Quelle: Unbekannt

Von Christian Dörmann

Es gibt Menschen, die sind offenkundig nicht so richtig ausgelastet. Sie haben kaum Stress, deshalb machen sie sich welchen - künstlich sozusagen. Man trifft sie zum Beispiel auf der Autobahn und dort speziell im Bereich von Baustellen, an denen in der Regel kein Mangel herrscht. Oft ist dort die Fahrbahnbreite deutlich eingeschränkt worden, vor allem auf der linken Seite. Ein schmaler Grat im wahrsten Sinne des Wortes, weil zwischen der Begrenzung links mit Betonsteinen und dem Mittelstreifen nun wahrlich nicht viel Platz ist.

Das scheint vor allem den stressbefreiten SUV-Fahrer und auch andere Lenker größerer Automobile nicht sonderlich zu interessieren. Auch nicht die Tatsache, dass man innerhalb der Baustelle nur 80 fahren darf oder gar nur 60, wenn es in die Kurve oder in eine Fahrbahnverschwenkung geht. Nein, der zu große Wagen für zu wenig Straßenbreite kann natürlich nur auf der linken Straßenseite standesgemäß bewegt werden. Zügig vorbei an den Autos, bis der erste Lastwagen den Vortrieb bremst. Dessen Räder touchieren immer wieder den Mittelstreifen, überrollen ihn mitunter sogar, weil es für den Brummi eben auch auf der rechten Seite einigermaßen eng zugeht. Und nun begibt sich der linksgepolte Verkehrsteilnehmer freiwillig in eine richtige Stress-Situation: Hält der Laster die Spur? Reicht es an den Seiten, um ungestreift durchzukommen? Was kostet so ein Seitenspiegel mit integriertem Blinker? Was passiert, wenn sich das Auto zwischen Betonbegrenzung und Laster irgendwie verkantet? Jetzt hat der Herr jede Menge Stress gewonnen und in gleichem Maße Mut verloren. Denn er bleibt hinter dem Laster - auf der linken Spur selbstredend - und versetzt damit noch den Fahrer dahinter in einen aufgeregten Gemütszustand, weil der „Feigling“ da vorn nicht vorankommt. Derweil rollt auf der rechten Seite der Verkehr in ruhigen Bahnen. Man blickt in entspannte Gesichter, registriert vielleicht ab und zu ein Kopfschütteln, wenn sich links die Fahrer mit den großen Autos durch die schmale Gasse zittern. Das Ende der Baustelle erreichen beide Seiten fast gleichzeitig - hier genervt, da amüsiert. Gerade läuft im Radio eine Verkehrsdurchsage: In der nächsten Baustelle zehn Kilometer weiter hat es einen Unfall gegeben. Wie der passiert sein könnte, liegt auf der Hand. Alles steht. Super - jetzt haben wir alle Stress.