Beim 1:1 gegen Hannover 96 nimmt Daniel Didavi schon zum zweiten Mal in der noch jungen Spielzeit Glückwünsche für ein Tor entgegen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Wolfsburg - In 60 Bundesliga-Spielen hat er für den VfB Stuttgart 18 Tore erzielt. Für das schwäbische Fußball-Aushängeschild kickte er jedoch seit den F-Junioren, viele Jahre lang fuhr er mit dem Zug vom heimischen Nürtingen zum Jugendtraining nach Bad Cannstatt. Nach dem Abstieg 2016 wechselte Daniel Didavi zum VfL Wolfsburg, für den er die bislang einzigen beiden Saisontreffer erzielte - und mit dem er heute (15.30 Uhr) in Stuttgart antritt. „Ich habe die 2. Bundesliga noch nie so intensiv verfolgt wie in der vergangenen Saison“, erzählt der 27-jährige Mittelfeldspieler, wie er nach seinem Abschied mit den ehemaligen VfB-Kameraden mitgefiebert hat.

Wenn man Fotos von Ihnen aus den vergangenen Wochen anschaut, sieht man, dass Sie eine neue Frisur haben. Das scheint aber nicht die einzige Veränderung zu sein.

Didavi: Ja, es ist meine neue, alte Frisur. Ich hatte ja früher schon kurze Haare. Zuletzt war es dann ein Rasta-Look, aber das hat dann irgendwann genervt. Ich bin jetzt ganz zufrieden damit. Oder sprechen Sie darauf an, dass ich ein paar Kilo abgenommen habe?

Nein, das ist aus der Ferne gar nicht aufgefallen. Aber zumindest hat die neue Frisur offensichtlich den Zug zum Tor erleichtert . . .

Didavi (lacht): Zwei Tore in drei Spielen ist für mich persönlich ganz in Ordnung. Es liegt einfach daran, dass ich richtig fit bin. In der vergangenen Saison hatte ich ja leider wieder eine Meniskus-OP, die mich rausgeworfen hat. Diesmal habe ich die ganze Vorbereitung mitgemacht. Es hat mich ja immer ausgezeichnet, dass ich torgefährlich bin, wenn ich fit bin.

Sie sprechen es an: Bei Ihnen heißt es immer: „Wenn er gesund ist . . .“

Didavi: Es ist nunmal so bei mir: Ich hatte einen Knorpelschaden und wurde zwei Mal operiert. Jeder, der das hatte, weiß, dass das keine Verletzung ist, die so einfach ausheilt. Es war mir klar, dass das über meine gesamte Karriere ein Thema sein wird. Ich bin stolz darauf, dass ich noch immer auf hohem Niveau spiele. Dennoch bin ich zu oft ausgefallen.

Hat sich Ihre Einstellung zu Ihrem Körper verändert?

Didavi: Ich habe immer versucht, neue Dinge zu finden, die mir helfen können, damit ich mich besser fühle. Ich ernähre mich inzwischen bewusster, verzichte komplett auf Fleisch. Ich habe gelesen, dass man bei einer rein pflanzlichen Ernährung bei Knieproblemen extrem gute Ergebnisse erzielen kann. Der Trainer muss nicht mehr nach jeder Einheit fragen, wie es mit meinen Knie ist. Er muss keine Rücksicht mehr nehmen und das ist ein riesen Schritt für mich. Das sieht man auch auf dem Platz.

Sie sind jetzt in der zweiten Saison in Wolfsburg. Wie hat sich Ihre Rolle verändert?

Didavi: Ich bin nicht der Spieler, der sich aufdrängt, ein Sprachrohr oder ein Führungsspieler zu sein, das war ich auch in Stuttgart nicht. Wenn man auf dem Platz für die Mannschaft wichtig ist, dann ist man automatisch ein Führungsspieler. Das versuche ich zu sein. Aber es ist schon so: Als ich vor einem Jahr gekommen bin, waren viele große Namen da. Jetzt wurde ein richtiger Cut gemacht, was auch nötig war. Man hat weniger auf Namen geschaut und viele junge, hungrige Spieler geholt. Jetzt bin ich mit 27 Jahren schon einer der Älteren, da hat man automatisch mehr Verantwortung.

In der vergangenen Saison ist der VfL trotz der vielen Stars gerade so dem Abstieg entronnen. Was hat das mit der Mannschaft gemacht und was ist jetzt besser?

Didavi: Die vergangene Saison war für Wolfsburg eine Horrorsaison. Leider kannte ich die Situation schon ungefähr so aus Stuttgart. Wir hatten wirklich gute Kicker, aber vor den Relegationsspielen ausgerechnet auch noch mit dem Derby gegen Braunschweig herrschte Angst und Panik. Zum Glück haben wir es geschafft. Das Positive war dann, dass man erkannt hat, dass es einen Umbruch geben muss und man die richtigen Schritte gemacht hat. Beim VfB war die Situation ja ähnlich, nur dass man ein paar Mal gerade noch von der Schippe gesprungen ist, aber nicht viel verändert wurde. Dann erwischt es einen irgendwann mal.

