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Der VfB ist sein Verein. Dreimal war Jürgen Sundermann Trainer auf dem Cannstatter Wasen. Sein größter Erfolg: Der Aufstieg mit den Stuttgartern 1977 in die Bundesliga.

StuttgartDer Mann kennt weder Rast noch Ruh. Wenn das Wochenende anbricht, setzt sich Jürgen Sundermann in seinen alten Ford und fährt los. Frankreich, Holland, Belgien, oder auf irgendeinen Amateursportplatz in der Region. Folgenden Auftrag im Gepäck: Spieler sichten für den VfB Stuttgart. Um die eigene Rente aufzubessern. Und um weiter seiner großen Leidenschaft zu frönen. „Fußball macht mir immer noch unheimlich Spaß. Deshalb bin ich fast jedes Wochenende unterwegs“, sagt Sundermann. „Ich behaupte, mit meiner Erfahrung noch immer ein gutes Auge für talentierte Spieler zu haben.“

Einen reichen Erfahrungsschatz, den hat er. An diesem Samstag feiert Wundermann Sundermann seinen 80. Geburtstag. Bei bester Gesundheit, wie er freudig erzählt. „Alles wunderbar. Bei meinem 75. hat mir mein Arzt gesagt, dass ich 135 Jahre alt werde. Jetzt meint er, es werden noch ein paar mehr.“

Auch beim Älterwerden lässt der Fußball ihn nicht los. Der VfB genauso wenig. „Dat is mein Verein“, sagt die Trainerlegende aus dem Ruhrpott, die im Schwabenland längst ihre Heimat gefunden hat. Bald sein halbes Leben hat der gebürtige Mühlheimer auf dem Cannstatter Wasen verbracht. Dreimal als Trainer, nach seiner aktiven Zeit als Scout und als launiger Stadionführer. Und immer als treuer Beobachter, als gute Seele des Vereins. Jahrelang zählte es zu seinen festen Ritualen, nach Heimspielen in den Katakomben den VfB-Trainern zum Sieg zu gratulieren oder sie tröstend in den Arm zu nehmen. Aktuell ist dafür kaum Zeit – die Talentsichtung geht vor.

Mit leichter Skepsis blickt der 80-Jährige auf die Entwicklung der ersten Mannschaft. Der neue Trainer Pellegrino Matarazzo will Sundermann noch nicht so recht überzeugen. „Er gibt viele Anweisungen. Aber in meinen Augen überträgt er noch nicht so richtig Freude und Begeisterung auf die Spieler.“ Sundermanns spezieller Blickwinkel. Schließlich war er einer der ersten Lautsprecher, Heißmacher und Einpeitscher der Bundesliga. Eine Art Klopp der 70er Jahre, der Taktik auch mal Taktik sein ließ und seine Jungs lieber mit der Mutter aller Motivationssprüche heiß machte: „Gras fressen müsst ihr!“ Im Hurra-Stil trieb Sund die vor sich hindümpelnde Zweitligatruppe des VfB ab 1976 zu Höchstleistungen. Aufstieg, Uefa-Cup, Vizemeisterschaft. „Ein einmaliger Typ“, erinnerte sich der 2015 verstorbene Gerhard Mayer-Vorfelder. Ex-Spieler Bernd Hobsch aus späteren Leipziger Zeiten charakterisierte den Trainer Sundermann wie folgt: „Der konnte mit dir reden wie mit einem kranken Huhn.“

Keine seiner 18 Trainerstationen in sechs Ländern war so prägend (und so erfolgreich) wie seine erste in Stuttgart. Sundermann wurde zum Wundermann – ein Titel, mit der er persönlich nie viel anfangen konnte. Den Menschen die Begeisterung am Fußball zu vermitteln war zeitlebens seine Mission. Mit Wundern hat das für ihn nichts zu tun. „Das Schönste für mich ist zu sehen, wenn ein Spieler sich entwickelt“, sagt Sundermann heute, der sich früher selbst einmal als bundesligasüchtig bezeichnet hat. „Ich habe eigentlich von nichts ne Ahnung, nur vom Fußball.“ Der ihm ein glückliches Leben beschert hat. „Ich hatte so eine wunderbare Zeit, so viel Glück gibt es gar nicht.“ Den einzig wirklichen Schicksalsschlag hat aber auch er nicht überwunden. Im vergangenen Jahr starb einer seiner zwei Söhne, alkoholkrank, mit gerade einmal 47 Jahren. „Es ist hart“, sagt Sundermann leise. Vor allem seine Frau Monika, die frühere „Dalli Dalli“-Assistentin von Hans Rosenthal, komme bis heute nicht über den Tod von Leif hinweg.

An diesem Samstag wird sie ihrem Hans-Jürgen dennoch treue Dienste erweisen. „Meine Frau wird einiges vorbereiten, Kuchen und so. Um 3 kommen die Gäste“, sagt Sundermann. Darunter einige Ex-Profis wie Karl-Heinz Förster und Hansi Müller. Es wird viel gelacht und über alte erfolgreiche VfB-Zeiten geplaudert werden. Ehe sich Sundermann wieder in sein Auto setzt und den nächsten Fußballplatz ansteuert.