattdessen ungewisses, banges Warten.

Die Frage ist nur: Was macht die Bahn mit der geklauten Zeit ihrer Fahrgäste? In der Zigarre rauchen? Eher nicht, vielmehr probt die Bahn gerade einen Imagewechsel, zumindest für die gebeutelten Fahrgäste auf der Filstalstrecke. „Wir geben Ihnen ein Stück Ihrer verlorenen Zeit zurück“, zwitschert eine junge Promoterin mit knallrotem Bahnkäppi und überreicht dem erstaunten Fahrgast zwei Erlebnisgutscheine. Die können unter anderem für einen Besuch im Thermalbad oder für eine Stadtführung in Esslingen eingelöst werden und sorgten schon für mächtig viel Wirbel. Denn wer just an diesem Tag nicht in der Regionalbahn saß, ging leer aus. Kommunikation? Fehlanzeige. Pendler, die sich beschweren wollten, hingen stattdessen eine halbe Stunde in der Warteschleife der Bahn-Hotline.

Bleibt noch eine andere Frage: Nämlich, ob die Reaktion der Deutschen Bahn auf die Filstalmisere Ausdruck ihres Imagewechsels ist oder schlicht die zynische Antwort ihrer Mitarbeiter?

Freitagnachmittag, kurz vor 17 Uhr: Das Hetzen zum Bahnhof war vollkommen unnötig, verlässlicherweise verspätet sich der Zug um 20 Minuten. Nach dreißig Minuten rollt er ein, nach weiteren zehn Minuten fährt er endlich an. Dazwischen kommt immerhin die launige Durchsage des Zugführers: „Meine sehr verehrten Fahrgäste, willkommen an Bord unserer popeligen Regionalbahn. Als solche müssen wir dem Fernverkehr den Vortritt lassen und warten einstweilen auf dessen Überholung.“ Oder der Zugführer, der nach einem Zugausfall am frühen Morgen seine erbosten Fahrgäste mit der Durchsage erheiterte: „Unser nächster Halt ist Plochingen, hier endet unsere Zukunft.“ Und wem das an Humorbeweisen noch nicht genügt, den wird vielleicht die Aufschrift überzeugen, die neulich über die Anzeigentafel am Uhinger Bahnhof flimmerte: „Circa 30 Minuten Verspätung. Grund ist das Warten auf Fahrgäste.“ Hm, vielleicht kommt bald wirklich keiner mehr?!