VfB-Manager Michael Reschke. Foto: dpa - dpa

Michael Reschke steht in der Kritik, weil die VfB-Neuzugänge vom vergangenen Sommer noch nicht alle überzeugt haben. Verunsichern lassen will sich der Sportvorstand aber nicht.

StuttgartVor dem Start der Rückrunde des VfB an diesem Samstag (15.30 Uhr) gegen Mainz räumt der VfB-Sportvorstand Michael Reschke eigene Fehler ein. „Wenn wir alles richtig gemacht hätten“, sagt der 61-Jährige, „dann hätten wir mehr Punkte.“

Herr Reschke, Sie haben auf dem Wintertransfermarkt Alexander Esswein und Steven Zuber verpflichtet. Dazu kommt Innenverteidiger Ozan Kabak als Ersatz für Benjamin Pavard und als Vorgriff auf die nächste Saison. Ist dies für Sie eine zufriedenstellende Ausbeute angesichts der prekären Lage des VfB mit Relegationsplatz 16?
Alle Neuzugänge werden uns weiterhelfen. Wir wollten auf den Außenbahnen Schwung, Tempo und Mentalität – diese Komponenten bringen Alex Esswein und Steven Zuber mit. Ozan Kabak wird unsere Defensive verstärken. Dazu haben wir eine Menge Potenzial durch Spieler, die von Verletzungen zurückkommen. Bis auf den verletzten Benjamin Pavard stehen uns aktuell alle Spieler zur Verfügung. Das ist eine wesentlich bessere Situation als über weite Strecken der Hinrunde.

Der VfB hat bislang nur zwölf Treffer erzielt, ging in zehn Partien vorne komplett leer aus. Wer soll nun die Tore schießen? Und was ist, wenn sich Mario Gomez verletzt?
Wir setzen auf die Tore von Mario Gomez. Er wird wichtige Treffer erzielen. Durch die Verpflichtungen von Steven Zuber und Alex Esswein kann Markus Weinzierl nun zudem Anastasios Donis und Nicolas Gonzalez vermehrt auf ihren bevorzugten Positionen in der Spitze agieren lassen. Beide wollen sich beweisen. Und mit Chadrac Akolo haben wir einen weiteren Stürmer im Kader. Dass wir an Dominic Solanke vom FC Liverpool sehr interessiert waren, er aber eine andere Entscheidung getroffen hat, ist ja bekannt. Und Sie können sicher sein, wir haben den Stürmermarkt intensiv durchforstet. Aber die Überzeugungslösung, die uns sportlich weiterhilft und wirtschaftlich realisierbar ist, haben wir aktuell noch nicht gefunden.

Ins oberste Regal haben Sie bei Zuber und Esswein nicht gegriffen, obwohl es hieß, es sei Geld vorhanden.
Beide Spieler werden uns weiterhelfen. Somit haben wir für den VfB Stuttgart in das richtige Regal gegriffen.

Dennoch: Dem ein oder anderen Fan wird angesichts des Personals für die Offensive flau im Magen. Können Sie das verstehen?

Wir wissen, dass wir nicht nur auf Tore von Mario Gomez setzen können. Auch andere Spieler müssen sich in puncto Torabschluss steigern. Alle müssen Vollgas geben. Zudem darf man nicht vergessen, dass wir mit Daniel Didavi einen weiteren sehr torgefährlichen Spieler im Kader haben, der dies verletzungsbedingt bislang leider noch nicht so zeigen konnte.

Didavi ist schon sehr lange angeschlagen – und immer noch nicht topfit. Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass es bei ihm besser wird?
Natürlich wird es noch einige Zeit dauern, bis Daniel topfit ist. Unser Teamarzt Ray Best ist zuversichtlich und sieht die gesundheitliche Tendenz bei Daniel positiv. Wir hoffen jetzt alle, dass Daniel in der Rückrunde elf, zwölf Spiele in Folge bestreiten kann.

Das Präsidium hat Ihnen im Sommer viel Kredit eingeräumt. Nehmen wir etwa das Beispiel Roberto Massimo, für den Sie 1,5 Millionen Euro ausgeben durften, um ihn erst mal weiter in Bielefeld zu parken. Diese Denke war neu beim VfB. Haben Sie das Gefühl, dass der Glaube an Sie inzwischen etwas gelitten hat?
Ich spüre weiterhin großes Vertrauen bei den Entscheidungsträgern in Präsidium und Aufsichtsrat. Die Zusammenarbeit mit meinen Vorstandskollegen, dem Trainerstab und den Mitarbeitern ist sehr vertrauensvoll. Gewiss, es gab im Herbst eine Ausnahme, als sich Guido Buchwald öffentlich geäußert hat. Aber wir haben sehr gute Gespräche mit ihm geführt. Mit dem Ergebnis, dass der gemeinsame Weg weitergeht.

Werfen Sie sich Managementfehler vor?
Wenn wir alles richtig gemacht hätten, hätten wir mehr Punkte. Es ist doch klar, dass ich somit auch meine eigenen Entscheidungen sehr kritisch hinterfragen muss.

