Martin Schäfer: „Ich halte Platz zwölf oder dreizehn in dieser Saison für möglich.“Archiv Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Reutlingen - Als es richtig schwierig wurde beim VfB Stuttgart, scheute er nicht die Verantwortung. Nach der „Katastrophe des Bundesligaabstiegs“ übernahm Martin Schäfer den Vorsitz des Aufsichtsrates beim VfB. Der Geschäftsführer der Adolf Würth GmbH stellte sich und ließ sich auch von Fanprotestens nicht von seinem Weg abbringen. Er installierte den neuen Präsidenten Wolfgang Dietrich, er setzte maßgeblich auf die Ausgliederung der Profiabteilung und hofft, dass der VfB nach dem direkten Wiederaufstieg in spätestens einem Jahrzehnt wieder zu den „Top Drei“ in Deutschland zählt.

Aufsichtsrat des VfB Stuttgart ohne Martin Schäfer kann man sich noch nicht wirklich vorstellen.

Schäfer: Ich bereue nichts, weil ich es gerne gemacht habe. Der Aufsichtsratsvorsitz war im Übrigen nie mein Plan, aber nach der großen Katastrophe des Bundesligaabstiegs kam dann alles anders. Und schon da habe ich mir gesagt, wenn alles wieder im Lot ist, die Positionen besetzt sind und im Idealfall der Wiederaufstieg und die Ausgliederung der Profiabteilung gelingen, dann war es das für mich.

Sie hätten ja auch Präsident werden können.

Schäfer: Die Diskussionen gab es. Das war aber kein Thema für mich. Weil ich andere Prioritäten in meinem Leben gesetzt habe. Ich bin 40 Jahre in meinem Unternehmen, ich habe dort als Verkäufer angefangen, ich habe dort alles gemacht. Und ich habe diesem Unternehmen sehr viel zu verdanken und Verantwortung für 4700 Mitarbeiter, dann läuft man nicht weg, nur weil eine angeblich oder vermeintlich interessantere Position winkt. Das ist nicht meine Welt.

Vermutlich wird Ihnen der Club fehlen, fußballverrückt wie Sie sind?

Schäfer: Ich schließe nicht aus, dass mir der VfB fehlen wird. Es war eine harte Zeit nach dem Abstieg aus der Bundesliga, ich gehe zukünftig als Fan ins Stadion, ohne Druck, ohne Verantwortung. Wenn es nicht optimal für den VfB laufen würde, dann hätte ich meine Aufgabe nicht erfüllt. Und dann würde ich auch nicht gehen. Ich habe versucht, alles zu geben, Impulse zu setzen. Ich glaube, dass jetzt auch andere Leute Impulse setzen sollten.

Mit Ihrem Präsidenten sind Sie zufrieden?

Schäfer: Absolut. Er war mein Wunschkandidat, wir haben früh den Kontakt gesucht und gefunden, es war auch nicht einfach, ihn durchzubringen, aber ich war von Beginn an überzeugt von Wolfgang Dietrich. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er der richtige Mann für den VfB in dieser Phase ist. Dietrich ist einer, der beruflich alles erreicht hat und ein riesengroßes Herz für den VfB hat. Das war wichtig für mich. Und dann habe ich ihn vorgeschlagen, obwohl man auch mich an den Pranger gestellt hat. Manche Dinge muss man aushalten. Und ich habe mich noch nie verbiegen lassen. Und weggelaufen bin ich auch nie, aber die Kritik hat teilweise auch wehgetan. Das war eine Phase, die belastet hat.

Wie beurteilen Sie die aktuelle sportliche Situation?

Schäfer: Wir sind im Plan weitestgehend. Wenn wir drei Punkte mehr hätten, wären wir zu hundert Prozent im Plan. Aber wir waren ja auch in den Auswärtsspielen nicht chancenlos. Die Qualität ist da. Mit Hannes Wolf haben wir einen sehr akribischen Arbeiter als Trainer. Wenn die Mannschaft so weiterarbeitet, werden wir unser Ziel Klassenverbleib erreichen. Ich halte auch Platz zwölf oder dreizehn in dieser Saison für möglich.

Nur mit dem Sportvorstand hat es nicht funktioniert.

Schäfer: Jan Schindelmeiser hat einige gute junge Leute geholt und auch darüber hinaus einige viele Dinge richtig gemacht. Aber verschiedene gemeinschaftlich verabschiedete, jedoch nicht umgesetzte Maßnahmen haben uns zu der einstimmigen Überzeugung gebracht, dass wir unsere Pläne mit ihm nicht erfolgreich umsetzen können. Deshalb haben wir die Reißleine gezogen.

Ist Michael Reschke auch Ihr Mann?

