Holger Badstuber sagt das aktuelle VfB-Paket zu. Foto: dpa - dpa

Außerdem warnt der Innenverteidiger davor, den eingeschlagenen Weg zu verlassen.

StuttgartBeim FSV Mainz beginnt für den VfB Stuttgart am Sonntagnachmittag (15.30 Uhr) wieder der Ernst des Bundesligalebens. Der 29-jährige Innenverteidiger Holger Badstuber warnt davor, den eingeschlagenen Weg zu verlassen: „Wir sind weit davon entfernt, alles spielerisch lösen zu können.“

Herr Badstuber, die Fans rätseln, wer am Sonntag (15.30 Uhr) gegen den FSV Mainz 05 die Abwehrformation des VfB bildet. Dabei müsste die Entscheidung längst klar sein.
Warum?

Weil Ihnen in der vergangenen Saison Ihre beiden einzigen Tore für den VfB ausgerechnet gegen Mainz 05 gelangen. Ein schlagkräftiges Argument, oder?
Ich glaube nicht, dass sich der Trainer danach richtet.

Mit Ihnen, Timo Baumgartl, Benjamin Pavard und Marc-Oliver Kempf verfügt Tayfun Korkut über vier starke Innenverteidiger. Von denen am Sonntag nur zwei spielen können.
Da haben Sie Recht. Aber was sagt mir das?

Dass es mindestens einen Härtefall geben wird. Sollte es Sie treffen: Könnten Sie sich mit dem Platz auf der Bank arrangieren?
Das sind alles Spekulationen, an denen ich mich nicht beteiligen möchte. Ich mache meine Arbeit und gebe wie immer mein Bestes, am Ende entscheidet der Trainer. Fertig.

Im Raum steht ja auch noch die Möglichkeit einer Fünferkette. Darin wäre theoretisch Platz für drei Innenverteidiger.
Daran glaube ich weniger. Diese Variante haben wir in der Vorbereitung nicht so häufig gespielt. Wir sollten die taktischen Diskussionen aber jetzt mal beiseite lassen. Am Sonntag wird es darauf ankommen, die richtige Mentalität auf den Platz zu bringen, um einen Sieg einzufahren.

Ihr Trainer hat die Fünferkette selbst als Option ins Spiel gebracht. Erklären Sie uns als Abwehr-Experte doch einmal die Unterschiede beziehungsweise die Vorzüge von Fünfer- und Viererkette.
Mit fünf Mann im Abwehrverbund werden die Räume hinten enger. Dafür fehlt ein Mann im Zentrum, worunter das Offensivspiel leiden kann. Bei uns hat die Viererkette immer gut funktioniert. Weshalb ich da keinen Grund sehe, etwas zu ändern.

Im Vergleich zur Vorsaison gibt es deutlich mehr Optionen in der Offensive. Was beim 0:2 in Rostock aber in die Hose ging.
Woran ich nicht ganz schuldlos war (Badstuber verschuldete den Gegentreffer zum 0:1; d. Red.). Wir stehen am Anfang der Saison, einige Spieler – da schließe ich mich mit ein – sind noch nicht bei 100 Prozent. Aber wir haben in der Offensive Qualität dazugewonnen. Das sehe ich absolut so.

Dürfen sich die Fans des VfB in dieser Saison auf mehr Angriffsfußball freuen?
Wir müssen zunächst einmal die Tugenden einbringen, die uns letztes Jahr stark gemacht haben. Dazu zählt vor allem eine starke Defensive. Diese Basis darf nicht bröckeln. Wir sind weit davon entfernt, alles spielerisch lösen zu können. Wenn wir das denken, schlagen wir den falschen Weg ein.

Das heißt Ergebnis vor Erlebnis. Ist Ihnen ein mühsamer 1:0-Sieg lieber als ein 4:3?
Ja klar! Hurrafußball ist nicht immer erfolgreich. Es geht darum, Ergebnisse zu erzielen.

Die Stuttgarter Publikum hat aber durchaus seine Ansprüche.
Ich hatte letzte Saison nicht das Gefühl, dass die Leute nach 1:0-Siegen unzufrieden nach Hause gegangen sind. Wir haben uns ja nicht hinten einbetoniert, sondern haben trotzdem versucht gut Fußball zu spielen. Das wollen wir weiterentwickeln.

