Quelle: Unbekannt

Von Hannes Kern

Stuttgart – Von der Aufstiegseuphorie ist derzeit wenig zu spüren rund um das Trainingsgelände des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart. Die jüngste Vergangenheit war geprägt von reichlich Unruhe und Zweifeln, vom Wechsel auf dem Posten des Sportvorstandes, Diskussionen um die Qualität des Kaders und äußerst durchwachsenen Ergebnissen in den Vorbereitungsspielen. Zuletzt schrammte der VfB in der ersten Runde des DFB-Pokals beim Regionalligisten FC Energie Cottbus nur knapp an einer Blamage vorbei. Rund läuft es wahrlich nicht.

„Die vergangenen Wochen haben sehr viele Nerven gekostet“, räumte Präsident Wolfgang Dietrich ein, „das Pokalspiel am Sonntag war noch eine Steigerung.“ Wohin der Weg der Schwaben in der neuen Saison führen wird, ist genauso schwer vorherzusagen wie die Lottozahlen.

Die Entlassung von Sportvorstand Jan Schindelmeiser, der von vielen Fans als einer der Architekten des Wiederaufstiegs gefeiert wurde, hallt nach. Der gebürtige Flensburger hatte bei Dietrich offenbar wegen mangelhafter Teamarbeit und seiner Transferpolitik jeglichen Kredit verspielt und musste gehen. Schindelmeiser wehrte sich in einem Interview mit dem „Kicker“ gegen die Vorwürfe: „Beim VfB Stuttgart gibt es nicht einen einzigen Spieler, der nicht als Produkt eines Teamprozesses verpflichtet wurde“, sagte er.

Reschke: Wird ein hartes Ringen

Just zur selben Zeit stellte sich in Stuttgart sein Nachfolger Michael Reschke vor. Der 59-Jährige machte gleich unmissverständlich klar, dass die neue Saison kein Zuckerschlecken wird: „Es wird ein hartes Ringen, in der Bundesliga zu bleiben.“ Mit anderen Worten: Der Klassenverbleib ist das Maß aller Dinge und wird zur Herkulesaufgabe für alle Beteiligten.

Die Saison 2017/2018 wird richtungsweisend für den Stuttgarter Traditionsverein, dessen Präsident vor nicht allzulanger Zeit die Zielsetzung ziemlich hoch angesetzt hatte. Im vorderen Drittel sollte sich der VfB mittelfristig etablieren, in der „Sportbild“ ließ er sich Anfang Juli sogar zu dem Satz hinreißen, bestenfalls sollten in Deutschland „nur zwei Vereine größer sein als wir“.

An ähnlichen Träumereien ist schon Dietrichs Vorgänger Bernd Wahler gescheitert, der das Wort „Champions League“ vorschnell in den Mund genommen hatte. Gegen Visionen ist im Grunde nichts einzuwenden, nur hilft das in der momentanen Situation wenig weiter. Der erste Schritt muss vor dem zweiten getan werden. Mit dem aktuellen Kader wird es mehr als schwierig, einen erneuten Abstieg zu verhindern. Das war wahrscheinlich auch Dietrich bewusst, der Schindelmeiser in einer Art Torschlusspanik auch deshalb den Laufpass gegeben haben dürfte.

Deswegen ist Reschkes oberste Aufgabe, bis zum Ende der Wechselfrist am 31. August noch personell nachzubessern. Nicht mit weiteren Talenten, sondern mit erfahrenen Spielern. „Es wäre schon hilfreich, wenn uns der eine oder andere sinnvolle Coup gelingen würde“, sagte der ehemalige Kaderplaner des FC Bayern.

Interessant zu beobachten sein wird auch, wie Reschke mit Trainer Hannes Wolf kooperieren wird. Der Coach macht keinen Hehl daraus, dass er mit Schindelmeiser bestens zusammengearbeitet hat. Auch das Verhältnis zwischen Dietrich und Reschke wird in den kommenden Wochen und Monaten eine wichtige Rolle spielen. Beide stehen unter Druck. Reschke, weil er den Auftrag hat, die Mannschaft in kürzester Zeit zu verstärken. Und Dietrich, weil er für Schindelmeisers Entlassung gerade stehen muss.

Löcher in der Abwehr

Unterdessen steht Wolf vor der schwierigen Aufgabe, die Mannschaft auf die Bundesliga vorzubereiten und aus dem jetzigen Kader das Beste herauszuholen. In der Hoffnung, dass sich in den kommenden zwei Wochen auf dem Transfermarkt noch etwas tut. Nachbesserungen tun Not, das hat nicht zuletzt das Pokalspiel in Cottbus gezeigt. Vor allem in der Defensive klafften bedenklich Löcher. Ob die beiden erfahrenen Abwehrspieler Holger Badstuber und Dennis Aogo und die Probleme beseitigen können, bleibt abzuwarten. Beide waren zuletzt vereinslos, haben noch Trainingsrückstand und müssen erst ins VfB-System integriert werden. Doch nicht nur in der Defensive herrscht Handlungsbedarf, auch in den anderen Mannschaftsteilen würde der eine oder andere erfahrene Spieler gut tun.

Zwar verfügt der VfB durch die Ausgliederung der Fußballabteilung in eine AG durch die Finanzspritze von Daimler in Höhe von 41,5 Millionen Euro über mehr Kapital, doch wird voraussichtlich nur ein bestimmter Teil davon für Neuzugänge verwendet. Das ist nicht viel angesichts der horrenden Summen, die mittlerweile auf dem Transfermarkt gehandelt werden. Das macht die Aufgabe für Reschke nicht einfacher.

Entscheidend für den Erfolg wird auch sein, inwieweit die VfB-Fans, die im Zuge der Aufstiegseuphorie neue Rekorde beim Dauerkartenverkauf und bei der Anzahl der Mitglieder aufstellten, sich in Geduld üben werden, wenn es einmal nicht so gut läuft.

Eines ist klar: Ein weiterer Abstieg würde den VfB noch härter treffen als der vor einem Jahr. Die Auswirkungen auf den Verein wären nicht absehbar.