Schäfer: Uneingeschränkt. Jeder Fußballinsider bestätigt, dass Michael Reschke eine Koryphäe auf seinem Gebiet ist, ein Fachmann. Und für ihn waren der Zeitpunkt und die Chance gekommen, aus dem Hintergrund in den Vordergrund zu rücken. Michael Reschke ist jemand, der die Menschen mitnimmt. Man kann bestimmt sein, auch hart und konsequent, aber man muss die Menschen mitnehmen. Das ist heute entscheidend.

Wo steht der VfB Stuttgart in zehn Jahren?

Schäfer: Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren wieder einer der Topvereine in Deutschland sind. Das Problem des VfB in den vergangenen Jahren war der extreme Personalwechsel auf allen Ebenen. Viele haben sich auch zu wichtig genommen. Wir brauchen aber ein Team, das die Chance hat, drei oder vier Jahre in dieser Konstellation zusammenzuarbeiten. Wir werden nicht ohne Krise auskommen, aber wir dürfen nicht alles wieder infrage stellen.

Die Fans haben Sie zeitweise erbittert kritisiert. Haben Sie Frieden geschlossen?

Schäfer: Was wir in der 2. Bundesliga mit unseren Fans erlebt haben, das gibt es in Europa kein zweites Mal, davon bin ich überzeugt. Das hat fast jeden Schmerz getilgt. Ich habe mich mit jedem Einzelnen auseinandergesetzt, das haben die Fans zur Kenntnis genommen. Man ist gut beraten, sich mit den Menschen ehrlich auseinanderzusetzen. Die Leute wollen ernst genommen werden, und das ist ihr gutes Recht. Wir haben eine andere Gesprächskultur im Club geschaffen, ehrlicher, berechenbarer.

Trotzdem war das hart.

Schäfer: In jeder Hinsicht. Die Mannschaft steigt sang- und klanglos ab. Die Fans protestieren, stehen aber vier Wochen später geschlossen wieder zu ihrem Verein. Und es lief nicht gut zu Beginn der Zweitligasaison, wir standen doch kurz vor der nächsten Eskalationsstufe.

Und jetzt brauchen Sie vor allem Geld, die Ausgliederung der Profiabteilung war notwendig.

Schäfer: Absolut, aber es geht nicht nur um Geld. Ich halte es für realistisch, dass in den nächsten beiden Jahren ein zusätzlicher Investor beim VfB dazukommt. Der Club ist wieder im Blickfeld. Aber vor allem hat der Club erkannt, dass es grundlegend wichtig ist, in den eigenen Nachwuchs zu investieren. Wir dürfen es uns nicht mehr leisten, Spieler auszubilden und sie dann abzugeben. Zu viele ehemalige VfB-Jugendspieler spielen erstklassig, aber nicht mehr beim VfB. Wir müssen investieren, wir müssen die jungen Leute binden. Dafür müssen wir die Strukturen schaffen. Wir werden die Erfolge in vier, fünf Jahren sehen. Davon bin ich überzeugt. Vier oder fünf Spieler, die wir herausbringen und die aus Überzeugung beim VfB bleiben, dann sind wir auf einem guten Weg.

Eine zweite Mannschaft braucht man dazu nicht?

Schäfer: Das ist ein Diskussionsprozess, den ich nicht kommentieren will. Ich weiß nur, es ist schwer, aus der Regionalliga den Sprung in die Bundesliga zu schaffen. Je nachdem, zu welchem Ergebnis man kommt, muss man möglicherweise andere Weichen stellen.

Professionalismus in der Wirtschaft und im Sport, hängt das zusammen?

Schäfer: Ich denke, Ja. Man braucht in einem Unternehmen eine saubere Führungskultur. Man muss Vorbild sein, einen verlässlichen Umgang, Gesprächsführung, Entscheidungsfindung, Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit. Das ist im Sport nicht anders. Wer gradlinig ist, darf und muss auch hart sein. Man muss berechenbar sein, wenn man es nicht ist, funktioniert es nicht in der Wirtschaft. Und auch nicht im Fußball.

Das Gespräch führte Christoph Fischer

Zur Person

Martin Schäfer aus Reutlingen-Mittelstadt, geboren am 22. November 1956 als drittältestes von insgesamt zehn Kindern in Großbettlingen, Großhandelskaufmann, Betriebswirt, seit 2000 Geschäftsführer, seit 2009 Stellvertretender Unternehmenssprecher der Würth GmbH & Co. KG. Aufsichtsrat des VfB Stuttgart bis 3. Dezember 2017, zwischenzeitlich Vorsitzender des Aufsichtsrates. Verheiratet, drei Kinder, sechs Enkelkinder.