Barbara Frey setzt sich seit vielen Jahren für eine lebenswerte Esslinger Innenstadt ein. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Barbara Frey lebt seit vielen Jahren in der Esslinger Altstadt. Sie fühlt sich in den alten Gassen wohl, schätzt die Lebensqualität, sieht aber auch, wo manches im Argen liegt oder sich in eine Richtung entwickelt, über die man besser nachdenken sollte. Deshalb engagiert sich die studierte Politologin schon lange im Bürgerausschuss Innenstadt - erst kürzlich wurde sie als dessen Vorsitzende wiedergewählt. Im EZ-Gespräch sagt Barbara Frey, wo sie mit Blick auf Gegenwart und Zukunft Handlungsbedarf sieht.

Ihr Engagement im Bürgerausschuss ist aufwendig und kostet Zeit. Haben Sie das Gefühl, dass sich all die Arbeit wirklich lohnt?

Frey: Unbedingt. Wenn man hier lebt, wenn man sich wohlfühlt, und wenn man sich auch in Zukunft in Esslingen wohlfühlen möchte, kann man gar nicht anders, als sich dafür einzusetzen, dass sich die Stadt in eine gute Richtung entwickelt. Das ist ein Gedanke, dem ich auch mit Blick auf mein Studium der Politikwissenschaften viel abgewinnen kann. Die Arbeit der Bürgerausschüsse hat etwas Urdemokratisches. Das wissen viele zu schätzen.

Und dafür gibt es immer wieder Dank und Anerkennung. Wenn die Bürgerausschüsse jedoch Positionen vertreten, die manchen im Rathaus nicht in den Kram passen, scheint die Wertschätzung plötzlich nicht mehr so groß zu sein ...

Frey: Diesen Eindruck kann man gelegentlich gewinnen. Uns ist klar, dass wir keine Entscheidungskompetenz haben. Damit ist unser Einfluss begrenzt. Wir können jedoch Öffentlichkeit herstellen, und wir können Fragen stellen, die nicht ausgeblendet werden dürfen. Wir können informieren, wir können Argumente einbringen, und wir können auch mal unbequem sein. Als wir kritisch hinterfragt haben, weshalb die Stadt der Firma Festo 371 000 Euro erlässt, die für den Ausbau der dortigen Verkehrsknoten vereinbart waren, hat das nicht jedem gefallen. Aber wenn wir solche Dinge, die vielen auf den Nägeln brennen, nicht mehr ansprechen, haben wir unsere Aufgabe verfehlt.

Bei welchen Themen waren Sie mit Ihren Argumenten erfolgreich?

Frey: Denken Sie an den ehemaligen „Falken“ in der Bahnhofstraße. Der sollte abgerissen werden, was wir nicht eingesehen haben: Wie kann es sein, dass solch ein Gebäude abgerissen werden darf, während an anderer Stelle Hauseigentümer Probleme bekommen, wenn sie ein etwas moderneres Tor an ihre Einfahrt in der Altstadt bauen? Nachdem wir zusammen mit anderen Esslingern für den Erhalt dieses historischen Gebäudes geworben haben, hat ein Umdenken eingesetzt. Wenn man sich heute den renovierten „Falken“ anschaut, sind sich die allermeisten einig, dass es sich gelohnt hat. So gibt es immer wieder Themen, bei denen ein Bürgerausschuss etwas bewegen kann, wenn er die richtigen Fragen stellt. Dazu gehört auch,dass wir manchmal Dinge, die nichtöffentlich abgehandelt werden sollen, öffentlich machen müssen, wenn wir das Gefühl haben, dass sich etwas in eine Richtung entwickelt, die vielen Menschen nicht guttut.

Denken Sie dabei auch an den Bebenhäuser Pfleghof? Seit Wochen wird heiß diskutiert, was aus diesem historischen Gebäude werden würde, wenn die Bücherei umziehen sollte. Trotzdem gibt es bislang kein klares Bekenntnis von Gemeinderat und Verwaltung zum Erhalt dieses außergewöhnlichen Objekts in öffentlicher Hand ...

Frey: Nachdem eine vierte Variante aufkam, habe ich mir erlaubt, den Gemeinderäten Fragen zur Inflation der Standorte zu stellen. Ich weiß, dass das nicht allen gefallen hat. Wenn jedoch immer neue Standorte präsentiert werden, anstatt die Sanierung des Bebenhäuser Pfleghofs endlich in Angriff zu nehmen, darf man sich nicht wundern, wenn die Frage auftaucht, ob es um die Bücherei geht oder darum, den Pfleghof zu verkaufen. Ich kann mir vorstellen, dass es Interessenten gibt, aber das öffentliche Interesse geht vor. Man darf nicht vergessen, dass das der letzte intakte und für alle zugängliche Pfleghof in Esslingen ist. Das muss so bleiben. Keiner würde verstehen, wenn der Bürgerausschuss einen Verkauf hinnehmen würde. Die Bücherei ist in der Heugasse sehr gut aufgehoben. Jetzt gilt es, diesen Standort zu modernisieren und auszubauen. Alles andere wäre nicht vermittelbar.

