Die Speichen sind justiert und dank Rainer Digels Reparatur läuft das Rad nun wieder rund. Fotos: Rudel Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

An der Wand hängen Fahrradschläuche, in einem Regal liegen, fein säuberlich sortiert, Sättel, Ventile, Rücklichter, Klingeln, Pedale und andere Ersatzteile. Davor steht ein Stativ, auf das die Drahtesel während der Inspektion montiert werden. In der Werkstatt der Initiative Gemeinsam für Flüchtlinge in RSKN im Stahlackerweg liegt alles parat, was Reinhold Pohl, Rainer Digel, Werner Reichelt, Hans-Joachim Schenk, Matthias Holz und andere ehrenamtlich Engagierte brauchen, um die gespendeten Fahrräder wieder fit zu machen und Bedürftigen - „unabhängig ob Flüchtling oder nicht“ - zu mehr Mobilität zu verhelfen.

Vor gut einem Jahr hatte die Flüchtlingsinitiative die Bevölkerung aufgerufen, Räder zu spenden. „Damals wurden binnen sechs Wochen 60 gebrauchte Fahrräder gespendet“, berichtet Rainer Hillgärtner, der sich bei der Initiative um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Inzwischen haben die Aktiven 307 gebrauchte Fahrräder in Empfang genommen - vom Kinderrad bis zum Mountainbike. Rund 160 Zweiräder wurden nach der Inspektion und Reparatur in verkehrssicherem Zustand an neue Besitzer übergeben. „Mit diesem Umsatz dürften wir die wohl größte ehrenamtlich betriebene Fahrradwerkstatt im Landkreis Esslingen sein“, schätzt der Pressesprecher.

Zum Wegwerfen zu schade

Viele Frauen und Männer, die ihre gebrauchten Räder in der Werkstatt auf der Neckarhalde abgeben, „haben sich E-Bikes gekauft“, berichtet Rainer Digel. „Da ihre alten Räder aber viel zu schade zum Wegwerfen sind, wollen sie, dass sie einem guten Zweck zugute kommen.“ So ist das eine oder andere Velo noch so gut in Schuss, „dass wir es nur ein bisschen ölen, fetten müssen und die Kette spannen müssen“, erzählt Hans-Joachim Schenk. Er ist glücklich, dass die evangelische Kirche der Radwerkstatt die Räume des ehemaligen Kindergartens überlassen hat. „Da haben wir viel Glück gehabt“, bestätigt Reinhold Pohl. „Denn ohne diese Räume könnten wir das Projekt nicht stemmen.“

Bevor sich die Ehrenamtlichen, die alle selbst passionierte Radler sind und zumeist in technischen Berufen arbeiten, ans Werk machen, werden die Drahtesel registriert. Die Räder bekommen eine Laufnummer, die sie fortan begleitet und auch ins Übergabeprotokoll eingetragen wird. Das muss jeder unterzeichnen, der eines der gespendeten Bikes abholt. Darin verpflichten sich die Empfänger, das Geschenk sorgfältig zu behandeln und es nicht zu verkaufen. Außerdem schützt das Dokument die neuen Besitzer. „Denn sie können damit belegen, dass es nicht geklaut ist“, erklärt Rainer Hillgärtner.

Mehr Verantwortung übernehmen

Die ehrenamtlichen Schrauber hatten geplant, die Räder gemeinsam mit Geflüchteten zu reparieren. „Das hat sich aber als schwierig erwiesen, wobei man fairerweise sagen muss, dass es ja auch mit Verantwortung verbunden ist, ein Rad wieder so instand zu setzen, dass es verkehrssicher ist“, sagt Werner Reichelt. Von den Empfängern erwarten er und seine Mitstreiter aber „generell mehr Verantwortung“. So könne es nicht angehen, dass man sich wegen einer losen Schraube am Sattel oder einer kaputten Birne im Rücklicht auf den Weg in die Fahrradwerkstatt macht. „Diese Konsumhaltung ist deutlich verbesserungswürdig“, findet er. Schließlich müssten sich die Empfänger der Räder klarmachen, „dass sie ein voll funktionstüchtiges und verkehrssicheres Rad bekommen, für das sie bei einem Gebrauchtwarenhändler mehrere Hundert Euro zahlen müssten“.

Die Radwerkstatt der Flüchtlingsinitiative sucht Mitstreiterinnen und Mitstreiter - nicht nur zum Reparieren der Drahtesel. Da bei der Ausgabe der Räder die Hölle los ist, sind Freiwillige willkommen, die bei der Übergabe helfen. Kontakt zur Radwerkstatt bekommt man per E-Mail: gff-radwerkstatt@holz.bike