Quelle: Unbekannt

Von Christian Dörmann

Man muss ja heute wirklich vorsichtig sein: mit allem, was man sagt. Denn Sprache und Befindlichkeiten ändern sich beängstigend schnell. Den Negerkuss haben wir aus Gründen eines möglichen rassistischen Beigeschmacks längst zu Gunsten des Schaumkusses abgeschafft. Das Zigeunerschnitzel steht zumindest auf dem Index und die Wildwasserkanuten sollten schon einmal ernsthaft über eine gendermäßig angemessene Form des Begriffs Eskimorolle nachdenken. Heute heißen die Ureinwohner des hohen Nordens ja nur noch Inuit.

Ein ganz gefährliches Pflaster stellt der verbale Umgang zwischen Männlein und Weiblein dar. Denn die Zeiten, als man noch ohne irgendwelche Hintergedanken und weitab von diskriminierenden Anwandlungen einfach so drauf los geplappert hat, sind definitiv vorbei. Die Emanzipation fordert auch die sprachliche Gleichstellung.

Natürlich gibt es Zeiten, in denen auf das korrekte und damit antidiskriminierende Wort ganz besonders sorgfältig geachtet werden muss. Während der Esslinger Frauenwochen zum Beispiel, die noch bis zum 24. März dauern. Dazu gibt es ein umfangreiches frauenbewegtes Programm, zu dem in verschiedene Örtlichkeiten der Stadt eingeladen wird. Auch in den Bürgerinnensaal im Alten Rathaus. Der Betrachter (wohl weniger die Betrachterin) des Programmheftes vermutet zunächst einen Druckfehler. Denn Esslingens ehrwürdige gute Stube war ihm bis dato eben nur als Bürgersaal ein Begriff.

Aber wer nun denkt, Bürgerinnensaal sei barer Unsinn, verharrt in mittelalterlichen Denkmustern, auch wenn besagter Saal just zu dieser Zeit entstanden ist. Nein, es ist gut, wenn wir uns sensibilisieren lassen, für das nachvollziehbare Anliegen der Frauen, als gleichberechtigte Partner(innen) den Saal betreten zu dürfen. Dabei entbehrt das Programmheft zu den Frauenwochen nicht einer gewissen Inkonsequenz. Es gibt nämlich auch Veranstaltungen im Kutschersaal der Stadtbücherei. Und was ist mit den Kutscherinnen?

Liebe Programmgestalterinnen: So wird es nie gelingen, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die in grauer Vorzeit durchaus als reizvoll angesehen wurden, glatt zu bügeln. Der Bürgerinnensaal ist nur der Anfang. Der Kutscherinnensaal muss folgen. Dann ist die wichtigste Hürde auf dem Weg zur emanzipatorischen Vollendendung genommen.