Auf ihren Rat kann der Bundestrainer bauen: Birgit Bosse, Rainer Heilemann, Max Pickl, Albert Schneider, Ralph Käser, Michael Hütt, Abdelkrim Ouhcine, Uli Stöberl, Jörg Krauß und Alexander Maier (im Uhrzeigersinn von vorne links nach rechts) erwarten von der Nationalmannschaft im WM-Spiel gegen Schweden ein deutliches Zeichen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Der schwache Auftritt der deutschen Nationalmannschaft beim WM-Spiel gegen Mexiko hat viele Fans verblüfft. Am WM-Stammtisch unserer Zeitung wurde Ursachenforschung betrieben.

EsslingenDie Enttäuschung über die Auftaktpleite der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM sitzt tief. Bis zuletzt hatten viele gehofft, dass Jogis Jungs gegen Mexiko Gas geben würden – tatsächlich legte das Team einen schwachen Auftritt hin. Der gibt den Experten am WM-Stammtisch unserer Zeitung Rätsel auf. „Als Weltmeister muss man eine andere Leistung zeigen“, findet EZ-Leser Michael Hütt. Und Max Pickl schüttelt den Kopf: „Da hat gar nichts gestimmt. Schon bei der Nationalhymne hat man gespürt, dass das nötige Feuer fehlt. Die Mexikaner waren bis in die Haarspitzen motiviert – unser Team hat nie den Eindruck gemacht, dass es unbedingt gewinnen will.“ Weil bis auf Torhüter Manuel Neuer alle einen gebrauchten Tag erwischt hatten, verzichtet Ralph Käser auf Einzelkritik: „Alle waren schlecht.“ Einer bekommt am Ende trotzdem sein Fett weg, obwohl er ein Hoffnungsträger war: der Bundestrainer. „Es ist mir unbegreiflich, dass Jogi Löw nicht viel früher Konsequenzen gezogen und Spieler ausgetauscht hat“, spricht Rainer Heilemann für die meisten unserer Stammtischler, die sich im Hotel Park Consul zum Fachsimpeln trafen.

Hotel-Direktorin Birgit Bosse war ob der fehlenden Einstellung der deutschen Spieler verblüfft: „So kann man gegen ein Team wie Mexiko nicht gewinnen. Wenn sich im nächsten Spiel nicht gewaltig etwas ändert, wird das ganz eng. Die Schweden sind kein leichter Gegner.“ Und woran lag’s, dass gegen Mexiko nicht viel geklappt hat? Abdelkrim Ouhcine, Direktor der Gastronomie im Hotel Park Consul, vermutet: „Alle haben sich damit beruhigt, dass Deutschland die perfekte Turniermannschaft sei und auf den Punkt topfit sein werde. Das hat nicht geklappt.“ Max Pickl ahnt: „Vielleicht waren sich unsere Spieler zu sicher. Die dachten, dass das für den amtierenden Weltmeister und Confed-Cup-Sieger ein Selbstläufer wird.“ Trotzdem nimmt er die Sache mit Humor: „Das erste Spiel einer WM darf man verlieren – Hauptsache, man gewinnt das allerletzte.“ Uli Stöberl hat das Unheil kommen sehen: „Das hatte sich schon länger angekündigt. Wann hat unser Team in den vergangenen Monaten überzeugend gespielt? Viel fällt mir nicht ein. Außerdem sehen Confed-Cup-Sieger bei der folgenden WM meist schlecht aus.“ Waren die Spieler vielleicht abgelenkt? „Man weiß nie, was da im Hintergrund läuft“, ahnt Jörg Krauß. „Der Wirbel um Özil und Gündogan, die unsichere Zukunft von Boateng – sowas steckt in den Köpfen.“

