Der Rewe ist das kommerzielle Herzstück auf dem Zollberg, drumherum darf es noch mehr pulsieren. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

Peter Zürn muss sich zwar mit den Verkehrsbeeinträchtigungen herumschlagen, den die Bauarbeiten am Festo-Knoten und auf der Zollbergstraße für seinen Stadtteil mit sich bringen. Auch die provisorischen Bushaltestellen können aus Sicht des Zollberger Bürgerausschussvorsitzenden noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Und dass die Sanierung der Pfeifferklinge noch Jahre dauern wird und die fußläufigen Verbindungen hinunter in die Stadt fast vollständig gekappt oder in miserablem Zustand sind, stellen ihn selbstredend auch nicht zufrieden.

Aber im Gegensatz zu vielen anderen Stadtteilen hat der Bürgerausschuss Zollberg zusammen mit der Stadt und der Esslinger Wohnungsbau GmbH sein Nahversorgungsproblem bereits gelöst. Vor fünf Jahren hat ein großer Rewe in einem Neubaukomplex der EWB am Zollernplatz eröffnet, in dem angebauten kleinen Gesundheitszentrum praktizieren Ärzte, ein Physiotherapeut und eine Apotheke sind ebenfalls dort untergebracht. Zürn spricht von einem „vollen Erfolg“, das neue „Zentrum Zollberg“ habe die Stadtteilmitte „unwahrscheinlich belebt“. Rewe decke das volle Sortiment ab, die Bäckerei Zoller daneben mit ihrem kleinen Café komme ebenfalls sehr gut an.

Eine Hoffnung, der auch Zürn nachgehangen ist, hat sich bislang jedoch nicht erfüllt. Den kleineren Läden am Zollernplatz konnten auch die neue Gestaltung des Platzes und der Publikumsmagnet Rewe nicht helfen. Wer dort für den täglichen Bedarf einkaufen will, dem bietet sich außer dem Vollsortimenter und der Bäckerei lediglich noch ein kleiner Schreibwaren- und Zeitschriftenladen mit Toto-Lotto- und Poststelle an. Vor ein paar Monaten hat Filiz Mutlu-Alexiou das Geschäft übernommen und zwei Wochen lang kräftig renoviert. Die engagierte Quereinsteigerin, die zuvor 20 Jahre in der Pflege gearbeitet hat, müht sich jetzt darum, dass sich das neue Flair des Ladens auch in schwarzen Zahlen bemerkbar macht. Sie hat eine Reinigungsannahmestelle dazugenommen und nimmt auch Arbeiten für die Schneiderei entgegen. Ein Friseur und ein Reisebüro bieten ihre Dienstleistungen an, die Kreissparkasse hat noch eine Filiale, die Volksbank noch Automaten vor Ort. Eine Gaststätte behauptet sich ebenfalls noch auf dem Platz. An dem Feinkostladen neben dem Schreibwarengeschäft hängt indessen ein Schild „Zu vermieten“. Die ehemalige Schlecker-Filiale im Nachbarblock steht seit der Insolvenz der Drogeriekette leer. Ein Fitnessstudio habe dort einmal seine Fühler ausgestreckt, heißt es im Stadtteil. „Aber wir haben nirgendwo Parkplätze“, weist Eberhard Durst, Leiter der Kreissparkassenfiliale schräg gegenüber, auf eine Altlast aus der Gründungszeit des 1950er-Jahre-Stadtteils hin, in der die Menschen noch kaum Autos und die Häuser nur wenige Garagen hatten. Doch ob es wirklich an fehlenden Parkplätzen liegt, dass die Fenster im Erdgeschoss des Wohnblocks immer noch verhangen sind? „Ich habe den Eindruck, es scheitert auch an den Ansprüchen der Vermieter“, so Zürn. Für Filiz Mutlu-Alexiou kam der für Zollberg-Verhältnisse sogar relativ große Laden nicht in Frage. „2400 Euro Miete sollte er kosten- das kann ich nicht bezahlen.“

Viele Zollberger hätten dort gerne wieder eine große Drogerie. „Ich fahre mit dem Bus runter zum dm nach Esslingen, wenn ich Waschpulver brauche“, sagt Gertraud Kappel (67). Das sei im Rewe zu teuer. Im Stadtteil kursiert das Gerücht, dass Rewe aber keine Konkurrenz für solche Artikel haben wolle. Mit dem Filialleiter vor Ort ist kurzfristig kein Gespräch zu bekommen. Alles muss mit dem Konzern abgestimmt sein.

Dass manche im Stadtteil schon wieder über die Monopolstellung des Lebensmittelmarkts klagen, ist verständlich, wenn man wie viele im Stadtteil scharf rechnen muss. Es zeigt aber auch, wie schnell man vergisst. Mittlerweile erinnern sich bestenfalls noch die ganz alten Zollberger daran, dass ihr Stadtteil einmal auf beiden Seiten der Zollbergstraße jeweils ein kommerzielles Zentrum hatte. Seit Jahren sind die Angebote immer weniger geworden - die Menschen im Stadtteil aber immer älter. Heute gibt es im westlichen Bereich des Stadtteils nur noch die Bäckerei Unrath mit Café, die zur Grundversorgung zwischen Eichendorff- und Mutzenreisstraße beiträgt. Alles andere spielt sich im Osten ab. Und das war ohne den neuen Supermarkt auch mehr als überschaubar.

„Wir sind sehr dankbar und froh, dass es den Rewe gibt“, sagt Gisela Weinzierl, Managerin des benachbarten Wohncafés - einer weiteren Erfolgsgeschichte in dem Stadtteil. Dort wird regelmäßig gekocht und dafür zweimal wöchentlich auch vor Ort eingekauft. „Die Qualität ist gut“, sagt Weinzierl. Und Gertraud Kappel, Gisela Hampe (85) und Cornelia Schäfer (49), die an jenem Tag das ehrenamtliche Kochteam im Wohncafé stellen, loben die Freundlichkeit des Verkaufspersonals.

Es fehlt an Parkplätzen

Apothekerin Annette Demuth-Weiss hat genauso wie eine Arztpraxis vor fünf Jahren die Zollberg-Seite gewechselt und ist in das neue Zentrum im Osten gezogen. Sie ist überzeugt davon, dass die Bündelung der Kapazitäten am Zollernplatz auch für die langfristige Sicherung der medizinischen Nahversorgung im Stadtteil unumgänglich war.

„Ich bekomme hier am Zollernplatz alles“, fühlt sich auch ihre Kundin Ulrike Kohrs (65) gut versorgt. „Der Rewe passt sich in seinem Sortiment sehr an die Kundschaft an. Schlimm ist wirklich nur das Parkproblem, vor allem für die Anwohner. Zumal jetzt auch noch die WLB ihren Parkplatz abschließen will, der bislang nachts geöffnet war. Ich bin so froh, dass ich eine Garage habe. Dass der Rewe eine Tiefgarage hat, wissen die wenigsten Kunden.“