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Von Sigor Paesler

Stuttgart – Diese Antwort erstaunt ein wenig. „Für die jungen Spieler speziell in Deutschland heißt es: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Ich will ihnen den Druck nehmen und ihnen in der Kabine ein Lächeln auf das Gesicht zaubern.“ Das sagt Emiliano Insua, der argentinische Verteidiger des VfB Stuttgart auf die Frage nach seiner Rolle innerhalb der Mannschaft des Fußball-Zweitligisten. Auf dem Platz haben die Fans ein anderes Bild von dem 28-Jährigen: Zweikampfstark, laufstark und ein starker Flankengeber. Voll fokussiert und immer mit vollem Einsatz.

Und das fast ohne Pause. 2610 Spielminuten haben die Stuttgarter in der laufenden Saison bislang absolviert. 2596 Minuten stand Insua auf dem Platz. Lediglich die letzte Viertelstunde beim 2:1-Sieg gegen den SV Sandhausen Mitte Februar verpasste er. Auf die volle Distanz kommt nur Torhüter Mitchell Langerak.

Schon in der vergangenen Saison, der Abstiegssaison, verpasste der 1,80-Meter-Mann aus Buenos Aires nur das vorletzte Spiel gegen den 1. FSV Mainz 05 wegen einer Gelb-Sperre und wurde zwei Mal kurz vor Schluss ausgewechselt. Eine Sperre droht diesmal kaum, in den bisherigen 29 Saisonspielen wurde Insua erst zwei Mal verwarnt. Emiliano Insua, der argentinische Dauerläufer.

„Wir haben eine gute Chance, unser Ziel zu erreichen. Wir sind voller Selbstvertrauen“, sagt Insua über die momentane Verfassung des Teams. Der VfB ist Tabellenführer und auf dem besten Weg zurück in die Bundesliga: „Aber wir haben noch fünf schwere Spiele vor uns.“ Nur nicht nachlassen.

Dass der vierfache argentinische Nationalspieler und U-20-Weltmeister überhaupt noch das Trikot mit dem Brustring trägt, hätten im Mai des vergangenen Jahres nicht viele VfB-Anhänger erwartet. Der Mann, der bei den Boca Juniors, dem FC Liverpool, Galatasaray Istanbul, Sporting Lissabon und Atlético Madrid gespielt hat und nirgends länger als drei Jahre blieb, in der 2. Bundesliga? „Im Spanischen sagt man: Wenn der Ball unten ist, muss man ihn wieder hochbringen“, sagt Insua dazu – auf Englisch. Und erklärt: „Wenn ich damals gewechselt wäre, hätte ich zu denen gehört, die nach dem Abstieg gegangen sind. Das wollte ich nicht.“ Also wartete er ab, was der Verein vorhatte und als dieser signalisierte, ihn halten zu wollen, sagte er zu. Lediglich zu seinem Ex-Club Lissabon gab es Kontakt, berichtet er heute. Nach Söldnertum klingt das nicht.

Auf seiner Internetseite schrieb Insua damals über das Ziel Wiederaufstieg: „Hier ist ein Argentinier, der alles geben wird, damit das gelingt!“ Das tat er anschließend. Als Linksverteidiger ist er gesetzt. Zudem hat er selbst ein Tor beim 3:3 gegen Dynamo Dresden erzielt und sieben Treffer vorbereitet. Vor allem Mittelstürmer Simon Terodde ist ein dankbarer Abnehmer und lobt anschließend regelmäßig den Flankengeber. „Eigentlich trainiere ich das nicht besonders viel“, erzählt Insua und ergänzt bescheiden: „Es gehört auch immer ein bisschen Glück dazu, außerdem weiß Simon, wie meine Bälle kommen.“ Insuas Offensiv-Partner auf der linken VfB-Seite wechseln häufig. Julian Green, Takuma Asano, Josip Brekalo und zuletzt zwei Mal Alexandru Maxim. „Das funktioniert sehr gut, ich freue mich für ihn“, sagt Insua über den Rumänen und erklärt, dass Green, Asano und Brekalo mehr über die Geschwindigkeit kommen und Maxim eher mit Dribblings und Passspiel agiert. Das kommt ihm durchaus entgegen.

Insua ist viel herumgekommen. „Ich habe in vielen Ländern und Ligen Erfahrungen gesammelt“, nennt er das Positive. „Natürlich wäre es schön, zehn Jahre bei einem Verein zu sein. Aber das ist im Fußball schwierig“, sagt er. Zum VfB und der Region Stuttgart hat er in den knapp zwei Jahren seit seinem Wechsel aus Madrid eine besondere Beziehung aufgebaut: Sein fünfjähriger Sohn Noah ist hier größer geworden, Iker während dieser Zeit (allerdings im Heimaturlaub) geboren. Der Ältere spricht „eine Mischung aus Spanisch, Englisch und Deutsch“, wie Insua erklärt. Auf jeden Fall tut er sich mit dem Deutschen leichter als sein Papa, wie dieser lachend ergänzt.

Und auch seine Frau Tatiana Chao fühlt sich wohl, wie der Ehemann erklärt. Sie ist auch sportlich hei-misch geworden. Die frühere argentinische Erstliga-Hockeyspielern schwingt für den HTC Stuttgarter Kickers in der Regionalliga den Schläger. Die Rivalität zwischen den „Roten“ und den „Blauen“ spielt für das Ehepaar freilich keine Rolle. „Auch wenn ich gerne noch mehr von der Welt sehen würde, will ich eigentlich nicht noch einmal umziehen. Vor allem wegen der Kinder“, sagte Tatiana Chao vor ein paar Monaten der „Stuttgarter Zeitung“.

Klar, dass ihr Mann zurzeit keinen Gedanken daran verschwendet, seinen bis zum Sommer 2018 lau-fenden Vertrag beim VfB eventuell nicht zu erfüllen. Wenn es mit dem Wiederaufstieg klappt, gibt es ohnehin keinen Grund dafür. Um dieses Ziel zu erreichen, heißt es auch für Insua: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Zwischendurch mit einem breiten Lächeln im Gesicht.