Löws Mexiko-Taktik gibt Rätsel auf

Da stellt sich die Frage, ob der Bundestrainer die Zeichen der Zeit überhaupt erkannt hat. „Als ich ihn hinterher im Interview erlebt habe, hatte ich manchmal das Gefühl, dass Löw über ein ganz anderes Spiel spricht“, wundert sich Albert Schneider, der seit Jahrzehnten die Spiele der Nationalmannschaft verfolgt. Ralph Käser konnte über Löws Analyse nur den Kopf schütteln: „Wenn er noch fünf Minuten weitergesprochen hätte, hätte man geglaubt, dass wir das Spiel gewonnen hätten.“ Doch davon war die deutsche Mannschaft beim Auftaktmatch weit entfernt. Michael Hütt hat sich des Bundestrainers Taktik nicht erschlossen: „Ich weiß nicht, weshalb er so hoch spielen ließ. Zwischen Abwehr und Angriff klafften oft riesengroße Lücken. So kann man international nicht bestehen.“ Max Pickl bringt die Sache auf den Punkt: „Wenn alles nach Plan lief, dann war der Plan nichts.“

Die falsche Taktik lässt Rainer Heilemann als Entschuldigung nicht gelten: „Jeder hat schon nach wenigen Minuten gesehen, dass es so nichts wird. Dann muss man halt mal die Taktik ändern.“ Das sieht auch Uli Stöberl so: „Mit Marco Reus, Mario Gomez und Julian Brandt im Spiel ging deutlich mehr. Doch da war es bereits zu spät.“ Das entscheidende Manko ist für Albert Schneider ein ganz anderes: „Unserer Mannschaft fehlt ein richtiger Sechser, der notfalls auch mal dazwischenhaut. Ohne solche Führungsspieler, die die anderen mitreißen, kann man international nicht bestehen. Und da sehe ich derzeit keinen.“

Abdelkrim Ouhcine glaubt gar, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können: „Mit dem 0:1 war die deutsche Mannschaft noch gut bedient. Nach 30 Minuten hätte es auch 0:3 stehen können – bei diesen Lücken in der Abwehr.“ Einige unserer Experten waren überrascht, dass Jogi Löw nur mit zwei Innenverteidigern spielen ließ. „Ich war mir sicher, dass er zum WM-Auftakt wieder irgendeine Überraschung aus dem Hut zaubern würde“, sagt Michael Hütt. Doch davon hat Albert Schneider nichts gespürt: „Unsere Mannschaft hat gegen Mexiko nur alte Kamellen geboten.“ Und was ist von der Partie gegen Schweden zu erwarten? Ralph Käser glaubt, „dass wir eine ganz andere Mannschaft erleben werden. Nach einer halben Stunde muss die Sache klar sein.“ Jörg Krauß ist da skeptischer: „Mit etwas Glück besiegen wir die Schweden mit einem Tor Unterschied und holen dann gegen Südkorea einen klaren Sieg. Das bleibt spannend bis zum Schluss.“ Und mit welcher Mannschaft soll dieses Kunststück gelingen? Rainer Heilemann, dem gegen Schweden bereits ein Zittersieg reichen würde, würde als Sofortmaßnahme „Özil auf die Bank schicken, weil da zu wenig kommt“. Und er plädiert für eine Dreierkette in der Innenverteidigung: „Da muss der Laden ganz hinten erst mal dicht sein.“

Tipps für den Aufstellungspoker

Doch auch nach vorn muss deutlich mehr gehen. Während einige unserer Stammtischler für den Stuttgarter Mario Gomez als Brecher im Sturmzentrum plädieren, hat Jörg Krauß eine andere Lösung parat: „Ich würde Timo Werner ins Zentrum stellen, dahinter Müller auf die Zehn, und rechts und links Goretzka und Reus – da könnte was gehen.“ Doch viel wichtiger als die Aufstellung findet er die Einstellung der Spieler: „Jetzt muss die Mannschaft alles raushauen.“ Und wenn das wieder nicht gelingt? „Dann könnte es für Jogi Löw eng werden“, ahnt Uli Stöberl, der schmunzelnd eine mögliche Nachfolge ins Spiel bringt: „Vielleicht gibt’s demnächst ja eine Personalrochade zwischen Bundeskanzlerin und Bundestrainer.“