Haben auch im Trainingslager viel zu besprechen: Foto: Sven Mislintat. Baumann - Sven Mislintat. Baumann

Nach jeweils 13 Zu- und Abgängen ist der größte Teil des personellen Umbruchs vollzogen. In St. Gallen präsentiert sich nun ein runderneuertes, munteres Team, über dem allerdings die große Frage schwebt: Stimmt die Mischung diesmal?

St. GallenEine Reise in die Schweiz ist kein Spaß für den Geldbeutel – und dennoch dürften die rund zwei Dutzend VfB-Fans ihren Fußballtrip ins VfB-Trainingslager nach Abtwil bei St. Gallen nicht bereuen. Unweit der beiden Trainingsplätze protzt die Schweiz rund um den Säntis im Appenzellerland mit einem tollen Alpenpanorama – und obendrein gibt es in Abtwil den VfB zum Anfassen.

Ein neuer Geist ist spürbar eingezogen beim Verein für Bewegungsspiele – zunächst einmal, was das Trainingslager betrifft. Wo früher etwa weiß-rote Absperrbänder das Szenario prägten, gilt hier lediglich die Devise des Trainers Tim Walter: „Keiner, der nicht zur Mannschaft und zum Team gehört, betritt den Platz.“

Auch auf dem Feld hat sich ein Wandel vollzogen. Viele neue Gesichter gibt es beim VfB. Während die 27 in der Schweiz anwesenden Profis am Vormittag nach dem 5:3-Sieg über den FC Zürich (VfB-Tore durch Mario Gomez, Daniel Didavi per Elfmeter, zweimal Hamadi al Ghaddioui sowie Tungay Coulibaly) eine eher regenerative Einheit absolvieren, steht Sven Mislintat mit einem Becher Espresso in der Hand auf der Anlage – und zieht eine erste Bilanz. „Kurze Transferzeiten bedeuten für mich immer viel Kaffee und wenig Schlaf“, sagt er.

Tatsächlich hat der oberste Stuttgarter Kaderplaner gemeinsam mit Sportvorstand Thomas Hitzlsperger 13 neue Spieler, darunter drei ausgeliehen Akteure nach Stuttgart geholt – 13 Profis aus der Abstiegsmannschaft hat er im Gegenzug abgegeben. „Der größte Teil des Umbruchs ist vollzogen“, sagt Mislintat nun. In der Vorwoche hat er noch den Innenverteidiger Maxime Awoudja, 21, vom FC Bayern II sowie den Stürmer Sasa Kalajdzic, 22, aus Mödling bei Wien geholt.

„Wir sind jetzt in der Lage zu agieren, müssen nicht reagieren“, sagt der 46-Jährige. Ins Trainingslager ist der VfB ohne die Youngster Leon Dajaku, Antonis Aidonis, Sebastian Hornung und David Kopacz mit 27 Spielern gereist. Aus einer „taumelnden Mannschaft“ (Mislintat), dem Abstiegskader der Vorsaison, galt es nach dem Credo der Sportbosse ein Team zusammenfügen, „das jünger ist und in dem sich die Hierarchie aus Leistung bildet.“

Auf dem bis zum 2. September geöffneten Transfermarkt wird es dennoch weitere Bewegung geben. So dürften sich Erik Thommy (Interesse von Düsseldorf) und Chadrac Akolo (Interesse aus Nürnberg) verabschieden, sobald aus VfB-Sicht der Preis stimmt. Ob der Innenverteidiger Marcin Kaminsiki bleibt oder wie in der Vorsaison für Fortuna Düsseldorf spielt, hängt auch von der Zukunft von Timo Baumgartl ab. Der U-21-Vizeeuropameister hatte vor ein paar Wochen erklärt, er sei künftig „für vieles offen“. Mislintat plant allerdings mit Baumgartl – und sagt: „Nach dem Abstieg kamen bei Timo sicher einige Gedanken auf. Wenn er aber erst mal den neuen Geist unter Tim Walter spürt, wird ihm das Spaß machen. Er ist ein Stuttgarter Junge.“ Allerdings sagt Mislintat auch: „Wer gute Spieler im Kader hat und nicht in der ersten Liga spielt, muss mit Wechselgerüchten leben.“

Auf der Einkaufsseite fehlt der große Millionen-Euro-Transfer wie in der Vorsaison. Viel Geld für einen Spieler zahlt der VfB nur dann, „wenn alles passen würde“, wie Mislintat sagt. Schließlich hat der Abstieg den Verein Geld gekostet hat – zudem konnten sich einige erfahrene Spieler „nicht mit unserem Projekt identifizieren“ (Mislintat). Soll heißen: Für die meisten Profis mit Erstligaperspektive ist der VfB nicht interessant. Wobei der Sportdirekor Wert darauf legt, in Sasa Kalajdzic, Tungay Coulibaly oder Mateo Klimowicz Spieler verpflichtet zu haben, „an denen auch Erstligisten interessiert waren“.

Noch ein paar Reserven

Obendrein will man beim VfB mit dem Umbau hin zu einem stark verjüngten und möglichst per Offensivfußball überzeugenden Team nicht mit einem Schlag finanziell „all in“ gehen, wie Mislintat erklärt. Vielmehr soll ein nachhaltiger Umbruch her. Mit dem klaren Ziel, wie vor drei Jahren den direkten Wiederaufstieg zu schaffen. Allerdings mit einem Plan B im Falle des Scheiterns: Daher behält sich der VfB trotz der 50 Millionen Euro aus den Transfers von Benjamin Pavard und Ozan Kabak sowie dem vom Präsidenten Wolfgang Dietrich avisierten Einstieg eines zweiten Investors Reserven.

Drei Wochen sind es noch bis zum Saisonstart der 2. Bundesliga am 26. Juli mit dem Heimspiel gegen Hannover 96. Sukzessive soll dabei beim VfB aus hoffnungsvollen Jungprofis wie Coulibaly, Klimowicz und Awoudja unter Führung der alten Hasen wie Mario Gomez oder Gonzalo Castro etwas entstehen. Dazu passt, dass Trainer Walter bisher offen lässt, ob er den neuen Kapitän bestimmen, oder von der Mannschaft wählen lassen will.

Mislintat jedenfalls hat nach zahlreichen kurzen Transferpoker-Nächten ein gutes Gefühl, dass die Mischung der einzelnen Charaktere, aus viel Jung garniert mit ein paar Haudegen diesmal stimmt. „Der Kader steht sehr früh“, sagt Mislintat zudem. Dies war allerdings im vergangenen Sommer auch der Fall.