Wolfgang Dietrich sitzt hier nicht mehr. Der VfB sucht einen neuen Präsidenten. Foto: Baumann - Baumann

Der VfB Stuttgart will sich künftig breiter aufstellen, dem neu zu wählenden Präsidenten kommen dabei ganz neue Aufgaben zu. Doch wie sollen diese eigentlich aussehen?

StuttgartVon Jean Löring ist der schöne Satz überliefert: „Ich als Verein musste handeln.“ Nun sind die Zeiten von sportlichen Autokraten wie dem früheren Präsidenten von Fortuna Köln, der einst in der Halbzeit Trainer Toni Schumacher entließ, längst passé. Auch ein Modell Gerhard Mayer-Vorfelder wäre heute schwer vorstellbar. 25 Jahre lang stand der allmächtige Clubboss auf der Kommandobrücke des VfB Stuttgart. Und hob oder senkte wie im alten Rom am Ende den Daumen.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Was auch Wolfgang Dietrich irgendwann zu spüren bekam. Seine große Machtfülle beim VfB war vielen Fans ein Dorn im Auge. Ausgehend von Dietrichs Doppelrolle als Präsident des Hauptvereins und Aufsichtsratschef der Profifußballsparte nahm die Kritik ihren Anfang. Im Juli trat der 71-Jährige entnervt von seinen Ämtern zurück. Zuvor hatte er noch versucht, durch die Installierung eines Vorstandsvorsitzenden seinen Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen. Dazu kam es nicht mehr.

Jetzt will sich der taumelnde Traditionsverein mal wieder neu aufstellen. Mit frischen Gesichtern und einer veränderten Struktur. Präsident plus Vorstandschef gleich mehr Gewaltenteilung, lautet die Gleichung beim 70 000 Mitglieder zählenden, größten Vereins Baden-Württembergs. Doch wie soll die Aufgabenteilung eigentlich genau aussehen?

Anforderungsprofil genau definiert

Anders als das Amt der fußballerischen Frontfigur innerhalb der AG hat der VfB das Anforderungsprofil für den künftigen Präsidenten genau definiert. Mindestens 35, höchstens 75 Jahre darf dieser alt sein, eine mindestens zehnjährige Managementerfahrung in der Wirtschaft oder im Leistungssport muss er mitbringen. Außerdem soll er sich „sicher auf dem öffentlichen Parkett bewegen“ können. Die Organisation der Breitensportabteilungen gehört formal zu seinen wichtigsten Aufgaben.

Darüber hinaus wirkt der Präsident natürlich auch in den Profibereich hinein. Es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass der Chef des Hauptvereins auch an die Spitze des neuen Aufsichtsrats der Fußball-AG gewählt wird. Der wiederum den künftig vierköpfigen Vorstand (Sport, Finanzen, Marketing, plus dem neuen Vorsitzenden) auf die Finger schauen soll.

Damit gleicht sich der Zweitligist in seinen Strukturen dem anderer Kapitalgesellschaften im Profifußball an. Dort gibt es über dem rein sportlichen Bereich in aller Regel zwei Führungsfiguren. Bekanntestes Beispiel: Der FC Bayern München. Karl-Heinz Rummenigge dirigiert als Vorstandsvorsitzender den täglichen Zirkus, Präsident Uli Hoeneß zeiht im Hintergrund die Strippen. Über die Frage, wer das letzte Wort hat, gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen so, die anderen so. Was letztlich aber gar nicht so entscheidend ist. Sondern dass die bayrische Doppelspitze trotz aller Reibungen funktioniert. Weil sich die beiden Alphatiere im besten Sinne ergänzen.

So soll es künftig idealerweise auch in Cannstatt laufen. Ein Präsident des e.V., der sich aus dem Alltag weitgehend heraushält und nicht zwingend jeden Montag zur Lagebesprechung mit Sportchef und Trainer lädt. Dessen Wort aber bei großen Entscheidungen Gewicht hat. Bei einer anstehenden Trainerentlassung etwa, oder bei einem großen Spielertransfer. Dann wird der Aufsichtsrat und damit auch der Präsident qua Satzung mit einbezogen. Weshalb auch Fußballsachverstand kein zu vernachlässigendes Einstellungskriterium darstellt.

Auf alle Fälle ist der künftige, ehren- oder nebenamttätige und zunächst nur bis zum Jahr 2020 gewählte Vereinsboss weit mehr als nur Chef der Faustballer oder reiner Repräsentant, der schöne Neujahrsansprachen hält. Kein Grüß-Gott-August. Sein Wirkungsgrad reicht weiter – nur verfügt er nicht mehr über die große Machtfülle wie einst Dietrich. Er ist in der weiß-roten VfB-Welt neben dem neuen Vorstandsvorsitzenden nur noch Teilgewalt. Und überlässt diesem etwa die wichtige Suche nach einem weiteren Investor.

Bewerberfrist endet bald

An diesem Sonntag endet die Bewerberfrist. Kommenden Montag oder Dienstag will der Verein seine Mitglieder über eingegangene Bewerbungen informieren. Bislang haben der Schorndorfer Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD) und der kommerzkritische Unternehmer Claus Vogt ihre Bereitschaft signalisiert. Guido Buchwald will seinen Hut ebenfalls in den Ring werfen.

Dazu kommen eine Reihe weiterer, weithin unbekannter Bewerber, die eine Unterstützerliste mit mindestens 50 Unterschriften von VfB-Mitgliedern benötigen. Laut Satzung dürfen maximal zwei Bewerber zur Mitgliederabstimmung am 15. Dezember zugelassen werden.

Die Auswahl könnte knifflig werden und für böses Blut unter Unterstützern und Anhängern sorgen – etwa in der Causa Guido Buchwald. Die zwei richtigen zu nominieren, könnte zur ersten großen Herausforderung auf dem Weg zur neuen Stuttgarter Gewaltenteilung werden.