Der Argentinier Santiago Ascacibar. Foto: Baumann - Baumann

Santiago Ascacibar wächst beim VfB Stuttgart in eine zentrale Rolle hinein. Das könnte sich für den Bundesligisten, der am Freitag Fortuna Düsseldorf erwartet, schon bald auszahlen.

StuttgartVermutlich wird man eine solche Zweikampfführung bei Santiago Ascacibar so schnell nicht mehr sehen. Wobei Zweikampf ein großes Wort für diese Szene aus dem Freiburger Schwarzwaldstadion ist, da es keinen Körperkontakt gab. Eine halbe Minute war gespielt, als der Ball auf Ascacibar zurollte. Allerdings hatte der Fußballer des VfB Stuttgart seinen Körperschwerpunkt schon verlagert, der Pass auf ihn war zudem unsauber, und die Kugel kam mit Drall. „Ich habe den Ball noch mit der Fußspitze berührt“, sagt Ascacibar. Aber er kam nicht mehr heran, und für Florian Niederlechner öffnete sich das ganze Feld. Ungehindert lief dieser los, und wenige Sekunden später hieß es 0:1.

Ein Ärgernis für den Mittelfeldspieler, der ansonsten kein Duell Mann gegen Mann scheut und lieber eine Grätsche zu viel einbaut als eine zu wenig. Das wird nach dem 3:3 beim Sportclub auch wieder am Freitag (20.30 Uhr) gegen Fortuna Düsseldorf sein Spiel sein: rennen, rackern und die Verbindung des Gegners in die Spitze zersäbeln. Auf eine durchschnittliche Laufleistung von 12,32 Kilometer pro Partie bringt es der Argentinier und führt damit die VfB-Rangliste an (Platz sieben in der Bundesliga). Auf diese leidenschaftliche Art hat sich der 21-Jährige schnell Respekt verschafft – in der Mannschaft und in der Liga. Ascacibar gehört zu den besten Balleroberern.

Doch das Spiel des blonden Südamerikaners hat sich erweitert. „Anfangs ging zunächst viel über Ballgewinne, und sein Spiel mit Ball war von kurzen Pässen geprägt“, sagt Trainer Tayfun Korkut. Jetzt streut Ascacibar Flugbälle ein, sucht Laufwege in den gegnerischen Strafraum und schießt schon mal aufs Tor. „Die Belohnung für seine positive Entwicklung hat er zuletzt bekommen“, sagt Korkut – mit dem Debüt in der Nationalelf.

Als Auszeichnung für das Talent und dessen konstant gute Leistungen wertet der Stuttgarter Chefcoach den Einsatz Anfang September: „Er ist ein aufgeweckter Junge mit großem Herzen.“ Als einen besonders emotionalen Moment in seiner noch jungen Karriere sieht Ascacibar den ersten Auftritt im Trikot der Albiceleste. „Ich habe gegen Guatemala zwar nur 45 Minuten gespielt, aber ich war überglücklich“, sagt der kleine Kämpfer vom Rio de la Plata.

Fortsetzung folgt. Davon sind sie in Ascacibars Heimat überzeugt. Der VfB-Profi zählt zu einer Reihe von Nachwuchskräften, auf denen nach der schwachen WM in Russland in Argentinien viele Hoffnungen ruhen. Er war Kapitän der U-20-Auswahl, und er spielt in einer europäischen Topliga. „Wie es in der Nationalelf konkret weitergeht, haben wir noch nicht besprochen“, sagt Ascacibar. Ist ja auch schwierig, da Lionel Scaloni und Pablo Aimar gerade interimsweise den zweifachen Weltmeister betreuen und zuletzt namhafte Spieler wie Lionel Messi, Ángel di María und Sergio Agüero nicht im Kader standen.

Allesamt aber auch Offensivstars – und klar ist so, dass im zentralen defensiven Mittelfeld ohne den zurückgetretenen Javier Mascherano ein Vakuum entstanden ist. Ascacibar wird zugetraut, es zu füllen - mit dem Segen des in Argentinien noch immer göttlich verehrten Diego Armando Maradona. Eine Videobotschaft sandte der frühere Weltklassekicker einem seiner Erben, nachdem er erfahren hatte, dass Ascacibars rechte Wade ein Maradona-Tattoo ziert. „Hallo kleiner Santiago . . . Bah . . . großartiger Santiago. Ich danke dir sehr herzlich für das Tattoo, das du mit Stolz trägst.“ Kontakt hatten die beiden anschließend jedoch nicht. Im Hause Ascacibar herrschte dennoch Ausnahmezustand, da Vater Javier seinem Sohn immer von Maradona vorgeschwärmt hatte. „Aus diesem Grund habe ich mir das Tattoo ja stechen lassen“, sagt der Mittelfeldspieler, der sich nicht mit der Vergangenheit aufhalten will.

Ascacibar hat womöglich eine große Zukunft vor sich. Aus diesem Grund hat VfB-Manager Michael Reschke den Vertrag mit ihm frühzeitig bis 2023 verlängert. Eine lange Zeit noch, aber an der Mercedesstraße geht niemand davon aus, dass Ascacibar, der sich in Stuttgart sehr wohlfühlt, so lange bleiben wird. Weshalb sie beim VfB froh sind, dass im Kleingedruckten keine Ausstiegsklausel steht.

Sechs Millionen Euro zahlte der VfB im August 2017 an Estudiantes de La Plata, ein Vielfaches könnte Ascacibar beim Verkauf einbringen. Und bereits in der vergangenen Transferperiode erreichten Reschke Anfragen. Darunter vom Champions-League-Club SSC Neapel. Doch der Sportchef reagierte immer gleich: keine Chance. Ascacibar soll seine Aggressivität noch eine Weile gewinnbringend für den VfB einsetzen.