Verstehen sich gut: Peter Reichert (rechts) auf dem Stuttgarter Trainingsplatz mit Benjamin Pavard. Foto: Baumann - Baumann

Interview mit Peter Reichert, Fanbetreuer und Dolmetscher beim VfB Stuttgart

StuttgartEr ist als Dolmetscher eine der engsten Bezugspersonen von Benjamin Pavard beim VfB Stuttgart: Peter Reichert (56) erzählt von seinen persönlichen Begegnungen mit Frankreichs Jungstar.

Herr Reichert, Sie haben Benjamin Pavard beim VfB von Anfang an begleitet. Über seine fußballerischen Fähigkeiten ist eigentlich alles gesagt. Aber was für ein Typ Mensch ist Benjamin Pavard eigentlich?
Was bei Benjamin auffällt, ist seine gute Erziehung. Er ist bescheiden, bodenständig, null arrogant. Und sehr wissbegierig. Zumindest, was den Fußball angeht.

Und darüber hinaus?
Auch. Wobei sich seine Wissbegierigkeit in Sachen deutscher Sprache noch in Grenzen hält.

Er ist Franzose.
(lacht). Richtig, das kennt man ja. Aber das ist auch kein Problem, solange die Verständigung auf dem Platz funktioniert. Das ist bei ihm der Fall. Ansonsten versteht er auch schon sehr gut Deutsch. Nur beim Sprechen ist noch Luft nach oben.

Dafür hat er ja Sie, als Dolmetscher. Was haben Sie ihm außer der Sprache bislang vermitteln können?
Da musste ich gar nicht viel tun. Er kommt, wie schon gesagt, aus einem guten Elternhaus. Es waren anfangs höchstens ein paar fußballspezifische Dinge, die die Trainer angesprochen haben. Etwa, dass man auch im Training immer Vollgas geben muss. Oder dass Krafttraining vor der Einheit mit dem Ball dazugehört.

Den anfänglichen Schlendrian hat ihm Ex-Trainer Hannes Wolf ausgetrieben . . .
Schlendrian würde ich es nicht nennen. Er hat halt gerne mit dem Außenrist gespielt. Wir haben ihm vermittelt, dass er das besser bleiben lässt. Obwohl er es kann.

Von seiner angeblichen Schüchternheit ist weder im VfB-Trikot noch bei der WM etwas zu sehen – so cool, wie er gerade mit der Equipe Tricolore auftritt. Überrascht Sie das?
Nein. Er ruht vor Spielen in sich. Weil er weiß, dass er technisch sehr stark ist und den Ball jederzeit unter Kontrolle hat. Also lässt er sich auch von einer schwierigen Anfangsphase wie zum Beispiel im Halbfinale gegen Belgien nicht aus der Ruhe bringen. Dieses Wissen um die eigene Stärke ist Benjamins Trumpf – und dabei nicht überheblich zu werden, die große Kunst.

Seine Eltern scheinen ihn geerdet zu haben.
Sie sind seine wichtigsten Bezugspersonen. Er hat eine spezielle Bindung zu ihnen, was vielleicht auch daran liegt, dass er ihr einziges Kind ist. Sie telefonieren täglich miteinander und besuchen ihn auch regelmäßig in Stuttgart. Eigentlich bei jedem Heimspiel.

Welche Rolle spielte der frühe Auszug aus dem elterlichen Haus bei seiner Persönlichkeitsentwicklung?
Dass er schon mit neun Jahren den grundsätzlich schweren Schritt in das Jugendinternat eines Proficlubs (vom OSC Lille; d. Red.) wagte, zeugt von einer gewissen Unerschrockenheit. Was wiederum für eine starke Persönlichkeit schon in jungen Jahren spricht. Richtig zum Mann gereift – das sagt er selbst – ist er aber erst in Stuttgart.

Wie darf man sich die Freizeitgestaltung des jungen Mannes vorstellen?
Benjamin geht nicht groß weg. Er ist alles andere als ein Partygänger. Er schaut gerne fern und telefoniert viel mit seiner Freundin. Sie lebt in Frankreich.

Und in der Mannschaft? Sein bester Kumpel Takuma Asano ist ja nicht mehr da.
Die beiden hatten wirklich eine enge Bindung. Lustigerweise, obwohl sie sich kaum verständigen konnten, Taku sprach nur wenig englisch oder deutsch. Es ist sicher nicht falsch zu behaupten, dass Benjamin in der Mannschaft sehr beliebt ist. Dazu muss man sich nur das Video ansehen, das wir ihm nach Russland übermittelt haben. In der Kabine kann Benjamin ein ziemlicher Quatschkopf sein. Er ist immer für jeden Spaß zu haben.

Haben Sie Sorge, dass ihm die Erfolge bei der WM und das Begehren der großen Clubs zu Kopf steigen könnten?
Nein. Und falls doch, holt ihn sein Vater schnell wieder runter (schmunzelt).

Das Interview führte Gregor Preiß.

Zur Person

Peter Reichert ist 1961 in Bretten geboren. Von 1979 bis 1986 spielte er für den VfB, mit dem er 1984

Deutscher Meister wurde. Anschließend spielte er vier Jahre in Frankreich für Racing Strasbourg und den FC Toulouse – was ihn bei seiner aktuellen Tätigkeit beim VfB Stuttgart als Fanbetreuer zusätzlich zum Französisch-Dolmetscher qualifiziert. Reichert hat einen engen Bezug zu Benjamin Pavard – lässt ihn nach eigenem Bekunden während der WM aber in Ruhe.