Deutet Tim Walter hier seinen Wechsel an? Von der Förde an den Neckar, von der zweiten Bundesliga in die erste Bundesliga? Foto: dpa - dpa

Der VfB Stuttgart hat Tim Walter als neuen Trainer verpflichtet. Der 43-Jährige soll das kriselnde Team in der neuen Saison wieder auf Kurs bringen.

Stuttgart (dpa)Inmitten der Ungewissheit über die sportliche Zukunft geht der VfB Stuttgart mit einem Bundesliga-Neuling als Trainer ins Risiko. Drei Tage vor dem Relegations-Heimspiel gegen den 1. FC Union Berlin haben die abstiegsbedrohten Schwaben Tim Walter als Coach für die neue Saison verpflichtet.

Der bisherige Trainer des Zweitligisten Holstein Kiel übernimmt das Krisenteam im Juli und erhält beim VfB unabhängig von der künftigen Liga-Zugehörigkeit einen Vertrag bis zum 30. Juni 2021. «Wir haben mit ihm einen sehr guten Trainer für den VfB verpflichtet», sagte VfB-Sportvorstand Thomas Hitzlsperger am Montag.

In den Relegationspartien am Donnerstag und Montag der kommenden Woche gegen den Zweitliga-Dritten Union Berlin soll Interimscoach Nico Willig verhindern, dass Walter einen Bundesliga-Absteiger übernimmt. Und damit ein Fiasko am Ende einer missratenen Saison abwenden. Der 38-Jährige wird dann trotz der unter seiner Regie zuletzt leicht verbesserten Leistungen wieder zur U19 zurückkehren.

Die Verpflichtung Walters hatte sich angedeutet. Für ihn müssen die Schwaben eine Ablösesumme zahlen, weil der gebürtige Bruchsaler in Kiel ursprünglich bis zum 30. Juni 2020 angestellt war. Der dreifache Familienvater entspricht dem von Hitzlsperger erstellten Profil: Walter steht für offensiven, mutigen und attraktiven Fußball, allerdings auch mit der Akzeptanz defensiver Anfälligkeiten. «Wir haben sehr ähnliche Vorstellungen und Ansichten vom Fußball und von der Art und Weise, wie wir arbeiten wollen», sagte Walter: «Gemeinsam wollen wir eine positive Entwicklung beim VfB Stuttgart einleiten.»

Mit Walter als künftigem Trainer, dem ehemaligen Nationalspieler Hitzlsperger als Sportvorstand sowie dem früheren BVB-Scout Sven Mislintat als Sportdirektor geht der VfB nach verkorksten Monaten mit einer komplett neuen sportlichen Führung in die nächste Saison.

Aber eben auch erneut ins Risiko, da Walters knappes Jahr in Kiel sein bisher einziges als Trainer im Profifußball war. Zudem steht der VfB nicht für Konstanz auf der Trainerbank. Auch in dieser Spielzeit hatten die Schwaben dieses Image untermauert und sich von Tayfun Korkut und Markus Weinzierl getrennt.

Walter trainierte seit dem Sommer 2018 die Kieler in der 2. Liga und beendete mit ihnen am Sonntag als Tabellensechster die Saison. 60 Tore schoss sein Team in der abgelaufenen Spielzeit - ein Wert, der nur von den beiden Aufsteigern 1. FC Köln und SC Paderborn übertroffen wurde. Eine solch mutige Spielweise erhofft sich auch der VfB, der an einer akuten Offensivschwäche leidet.

Was klar für Walter spricht, ist seine Arbeitsweise - die nicht nur in Kiel überzeugte. Zuvor hatte Walter, der 2017 seine Fußballlehrer-Lizenz erwarb, Jugendmannschaften beim Karlsruher SC und beim FC Bayern München trainiert. Mit der U17 der Münchner gewann er 2017 die deutsche Meisterschaft, ein Jahr später wurde er mit dem zweiten Team des FCB Vizemeister in der Regionalliga.

Die Schwaben bekommen nun einen Trainer mit einem Selbstbewusstsein, das bisweilen die Grenze zur Arroganz schrammt. Die mediale Idylle in Kiel und die geringe Erwartungshaltung boten Walter die ideale Startrampe für eine Karriere als Proficoach. Wenn er sich speziell nach Niederlagen schroff, abweisend, teils sogar abfällig über Gegner oder auch Journalisten äußerte, gab es kein großes Nachbeben.

Das könnte sich angesichts des aufgeregten Umfelds beim kriselnden VfB künftig ändern. «Wir haben uns in den vergangenen Wochen ein umfassendes Bild von Tim gemacht und viele gute Gespräche geführt», sagte Mislintat.