Bei Turan Hüner (links) ist man umgeben von bunter und vitaminreicher Pracht. Da hat Werner Barth keine Probleme, etwas für seinen Korb zu finden. Fotos: Kaier Quelle: Unbekannt

Von Christian Dörmann

In der Theorie ist vieles möglich, doch in der Praxis sieht dann manches anders aus. Was liegt also näher, als über die Nahversorgung in Esslingen-Zell nicht nur zu reden, sondern am „lebenden Objekt“ zu testen, was im Stadtteil geboten wird. Eine punktuelle Momentaufnahme freilich nur, aber der Zeller Bürgerausschussvorsitzende Uwe Mäckle und Werner Barth, der ebenfalls den Bürgerausschuss vertritt, sind natürlich ausgewiesene Kenner der Materie.

Werner Barth ist bestens präpariert mit Einkaufskorb und diversen Aufträgen, die es zu erledigen gilt. Der erste Weg führt in die Zeller Backstube an der Hauptstraße, wo das Bäckereihandwerk hoch gehalten wird. Gern packt Verkäuferin Gabriele Hedel auch besondere Spezialitäten ein - Laugenmäuse zum Beispiel, die in Werner Barths Korb verschwinden. Man kennt sich, es geht familiär zu, wie sich das für einen Famlienbetrieb gehört. Ulrich Zimprich, der Chef, blickt in den Verkaufsraum und verspricht: „Ich gebe alles.“

Gleich gegenüber von der Backstube ist eine Apotheke, einen Arzt gibt es dort auch. Und schon sprechen Mäckle und Barth eines der zentralen Probleme im Stadtteil an: die Ärzteversorgung. „Die Ärzte, die es in Zell noch gibt, nehmen keine neuen Patienten mehr auf“, berichtet Uwe Mäckle. Immer häufiger müssen die Einwohner auf Nachbarorte ausweichen - viele gehen nach Altbach. „Das Problem ist, wir werden alle älter“, sagt Werner Barth. Zwei Zahnärzte gibt es noch in Zell, es fehlen vor allem Allgemeinmediziner, also die guten alten Hausärzte.

Kein Drogeriemarkt mehr

Der Blick fällt in der Hauptstraße auch auf einen leeren Laden. Da war früher der Schlecker. Doch seit es den nicht mehr gibt, gibt es auch keine Drogeriewaren in größerem Umfang mehr im Ort. Nun muss man schon über die Bahnlinie zum Marktkauf. Ein Sportstudio, ein Tatto-Studio, ein Beauty-Shop, ein Telekom-Laden, ein Blumengeschäft, sage und schreibe fünf Friseure, drei Banken, eine Fahrschule und zusammen mit Zoller in der Bachstraße zwei Bäcker. „Das Angebot ist größer, als es auf den ersten Blick erscheint“, erklärt Mäckle, und seine Aufzählung ist noch längst nicht vollständig. In der Bachstraße auf dem Weg zur nächsten Einkaufsstation passiert man das Zeller Bücherregal. Es ist tatsächlich ein Regal, das gut mit Lesestoff bestückt ist. Jeder Bürger kann Bücher bringen, von denen er sich trennen will, und solche mitnehmen, die ihn interessieren. Das System funktioniert gut, sagen Mäckle und Barth. Der Bestand wird gepflegt, damit das von der evangelischen Kirchengemeinde angestoßene Projekt seinen guten Zweck erfüllt.

Jetzt geht‘s zum „Hüner“, einem Obst- und Gemüsegeschäft an der Bachstraße. Im Laden lädt ein in jeder Hinsicht buntes Bild an frischen Waren ein, und der Duft macht Appetit. Zumindest gegen den kleinen kann man etwas tun, denn Ladenbesitzer Turan Hüner, der nun schon seit neun Jahren in Zell ist, hält gern eine Auswahl an Appetithäppchen bereit. Heute sind es Ananas- und Mango-Stückchen. „Zum Anfüttern“, sagt Turan Hüner verschmitzt, dem es auf diese Weise auch gelingt, einen engen Kontakt zu seinen Kunden zu pflegen. Denn der, sagt er, sei ihm wichtig. Neben Obst, Gemüse und Salat hat er noch einige Milchprodukte im Programm - einen großen Lebensmittler im Ortszentrum gibt es ja nicht mehr. Werner Barth ist zufrieden mit dem Angebot „beim Hüner“ und füllt seinen Korb mit diversen pflanzlichen Vitaminen.

Den Anschnitt gibt‘s gratis

Nur einige Meter weiter den Berg hinauf geht es bei Simon Benzler um die Wurst. Seit 1980 betreibt seine Familie das Geschäft, 2011 hat er es übernommen und zuletzt hat er viel Geld investiert, um die Metzgerei auch optisch auf den neuesten Stand zu bringen. Simon Benzler und seine Verkäuferin Regina Peschke kennen die meisten ihrer Kunden und natürlich auch Werner Barth, der sich einige Spezialitäten einpacken lässt. Den Wurstanschnitt legt Regina Peschke selbstverständlich gratis dazu. Simon Benzler ist zufrieden mit seinem Geschäft, zumal seine Kundschaft nicht nur aus dem Ort kommt. Auch aus Altbach und Deizisau reisen sie an - und sogar „aus der Stadt“, womit man in Zell gemeinhin Esslingen meint.

Die Bilanz fällt für Uwe Mäckle und Werner Barth unter dem Strich positiv aus. „Im Vergleich zu anderen Stadtteilen sind wir hier in Zell gut aufgestellt“, befindet Barth. In einer halben Stunde habe man die notwendigsten Einkäufe zu Fuß erledigt. „Wenn wir das so halten können, dann ist es in Ordnung“, meint Mäckle. Allerdings hänge dies natürlich ganz entscheidend davon ab, ob die Bürgerinnen und Bürger ein regionales Bewusstsein pflegten und auch so einkauften - „selbst wenn es vielleicht etwas teurer ist“.

Ärzte fehlen

„Die Grundversorgung funktioniert“, versichern die beiden Bürgerausschussmitglieder, der Generationswechsel in den Geschäften stelle in der Regel kein Problem dar. Gleichwohl wissen sie, dass es auch in Zell Probleme gibt, mit denen sich die Einwohner herumschlagen müssen. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, die nicht so beweglich sind, um sich beim Marktkauf oder „in der Stadt“ mit dem zu versorgen, was es im Zeller Ortskern nicht gibt. Hinzu kommt eben das überschaubare Ärzteangebot, wovon ebenfalls überwiegend Ältere betroffen sind. Ansonsten findet man auch in Zell das Problem, wie man es überall sonst ebenfalls findet: Es dürften gern ein paar Parkplätze mehr sein. Vor allem an Kurzzeitparkplätzen herrsche Mangel, sagen Barth und Mäckle. Aber die Geschäfte liegen nahe an der S-Bahn-Station und sind auch auf diesem Weg schnell zu erreichen.