Jan Steiner trainiert 2014 in der KSV-Arena Julie Hölterhoff. Foto: Baumann - Baumann

Vereinsvorstand bezieht erstmals Stellung zur Entlassung

EsslingenDie fristlose Entlassung von Judo-Cheftrainer Jan Steiner sowie der solidarische Akt vier weiterer Trainer, den Verein zu verlassen, schlägt weiter hohe Wellen beim KSV Esslingen. Der Artikel in der EZ dazu vom 4. Dezember hat zahlreiche Kommentare auf der Homepage erhalten. Auch auf der Seite der Petition, die von einigen Eltern initiiert wurde, ist der Austausch groß. Die traditionelle Kinder-Weihnachtsfeier, die am vergangenen Samstag hätte stattfinden sollen, wurde abgesagt. Einen Runden Tisch mit Steiner, dem Vorstand und einem Mediator, den einige Eltern vorgeschlagen hatten, lehne der Vorstand ab, heißt es. „Das ist es aber, was wir uns dringend wünschen“, sagt Elternsprecher Markus Bellenberg. „Die Eltern sind so aufgebracht, weil sie kein Ventil haben.“ Ein anderer Vater berichtet: „Die Fronten sind verhärtet. Im Training sind gefühlt 40 Prozent weniger Kinder, das macht mir Sorgen.“

Vergangene Woche trafen sich die Elternsprecher mit den Vorständen Alexander Gniffke und Michael Lautsch zu einem Gespräch. Das Protokoll davon haben die Elternsprecher auf der Petitionsseite veröffentlicht. Dem angehängt ist auch eine E-Mail von Gniffke, in der er über Steiners Entlassung schreibt: „Ich hatte mitgeteilt und wiederhole das hier wunschgemäß, auch um weiteren unsachlichen Spekulationen keinen Raum zu geben, dass der Grund nicht auf einer sexuellen Verfehlung oder dergleichen von Jan beruht. Er hat weder gestohlen, noch jemanden belästigt, noch beruhte der Grund auf einer Verfehlung ggü. einem Kind. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht andere gewichtige Gründe hierfür gegeben häbe.“

Harald Lupp vom Vorstand erklärt: „Für den KSV ist es eine ganz normale Trainerentlassung, wie es sie bei Millionen anderer Vereine auch gibt.“ Den Grund für die fristlose Kündigung werde der Vorstand erst vor Gericht nennen, wenn über Steiners Kündigungsschutzklage verhandelt wird. Das wird am 22. Januar sein. Steiner will sich davor nicht äußern.

Zwei Seiten

In den Kommentaren auf der EZ-Homepage wird vornehmlich die KSV-Führung kritisiert. „Der neue Vorstand zerstört eine jahrelang erfolgreich aufgebaute Jugend und nimmt in Kauf, dass vielleicht der Großteil der Judoka den Verein verlassen wird“, schreibt ein Nutzer.

Die KSV-Vorsitzende Claudia Thomas betont: „Es ist nicht die Mehrheit der Eltern, die protestiert, es sind nur einzelne.“ Lupp berichtet, dass ihn viele Briefe von Eltern erreicht haben, „die gut finden, dass es so gekommen ist“. Wie das Stimmungsbild unter den Eltern tatsächlich ist, wollen die Elternsprecher zusammen mit dem Vorstand durch eine Umfrage herausfinden.

Es gebe kein Trainerchaos, sagt Thomas: „Der KSV hat mit 15 Übungsleitern genügend Trainer auf der Matte.“ Der KSV habe zudem zwei Trainerstellen ausgeschrieben, Gespräche mit Kandidaten mit „sehr hohen Lizenzen“ dazu liefen, bestätigen Thomas und Lupp. „So schnell wie möglich“ sollen die neuen Trainer laut Lupp anfangen. Susanne Kundt hat das Training der Kinder übernommen. Sie besitzt die A-Lizenz und hat am 12. Dezember einen Arbeitsvertrag – zunächst in Teilzeit – unterschrieben. Der Trainingsbetrieb beim KSV laufe weiter, versichert Lupp. Auch die Zusammenarbeit mit den Schulen und Kindergärten bleibt bestehen. „Es ist klar, dass die Kinder erstmal mit den neuen Trainern zurechtkommen müssen“, sagt Lupp. Der neue Trainingsplan sei für ihn und viele Eltern „nur eine Übergangslösung“, sagt Bellenberg. „Die Zufriedenheit ist gering, die Trainer sind nicht für die richtigen Altersgruppen zugeordnet.“

