Stuttgart Markus Elmer weiß noch gut, wie das war. Damals vor mehr als 40 Jahren. Er trug die Nummer drei auf dem Trikot mit dem roten Brustring und wurde auf dem Spielberichtsbogen offiziell als Abwehrspieler geführt. Doch auf dem Platz war das Elmer egal. Er verkörperte mit seiner Dynamik und Technik schon in der Aufstiegssaison 1976/1977 beim VfB Stuttgart einen stürmenden Außenverteidiger. Ziemlich inoffiziell, weil es diese moderne Stellenbeschreibung im Fußball ja noch gar nicht gab.
Wenn nun Elmer mit seinen mittlerweile 68 Jahren im Stuttgarter Stadion sitzt, dann schaut er natürlich bevorzugt auf die damalige Schokoladenseite des Zweitligisten – auf links. Das Spiel, das er dort sieht, hat sich im Laufe der Jahre mächtig entwickelt. Schneller ist alles geworden, und die Anforderungen an einen Außenverteidiger sind wesentlich komplexer, aber eines hat sich für Elmer nicht verändert: „Von dieser Position aus kann man entscheidenden Einfluss auf das Spiel nehmen.“
Elf Tore hat Elmer damals erzielt und unzählige Flanken auf einen gewissen Dieter Hoeneß im Sturmzentrum geschlagen. Okay, es waren auch ein paar verwandelte Elfmeter dabei, aber es bleibt eine beachtliche Bilanz. Gemessen daran, müssen sich seine aktuellen Nachfolger mächtig strecken. Emiliano Insua und Borna Sosa heißen bekanntlich die beiden Konkurrenten für links hinten. „Ich bin mit beiden sehr zufrieden, weil sie die Neuerungen annehmen und sich mit ihnen gut arbeiten lässt“, sagt der Trainer Tim Walter vor der Heimpartie am Samstag (13 Uhr) gegen die SpVgg Greuther Fürth.
Erfahrung gegen Leichtfüßigkeit
Dennoch: Seit Jahren ist die linke Abwehrseite eine Problemzone des VfB, weil es an Stabilität mangelt. Zuletzt in Regensburg, als die Stuttgarter zwar gewannen, aber die Jahn-Elf Insua als Schwachstelle für ihre eigenen Attacken ausgemacht hatte. Mit seiner Erfahrung regelte der 30-jährige Argentinier die Angelegenheit gerade noch so. Impulse für die Offensive gab er weniger. Wobei sich Insua grundsätzlich gerne in die Angriffe einschaltet. Dabei begleitet ihn jedoch immer wieder die bange Frage von außen, ob er es rechtzeitig wieder zurückschafft.
Sosa ist dagegen der leichtfüßigere Spieler. „Mit guten Dribblings und Flanken – ihm fehlt aber noch etwas das Selbstvertrauen“, sagt Elmer. Von dem jungen Kroaten weiß man ja auch nicht immer so genau, ob er gerade verletzt, gesperrt oder beleidigt ist, weil er nicht zum Einsatz gekommen ist. Momentan ist er einsatzbereit. Er hat nach einem Infekt voll trainiert, und er ist bestrebt, Insua wieder aus der Mannschaft zu drängen.
An Sosas Potenzial gibt es dabei keinen Zweifel. Er gilt als Zukunftslösung. Allerdings tritt der 21-Jährige schon mal mit einer Körperspannung auf, als ginge es nicht um Auf- oder Abstieg, sondern um ein Vesperspielchen auf dem Land. Gelegentlich muss man Sosa auch daran erinnern, dass Verteidigen zu seinem Job gehört. „Der eine ist defensiv etwas besser, der andere offensiv einen Tick stärker“, sagt Walter über die beiden Kandidaten. „Letztlich macht es für uns die Mischung.“
Zusammengenommen könnten Insua und Sosa mit ihren Fähigkeiten also einen sehr respektablen Linksverteidiger ergeben. Vielleicht so komplett und konstant wie Pascal Stenzel zurzeit. Die Leihgabe aus Freiburg kommt zwar vom rechten Rand des Rasens, ist in Walters System mit den ständig verschiebenden Spielern aber mittendrin im Geschehen. Stenzel weist die meisten Ballkontakte (685) in der zweiten Liga auf – woraus sich seine Bedeutung für die Spieleröffnung ergibt.
Ein Merkmal, das seit den Zeiten eines Philipp Lahm das Spiel der Außenverteidiger prägt. Sie sind hinten wie vorne gefordert. Der Weltmeisterkapitän von 2014 war zudem noch auf links und rechts Weltklasse. So wurde die Position durch den heute 35-Jährigen neu interpretiert und erfuhr gleichzeitig eine immense Aufwertung – nicht nur in Fachkreisen, sondern ebenso in der öffentlichen Wahrnehmung. Lahm spielte einst beim VfB – hinten links.