Zur Bebauung des alten Busbahnhof-Geländes hatten Sie klare Vorstellungen, die aber nicht zum Zug kamen. Wie gehen Sie damit um?

Frey: Wir hatten eigentlich ganz andere Vorstellungen und sind ein wenig traurig, dass am Ende alles doch ganz anders kam. Aber das gehört auch zu unserer Arbeit. Entscheidend ist, dass man getan hat, was man tun konnte. Wenn das andere Konzept verwirklicht ist, wird man sehen, ob wir wirklich so falsch lagen, wie behauptet wurde.

Was hätten Sie sich denn fürs frühere ZOB-Gelände gewünscht?

Frey: Wir wollten nicht, dass die Berliner Straße zu einer gesichtslosen Straßenschlucht wird, wenn alles so zugebaut wird, wie es bislang scheint. Und man weiß ja noch nicht mal, ob der preisgekrönte Entwurf so umgesetzt wird, wie geplant. Das wäre nicht das erste Mal, dass man sich hinterher die Augen reibt, wenn alles fertig ist. Uns ging es darum, mit einer teilweisen Begrünung mit Bäumen dem hässlichen Bahnhofsplatz einen Ort mit Aufenthaltsqualität für Stadtbewohner und Reisende entgegenzusetzen und damit auch einen ästhetischen Abschluss für den Bahnhofsplatz zu erreichen. Dazu hatten wir sogar ein Plänchen mitgeliefert. Das Güterbahnhofareal wird ja hoffentlich ein paar Bäume bekommen.

Das klingt nach einem Appell für eine andere Stadtplanung ...

Frey: Ja, natürlich. Wir brauchen keine Stadtplanung für die vergangenen 50 Jahre, sondern eine für die kommenden. Unsere Welt hat sich verändert, darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Der Klimawandel zwingt uns dazu, kleinräumiger zu bauen und mit mikroklimatischen Verbesserungen etwas zu verändern. Da kann man nicht den letzten Platz zubauen und weiter in harten Raumkanten denken. Daran müssen wir beim Flächennutzungsplan denken. Wer heute Stadtplanung betreibt, muss den Blick für die Zukunft haben. Deshalb sehen wir auch die Bebauung des Greut sehr kritisch. Das war ein Fehler, und das wird man hinterher deutlich sehen. Das Umdenken darf nicht nur in Worten stattfinden.

Viele Esslinger beklagen Strukturwandel und Leerstände in der Altstadt. Wie sehen Sie die aktuellen Probleme des Einzelhandels?

Frey: Die Leerstände sehe ich ebenso mit Sorge wie das Verschwinden alteingesessener Geschäfte. Das ist eine Entwicklung, die wir aufmerksam beobachten. Wir hören immer wieder, dass überzogene Mietvorstellungen der Hauseigentümer ein Problem darstellen. Wenn dem so ist, können wir nur appellieren, dass die Mieten im Rahmen bleiben müssen. Esslingen lebt nicht nur von seinem Charme, sondern auch von einem vielfältigen Einzelhandel. Wenn der verschwindet, ist niemandem gedient. Mit einem immer stärkeren gastronomischen Angebot allein kann man nicht punkten. Auf meinem Weg vom Heppächer zum Marktplatz gab es auf 800 Schritte 14 Lokale. Das ist eine ganze Menge. Wenn sich der Einzelhandel ähnlich stark entwickeln würde, hätten wir keine Probleme.

Das Interview führte Alexander Maier.

Barbara Frey Persönlich

Barbara Frey hat Politikwissenschaften und Anglistik studiert und wollte nach dem Studium im Ausland arbeiten. Doch dann erhielt sie eine Stelle in der Berufsberatung des damaligen Stuttgarter Arbeitsamtes angeboten und griff zu. Weil es Barbara Frey schon immer gewohnt war, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, bekam sie Führungsaufgaben in der Abiturienten- und Akademikerberatung. So führte sie ihr beruflicher Weg doch noch ins Ausland: In Sri Lanka, Lettland und Palästina war ihre Erfahrung aus der Arbeitsverwaltung gefragt.

Seit den 90er-Jahren hat sich Barbara Frey im Bürgerausschuss Innenstadt engagiert. Drei Amtsperioden lang hat sie dort mitgewirkt, dann machte sie eine Zeit lang Pause: „Ich fand es wichtig, wieder den Blick für das große Ganze zu bekommen“, erzählt sie. Doch dann entschloss sie sich vor sechs Jahren zur Rückkehr in das Gremium, dessen Vorsitzende sie vor drei Jahren wurde - erst kürzlich wurde sie in dieser Funktion wiedergewählt. Dass sie sich für die Innenstadt und ihre Bewohner einsetzt, ist für Barbara Frey selbstverständlich: „Wenn man hier lebt und sich für Esslingen interessiert, kommt das ganz automatisch.“