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Viele haben mit rückläufigen Mitgliederzahlen zu kämpfen – Für ihre Mutterparteien gehen sie im Bundestagswahlkampf dennoch auf Stimmfang

Von Pia Hemme

Esslingen – Es sind nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl. Die Parteien geben alles, um sich bei den Wählern von der besten Seite zu zeigen. Aber nicht nur die Parteien kämpfen um Stimmen – auch die Jungparteien mischen beim Wahlkampf kräftig mit. In Esslingen gibt es aktuell aber wenig aktive Mitglieder. Wir haben uns mal umgehört:

Die Junge Union (JU) ist die größte Jugendorganisation in Baden-Württemberg. Maximilian Fiel, Kreisvorsitzender der Jungen Union Esslingen, macht sich wenig Sorgen um die Mitgliederentwicklung – auch wenn die Zahlen rückläufig sind. In Esslingen hat die Jungpartei seit Anfang des Jahres etwa 20 Mitglieder verloren, aktuell sind es 238. „Es haben einige ihre Mitgliedsbeiträge nicht mehr gezahlt oder sind weggezogen“, sagt Fiel. Er ist aber zuversichtlich: „Das werden wir wieder ausgleichen.“ Sind die Jugendlichen politikverdrossener geworden? „Nein, auf keinen Fall“, sagt Fiel. „Die Jugendlichen sind engagiert, sie möchten sich nur nicht auf eine Partei festlegen. Sie denken, man müsste sich in ein Korsett schnüren lassen, wenn man sich für eine Partei entscheidet. Aber das stimmt nicht, die JU ist nicht immer mit der CDU einverstanden und dient als kritische Instanz.“ Das Besondere an einer Mitgliedschaft sei, dass man nicht automatisch der CDU beitreten müsse. „Bei den Jusos geschieht das automatisch“, sagt Fiel. Zuwanderung, innere Sicherheit und Digitalisierung sind für die Junge Union im Wahlkampf wichtige Themen. „Wir wollen, dass der Ausbau von Glasfaser, schnelles Internet und freies W-Lan vorangetrieben wird“, sagt Fiel. Der Tür-zu-Tür-Wahlkampf ist für die Junge Union ein wichtiges Mittel, um auf Stimmenfang zu gehen.

Die Jusos machen den Ausbau des Öffentlichen-Personen-Nahverkehrs zu ihrem Thema und wollen mehr öffentliche Plätze für Jugendliche in Esslingen schaffen. „Außerdem möchten wir auf das Thema Jugendarbeitslosigkeit aufmerksam machen“, sagt Dominic Ludwig, Mitglied der Jusos Esslingen. Damit die SPD genügend Stimmen bei der Bundestagswahl bekommt, stellen sich die Jusos in den Schulen vor und machen Infostände in der Innenstadt. „Aktuell haben wir sieben aktive Mitglieder“, sagt Ludwig. Insgesamt zählt die Jugendorganisation 5800 Mitglieder in Baden-Württemberg. Die Jusos Esslingen erleben im Gegensatz zu anderen Jungparteien einen Mitgliederzuwachs: Waren es am 1. September 2016 noch 182 Mitglieder, sind es dieses Jahr 200. Der Martin-Schulz-Effekt. Andreas Lanio, Landesgeschäftsführer der Jusos Baden-Württemberg, ist mit den Mitgliederzahlen zufrieden. „Besonders zwischen Januar und Mai dieses Jahres konnten wir mit 700 Neueintritten in Baden-Württemberg einen überdurchschnittlichen Zuwachs verzeichnen.“ Themen, wie die Zukunft Europas und die Integration von Flüchtlingen, würden Jugendliche politisieren.

