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Beim schwäbischen Fußball-Bundesligisten herrscht wieder einmal Unruhe. Sechs Fragen – sechs Antworten

Stuttgart Eine Nacht hat vieles verändert beim VfB Stuttgart. Von Samstag auf Sonntag fiel die Entscheidung, sich von Hannes Wolf zu trennen – und am Montag wurde Tayfun Korkut als neuer Trainer des Fußball-Bundesligisten vorgestellt. Seither schlagen die Wellen der Empörung auf dem Wasen hoch. Nun äußert sich erstmals Vereinspräsident Wolfgang Dietrich zur Kritik.

Sechs Fragen, sechs Antworten.

Warum wurde Trainer Hannes Wolf so schnell fallen gelassen?

„Wir haben ihn nicht fallen gelassen. Seine Bedenken nach dem Schalke-Spiel waren so grundsätzlich, dass wir keine andere Wahl hatten, als diesen Weg gemeinsam mit Hannes so zu gehen. Wobei der eigentliche Nackenschlag für ihn die Niederlage in Mainz war. Diese hat ihn – nach dem Sieg gegen Hertha BSC eine Woche zuvor – ein Stück weit den eigenen Glauben geraubt. Und wenn er dann nach Schalke der Meinung ist, es geht nicht mehr, weil er nicht mehr die hundert prozentige Überzeugung hat, können wir nicht sagen: ,Doch Hannes, Du musst.’ Das wäre ja absurd. Hannes Wolf und ich haben nach wie vor ein enges Vertrauensverhältnis und er hat mir von Anfang an klargemacht, dass wir die Ersten seien, die davon erführen, wenn er irgendwann einmal das Gefühl hat, dass es für ihn mit der Mannschaft nicht mehr weitergeht. Insofern hat er sehr verantwortungsbewusst gehandelt – und wir auch. Den Vorwurf, wir hätten ihn in der erstbesten Krise fallen gelassen, lasse ich nicht gelten. Denn wenn er glaubt, die Mannschaft nicht mehr zu erreichen, helfen die besten Stützen und Ratschläge nichts.“

Tritt Sportvorstand Michael Reschke in der Öffentlichkeit zu unüberlegt auf?

„Wir haben in Michael Reschke keinen Zauberer verpflichtet, der alles kann, sondern einen harten Arbeiter. Es ist jedoch klar, dass er eine sehr direkte Art der Kommunikation pflegt. Das gefällt nicht jedem. Eine solche Art kann aber auch auf einen zurückschlagen, wenn es sportlich nicht so läuft. Das ist nun der Fall. Ich verwehre mich jedoch gegen den Eindruck, dass die Aussagen unseres Sportvorstandes nach der Partie in Mainz der Anfang vom Ende mit Hannes Wolf waren. Er hat im Kern gesagt, dass er sich mit dem Trainer in dieser Woche austauschen werde. Es hat nur das Wörtchen „auch“ gefehlt, denn die beiden haben ständig miteinander gesprochen. Und von Hannes Wolf weiß ich, dass ihn diese Aussage vor dem Spiel gegen Schalke 04 nicht belastet hat.“

Was ist von Michael Reschkes Transfers zu halten?

„Wenn ich sehe, wie sich Michael Reschke für den Verein einbringt, obwohl er ursprünglich kein VfBler ist, dann ist dieses Engagement außergewöhnlich. Er ist auch bereit, sich dieser ganzen Kritik und Häme zu stellen, die jetzt auf ihn und mich einprasselt. Das eine ist aber die äußere Wahrnehmung seiner Arbeit, das andere sind die Fakten. Im Sommer hat er innerhalb nur weniger Tage mit Andreas Beck und Dennis Aogo Leerstellen in unserem Kader besetzt. Beide Spieler haben dazu beigetragen, dass die Mannschaft in der Hinrunde stabil war. Zudem hat er Santiago Ascacibar verpflichtet – ein Sensationstransfer, wenn man das Preis-Leistungsverhältnis betrachtet. Über die Qualitäten eines Mario Gomez brauchen wir nicht zu reden und Erik Thommy war im Grunde ein Vorgriff auf die Zukunft. Michael Reschke hat auch die Verträge mit Benjamin Pavard, Timo Baumgartl und Berkay Özcan verlängert, was auch für unsere Mannschaft der Zukunft wichtig ist. Und zu seinen Stärken zähle ich, dass er am letzten Tag der Transferperiode nicht in Aktionismus verfällt. Er hat bis zuletzt gekämpft, um einen guten offensiven Mittelfeldspieler zu bekommen. Als das nicht möglich war, hat er die Finger davon gelassen.“

Wer trägt die Hauptverantwortung für die verheerende Stimmung rund um den VfB?

„Da muss man differenzieren. Das Internet beziehungsweise die sozialen Medien sind das Eine. Mit Kritik kann ich umgehen, nicht aber mit Häme und Hass. Das blende ich aus. Ich bekomme aber auch direkte Rückmeldungen, und die sind bei weitem nicht so drastisch. Viele, die uns jetzt für den Trainerwechsel kritisieren, hielten auch nicht mit Kritik an Hannes Wolf hinterm Berg. Insofern sehe ich das relativ gelassen. Im Übrigen habe ich in meinem Leben schon ganz andere Krisen ausgestanden. Aber natürlich sehe ich mich in der Verantwortung – und der stelle ich mich auch. Mein Job ist es, jetzt besonnen zu bleiben und das große Ganze über den Moment zu stellen.

Warum ist Tayfun Korkut der bessere Trainer als Hannes Wolf?

„Diese Frage stellt sich nicht – und sie hat sich auch bei der Suche nach einem neuen Trainer nicht gestellt. Es gab im Wesentlichen drei Punkte, die für Tayfun Korkut gesprochen haben. Erstens: Er hat als Spieler schon öfters schwierige Situationen bewältigt. Zudem hat er als Trainer mit Hannover 96 und Bayer Leverkusen Abstiegskampf pur erlebt. Dabei wurde jeweils das Ziel klar erreicht. Zweitens: Tayfun Korkut hat uns mit seiner Persönlichkeit sowie mit seinen Ansätzen überzeugt, wie er gemeinsam mit der Mannschaft die Kurve kriegen will. Dazu haben wir auch viele Gespräche mit Menschen geführt, die schon mit ihm gearbeitet haben – und die Referenzen waren ausnahmslos gut. Drittens: Er ist ein Junge aus der Region.“

Was ist aus dem Neuanfang geworden?

„Ich kann nur die Phase bewerten, in der ich im Amt bin. In dieser Zeit haben wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern, Fans, der Mannschaft und den Mitarbeitern alle Ziele erreicht, die wir uns gesteckt haben. Mit diesem Geist und der Besonnenheit im Umgang mit kritischen Situationen werden wir auch unser nächstes großes Ziel, den Klassenverbleib, erreichen. Die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft sind gegeben, weshalb wir weit davon entfernt sind, dass hier ein Chaos ausbricht. Vielleicht ist die öffentliche Wahrnehmung deshalb eine andere, weil es in den vergangenen 18 Monaten stets aufwärts ging. Ich bin überzeugt, dass wir auch aus dieser schwierigen Situation herauskommen.“