Ist die Mannschaft bereit für den nächsten Entwicklungsschritt? Wenn sie selbst mit dem Ball gefordert ist – weil die Gegner defensiver agieren.
Wer sagt denn, dass es so kommt? Das ist reine Spekulation.

Weil es in der Bundesliga nicht so viele Mannschaften gibt, die das Spiel selbst in die Hand nehmen können.
Mag sein. Ich weiß nur, dass wir auch nicht zu diesen Mannschaften dazugehören. Aber darum geht es doch gar nicht.

Sondern?
Ich weiß nicht, warum es alle immer schön haben wollen. Was soll das überhaupt heißen: Schöner Fußball? Was wir letzte Saison gezeigt haben; Wille, Ehrgeiz, dass sich jeder für den anderen reingekniet hat – das war ehrlicher Fußball. Das ist es doch, was die Leute sehen wollen! Vor allem, wenn es am Ende den Erfolg bringt.

Aber auf Dauer darf es schon ein bisschen mehr sein – auch, was das allgemeine Niveau in der Bundesliga angeht?
Sehe ich nicht so. Gut, die Bayern, Dortmund, vielleicht noch Leverkusen und Hoffenheim lassen öfter mal den Ball zirkulieren, während die meisten Mannschaften auf schnelle Gegenangriffe setzen. Aber ist das per se weniger attraktiv? Nein! Die Leute wollen kein Spektakel, die wollen ihre Mannschaft gewinnen sehen.

International gab es zuletzt nicht viele Siege zu feiern. . .
. . . was meiner Meinung nach nichts mit fehlender Qualität zu tun hat. Wir haben in der Vorbereitung dreimal gegen spanische Mannschaften gespielt, und ich hatte nicht das Gefühl, dass die uns qualitativ meilenweit voraus sind. Ein intaktes Team, in dem jeder für jeden da ist, schlägt ein vermeintlich besseres fast immer. Wenn sich alle international vertretenen Bundesligisten daran orientieren, erzielen sie auch wieder bessere Ergebnisse.

Sie haben sich im Sommer für die Bundesliga und den VfB Stuttgart entschieden – trotz Anfragen sportlich besser platzierter Club aus dem Ausland. Hatten Sie keine Lust mehr auf Abenteuer?
Es war eine Gefühlsentscheidung, das VfB-Paket war letztlich das Beste für mich. Bei allen anderen Vereinen hatte ich keine Verbindung und nicht das Gefühl, mich voll entfalten und meine beste Leistung abrufen zu können. Auch wenn ich dabei darauf verzichte, international zu spielen.

Das können Sie vielleicht auch mit dem VfB erreichen.
Das muss das Ziel des Vereins sein. Der VfB sollte sich aber stetig entwickeln. Lieber langsam und konstant als zu schnell.

Sie haben mit vielen Top-Trainern zusammengearbeitet: Pep Guardiola bezeichneten Sie als „Nonplusultra“, über Louis van Gaal sagten Sie: „Ich konnte ihm nichts entgegnen, weil ich wusste: Er weiß es besser als ich.“ Was ist Ihnen in Ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis mit Tayfun Korkut am stärksten haften geblieben?
Er hat ein sehr gutes Gespür für jeden einzelnen Spieler. Seine Arbeit zeichnet sich durch eine klare Struktur und durch Konstanz aus – ob Erfolg oder Misserfolg. Er legt Wert auf Hierarchien, weshalb jeder weiß, woran er ist. Das tut uns als Mannschaft gut, weil wir ihm vertrauen. Ich denke, da kann ich für jeden Einzelnen von uns sprechen.

Erklären Sie uns doch zum Schluss nochmal das mit dem viel zitierten Bayern-Gen. Mia san mia – was bedeutet das eigentlich genau?
(Überlegt lange). Dass der eine immer für den anderen da sein muss. Wie in einer Familie. Dass man sich auf dem Platz auch für die anderen aufopfert und man für den ganzen Verein spielt. Ich bin jetzt aber beim VfB. Hier gilt auf eine andere Art und Weise ganz Ähnliches.

Wie viel „Mia san mia“ haben Sie denn aus München mitgebracht? Oder anders gefragt: Wie viel „mir sen mir“ steckt in der aktuellen VfB-Mannschaft?
Sie ist intakt, sie ist homogen und hat eine gute Mentalität. Und ganz wichtig: Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen.

Das Interview führte Gregor Preiß.