Die Grüne Jugend macht sich den öffentlichen Raum zum Wahlkampfthema. Die Mitglieder planten, sich mit Sofas in die Innenstädte zu setzen, um auf den Mangel von öffentlichen Plätzen für Jugendliche aufmerksam zu machen. „Nach der Landtagswahl 2011 hatten wir einen starken Zuwachs. Danach hatten wir – wie alle anderen Jungparteien – mit einem Mitgliedermangel zu kämpfen“, sagt Lena Schwelling, Landesvorsitzende der Grünen Jugend in Baden-Württemberg. Seit 2016 gibt es wieder einen leichten Anstieg: die Zahl ist von 603 Mitglieder in Baden-Württemberg auf 610 angestiegen. Seitdem sind die Zahlen stabil geblieben. Carolin Hensch ist zurzeit das einzige Mitglied der Grünen Jugend in Esslingen. „Im Moment suche ich händeringend nach Leuten“, sagt die 17-Jährige. Für die geringe Mitgliederzahl in Esslingen hat sie eine Erklärung. „Wir haben im Moment so wenig Mitglieder, weil in den vergangenen Jahren auf einen Schlag alle zu alt für die Jungpartei geworden sind. Unsere Altersgrenze liegt bei 28 Jahren.“ Sie vermutet, dass viele junge Menschen lieber in eine große Jugendpartei gehen wollen, da es bequemer und weniger Arbeit sei. Auch wenn sie das einzige Mitglied ist, war sie in den vergangenen Wochen an dem ein oder anderen Wahlkampfstand in Esslingen zu sehen.

Die Linksjugend „Solid“ aus Esslingen hat sich nach einem Jahr Pause im Dezember 2016 wieder neu gegründet. Wieso die Jungpartei sich aufgelöst hatte, kann Elisabeth Riether, Sprecherin der Linksjugend Esslingen, nicht sagen. „Bei der Neugründung war niemand mehr von den alten Hasen dabei. Viele sind wohl wegen des Studiums umgezogen.“ Aktuell hat die Jungpartei vier aktive Mitglieder. Sie lehnt den Wahlkampf für Mutterpartei Die Linke aber entschieden ab. „Die Mutterpartei hat sich zu sehr an die anderen Volksparteien angepasst. Man müsse verstehen wie Gesellschaft funktioniere und sich außenparlamentarisch mit ähnlich Gesinnten zusammentun, um effektiv gegen Ausbeutung, Krieg, Armut und Umweltzerstörung vorgehen zu können. „Dem steht das Wahlgetöse eher im Weg“, findet Riether. Über die Mitgliederentwicklung in Baden-Württemberg erhielten wir leider keine Auskunft.

Auch die Jungen Liberalen (JuLis) aus Esslingen sind aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Im Mai 2017 hat die Jungpartei einen neuen Kreisvorstand gewählt. „Vor der Wahl waren die JuLis Esslingen nicht mehr wirklich aktiv. Einige Mitglieder konnten sich zwecks Beruf und Studium zeitlich nicht mehr einbringen“, erklärt Daniel Schneider, JuLi-Kreisvorsitzender. Für den Wahlkampf hat die Jungpartei eine eigene Kampagne zum Thema Erneuerung und Modernität kreiert: es geht um Digitalisierung, Selbstbestimmung, Bildung und Europa. Sie setzten sich zum Beispiel für den Ausbau von Highspeed-Internet in Deutschland ein und sind für eine reguläre Freigabe von Cannabis, der an kontrollierten Abgabestellen verkauft werden darf. In Esslingen unterstützten die Mitglieder die FDP vor allem durch das Verteilen von Flyern. „In Baden-Württemberg sind wir gerade 300 Mitglieder, von denen rund ein Drittel auf den Kreisverband Stuttgart fällt. In Esslingen sind wir zehn aktive Mitglieder, von denen über die Hälfte innerhalb der vergangenen neun Monate den JuLis beigetreten ist“, sagt Schneider.

Es tut sich also viel bei den Esslinger Jungparteien: während die einen nach neuen Mitgliedern suchen, sind inaktive Jugendorganisation zu neuem Leben erwacht.