Auch das Aushängeschild des KSV, Judoka Julie Hölterhoff, wird aushelfen. „Ich werde versuchen, so oft es geht Lehrgänge zu geben, aber ich bin kein fester Trainer“, sagt die 20-Jährige, die in München lebt und studiert. Hölterhoff sieht ihre Zukunft nicht beim KSV. Ab dem 1. Januar wird sie nicht mehr für Esslingen in der Bundesliga starten, sondern bei ihrem Heimatverein HTG Bad Homburg. Dort entdeckte sie einst mit elf Jahren der damalige hessische Landestrainer Steiner. Als er zum KSV ging, zog Hölterhoff mit, mit gerade einmal 15 Jahren.

„Ganz-oder-gar-nicht-Typ“

„Jan Steiner ist ein toller Trainer. Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ohne ihn würde ich nicht mehr Judo machen“, sagt Hölterhoff. Doch im vergangenen Jahr, nach acht Jahren, beendete sie die Zusammenarbeit. „Er war so etwas wie mein Vaterersatz. Ich war sehr abhängig von ihm und das war den Bundestrainern ein Dorn im Auge. Sie wollten mit mir arbeiten, aber Jan Steiner wollte die volle Kontrolle behalten.“ Hölterhoff aber wollte lernen, eine eigenständige Athletin zu werden. „Er hat nichts falsch gemacht, ohne ihn hätte ich nie die Medaillen geholt. Aber es war zu eng“. Sich etwas zurückzuziehen, liege Steiner nicht. „Er ist der Ganz-oder-gar-nicht-Typ, also ist er lieber auf Abstand gegangen.“ Die Kündigung Steiners tue ihr „sehr, sehr leid. Er hat es nicht verdient, auf der Straße zu stehen“.

Ihre Trennung von Steiner war „der erste Bruch im Verein“, glaubt Hölterhoff. „Jan Steiner ist ein Macher, er möchte im Sinne der Athleten arbeiten, er möchte viel bewegen“, sagt Hölterhoff. „Es geht in einem Verein auch um andere Sportler, Breitensportler. Es fiel ihm schwer, diese auch zu fördern. Das wäre als Arena-Manager aber sein Job gewesen.“ Die konkreten Gründe für die fristlose Entlassung kennt Hölterhoff nicht, aber sie vermutet: „Der Vorstand hat sich in die Trainingsgruppen eingemischt. Jan Steiner hatte aber seine eigenen Vorstellungen. Er ist nicht unbedingt der kompromissbereiteste Mensch.“

„Es menschelt in Vereinen“

Hölterhoff wechselt nach Bad Homburg, da sie nach eigener Aussage professionelle Strukturen sucht. „Ich brauche Zuschüsse, jemanden, der mich unterstützt. Der KSV ist ein super Verein, aber derzeit so mit sich selbst beschäftigt, dass er keine Zeit hat, einen Sportler zu vermarkten.“ Das, was gerade im KSV vor sich geht, bezeichnet die 20-Jährige als „ein Heidenchaos und Kinderkram. Alle sind verzofft, es bauscht sich auf.“

Vorstand Lupp stellt klar: „Es ist in keinster Weise die Rede davon, dass Jan Steiner ein schlechtes Training gemacht hat, er hat saubere Arbeit geleistet. Aber es menschelt eben auch in Vereinen.“ Warum das in diesem Fall zu einer fristlosen Kündigung führte, klären die Beteiligten vor Gericht.