Nehmen wir die Personalie Holger Badstuber. Da gab es bereits im Sommer einen Zickzackkurs. Erst wollte er zu Lazio Rom. Dann hatte er doch Interesse zu bleiben. Warum aber gleich ein Dreijahresvertrag?
Holger hatte in der Vorsaison 27 Einsätze und eine starke Runde gespielt. Wir wollten mit ihm einen erfahrenen Faktor für unsere Abwehr weiterverpflichten. Einen Routinier, der perspektivisch auch Benjamin Pavard ersetzen kann und gleichzeitig ermöglicht, dass sich Marc Oliver Kempf in seinem Kielwasser als künftiger Nebenmann von Timo Baumgartl in Ruhe entwickeln kann. Diese Rechnung ist bisher sicher nicht komplett aufgegangen.

Gab es denn im Sommer in Bezug auf einen sofortigen Wechsel von Benjamin Pavard falsche Signale aus München? Lange sah es ja so aus, als würde Jérôme Boateng nach Paris wechseln und so den Stein ins Rollen bringen.
Das sind Spekulationen, die ich nicht kommentieren möchte.

Neben Badstuber und Didavi hat auch Gonzalo Castro bisher nicht wie gewünscht eingeschlagen. Und dann wären da ja noch die vier jungen Sommer-Neuzugänge.
Zur Klarstellung: Den Kurs mit den jungen talentierten Spielern werden wir beibehalten. Und es ist falsch, den Daumen über junge Toptalente wie Gonzalez, Borna Sosa oder Pablo Maffeo zu früh zu senken. In einer stabilen Mannschaft hätten sie sicher reibungsloser integriert werden können.

Ein großer Teil des Geldes aus der Ausgliederung ist ausgegeben. Und sportlich steht man wieder dicht am Abgrund. Das ist keine Erfolgsstory.
Nein, sondern eine Zustandsbeschreibung. Die ist zu korrigieren, keine Frage. Aber abgerechnet wird erst nach 34 Spieltagen. Natürlich ist die Hinrundenbilanz für alle und auch für mich total unbefriedigend. Unser ganzes Bestreben muss jetzt komplett auf den Klassenerhalt ausgerichtet sein.

Wie wichtig ist es für Sie persönlich, dass gerade die jungen Neuzugänge Schritte nach vorne machen?
Mein persönliches Wohlbefinden ist uninteressant. Wichtig ist bei jeder Sachfrage tief in die Materie einzutauchen und in Abstimmung mit den jeweils anderen Verantwortlichen am Ende Entscheidungen zu treffen. Dass die aktuelle Transferbilanz noch nicht stimmt, verunsichert mich nicht, weil ich davon überzeugt bin, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Geht also alles spurlos an Ihnen vorbei, auch wenn es von einigen Seiten Kritik an Ihren Entscheidungen hagelt?
Mein größter Kritiker bin ich selbst. Und wenn sich Transfers und Ideen nicht so entwickeln, wie wir uns das vorstellen, dann nagt das natürlich an mir. Trotzdem kann ich auch dank meiner Erfahrung in diesem Geschäft damit umgehen. Denn selbst wenn es Entscheidungen gab, bei denen wir hinterher sagen: „Das hätten wir besser nicht gemacht“, gilt es sachlich und rational weiter zu arbeiten und Überzeugungen mutig umzusetzen.

Sie galten als Perlentaucher, als Spürnase für Talente. Dieser Ruf hat zuletzt gelitten. Es heißt, die Nase sei verstopft. Das lässt einen doch nicht kalt, oder?
Es ist ein absolutes Ziel von mir, dass die VfBler später sagen: Mensch, der hat einen guten Job gemacht. Wenn ich irgendwann als erfolgreicher Manager ausscheiden würde, würde es dem Club gut gehen – und das ist ein ganz großer Antrieb für mich.

Wann kommt denn für Sie eine Entlastung in Form eines Technischen Direktors, der direkt an Ihrer Seite arbeiten soll? Es kursierte der Name Sven Mislintat vom FC Arsenal.
Der Sven ist in der Tat ein Top-Mann – doch er hat einen ganz anderen Plan. Wir haben erst jüngst miteinander telefoniert und ein paar Gedanken ausgetauscht. Für die Suche auf dieser Position nehmen wir uns die nötige Zeit und sind davon überzeugt, eine gute Lösung zu finden.

Die Zukunft des Kapitäns Christian Gentner, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, ist ebenfalls ungeklärt.
Wir werden zunächst die heiße Transferphase abwarten und dann die Gespräche fortführen. Wir sind da mit Christian in einem ganz entspannten Modus. Ich habe den Eindruck, dass es sich beide Seiten ganz gut vorstellen können, dass Christian in der nächsten Saison weiter für den VfB Stuttgart spielt.

Das Interview führten Heiko Hinrichsen und Dirk Preiß.

Zur Person

Michael Reschke (61) wurde im rheinischen Frechen geboren und ist seit dem 11. August 2017 der Sportvorstand des VfB. Reschke hat einen Dreijahresvertrag bis 2020. In seine Amtszeit entfielen zwei Trainerentlassungen: Für Hannes Wolf war im Januar und für Tayfun Korkut im Oktober 2018 Schluss. Von 1979 bis 1988 trainierte Reschke die U 19 und U 17 von Bayer Leverkusen, ehe er Nachwuchsleiter wurde. 2004 folgte er Reiner Calmund auf dem Managersessel.