Wie schwer ist es, die hohen Erwartungen in Wolfsburg zu erfüllen?

Didavi: Dadurch, dass der VW-Konzern viel Geld in die Mannschaft investiert, sind die Erwartungen natürlich hoch. Aber es wird von außen auch sehr kritisch auf Wolfsburg geschaut. Ich kann es teilweise nachvollziehen, aber es ist oft überzogen, es herrscht mir zu viel Schadenfreude. Bei Wolfsburg wird immer der Fehler gesucht. Unsere Möglichkeiten sind schon riesig und in den vergangenen Jahren gab es ja auch Erfolge. Dass es in der letzten Saison so lief, wie es lief, hat sich keiner ausgesucht. Ich hätte auch lieber Champions League gespielt, aber außer den Bayern und Dortmund hat es in den vergangenen Jahren keine Mannschaft geschafft, nachhaltig oben mitzuspielen.

Jetzt treten Sie mit dem VfL beim VfB an. Dass es ein ganz besonderes Spiel ist, muss man kaum betonen . . .

Didavi: Ja, klar. Mein ganzes Fußballerleben hängt mit dem VfB zusammen. Ich bin 1998 in die F-2-Jugend des VfB gewechselt und war mit Ausnahme der einjährigen Ausleihe nach Nürnberg immer da - 18 Jahre waren das.

Wie haben Sie die Entwicklung beim VfB in der vergangenen Saison beobachtet?

Didavi: Ich habe die 2. Bundesliga noch nie so intensiv verfolgt wie in der vergangenen Saison. Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass der VfB direkt wieder aufsteigt. Als es am Anfang nicht so rund lief, habe ich mir schon ein paar Gedanken gemacht. Aber als dann der neue Sportvorstand und der neue Trainer kamen, hat man gemerkt, dass viel schieflaufen müsste, dass es nicht klappt. Am Ende war es ja ziemlich souverän, was mich sehr gefreut hat - auch für die Jungs, mit denen ich noch zusammengespielt habe. Nach fünf Jahren Dauerkrise hat man gesehen, welche Euphorie in Stuttgart herrschen kann.

Wie intensiv sind die Kontakte zum VfB - in dem Jahr hat sich ja viel getan?

Didavi: Das war ja normal nach dem Abstieg und auch nötig. Ich habe schon noch zu Einigen Kontakt: zu Daniel Ginczek etwa, zu Christian Gentner, Timo Baumgartl, Physio Manuel Roth und Zeugwart Michael Meusch, den ich auch schon ewig kenne.

Die Frage muss kommen: Wie reagieren Sie, wenn sie treffen?

Didavi: Ich bin ehrlich: Ich weiß es noch nicht. Einerseits hat es nichts mit mangelndem Respekt gegenüber dem ehemaligen Verein zu tun, wenn man in der Bundesliga ein Tor schießt und sich freut. Anderseits ist es halt der Ex-Verein und es kann sein, dass ich nicht jubele, denn es ist dann ja schon eine Geste. Aber wenn ich in der 90. Minute den Siegtreffer erziele, kann ich nichts versprechen.

Sie sind in der Gegend verwurzelt und oft bei der Familie in Nürtingen. Können Sie sich eine Rückkehr nach Stuttgart irgendwann vorstellen? Sachte Gerüchte gab es ja schon im Sommer.

Didavi: Natürlich ist das meine Heimat, da wohnen meine Eltern und viele Freunde. Das steht über allem. Nach meiner Fußballkarriere sehe ich meine Zukunft auch dort. Ob ich als Spieler irgendwann zum VfB zurückkomme? Man kann im Fußball nichts ausschließen, aber ich habe in Wolfsburg einen langfristigen Vertrag bis 2021 und möchte mit dem Verein erfolgreich sein.

Sie haben kürzlich in einem Doppelinterview mit VfL-Urgestein Roy Präger gesagt, man müsse sich als Fußball-Profi rechtfertigen, wenn man nach Wolfsburg wechselt. Die Albkante wie in Nürtingen sehen Sie dort nicht von Ihrer Terrasse aus. Was ist denn schön an der Stadt und der Region?

Didavi: Man kann Wolfsburg nicht mit Stuttgart, Berlin oder München vergleichen, es ist einfach eine kleinere Stadt. Aber ich habe ja in Nürtingen gewohnt und das ist auch keine Großstadt. Man kann in Wolfsburg gut leben. Die Stadtmitte ist klein, aber man findet schöne Orte zum Ausgehen. Drumherum gibt es schöne Seen. Wenn man die Großstadt braucht, ist es nach Berlin nur eine Stunde mit dem Zug. Ich habe den Eindruck, dass Wolfsburg immer besonders kritisch betrachtet wird. Aber wenn jemand nach Leverkusen oder Gladbach wechselt, wird nie davon geredet, obwohl die Leute dann auch nach Köln oder Düsseldorf fahren, wenn sie das Großstadt-Feeling brauchen.

Das Gespräch führte Sigor Paesler.