Daumen hoch: Trainer Heiko Grimm und die MT Melsungen sind in der Spitze des deutschen Handballs angekommen. Foto: dpa - dpa

Der Weg des Handball-Bundesligisten geht kontinuierlich nach oben

EsslingenHeiko Grimm muss schnell zum Bus. Ab zum Krafttraining. Davor und danach stehen Gespräche mit Spielern an. „So ein Trainingslager ist supereng getaktet“, sagt der Coach und lächelt freundlich. Die Handballer der MT Melsungen bereiten sich seit Anfang der Woche in Esslingen auf die am 25. August beginnende Bundesliga-Saison vor. Das an diesem Freitag beginnende Marktplatzturnier ist dafür „das passende Ende“, wie Grimm sagt. Nationalspieler Finn Lemke nickt: „Wir freuen uns darauf.“ Die Woche war hart genug. Los geht das Turnier für die Melsunger an diesem Freitag (20 Uhr) in der Neckartenzlinger Rundsporthalle gegen den Schweizer Meister Kadetten Schaffhausen, am Samstag geht es zum Finaltag auf den Marktplatz.

Die Melsunger haben viel vor. In der kommenden Saison und in den kommenden Jahren. Der Preis dafür, wenn sich ein Verein wie die MT über Jahre hinweg langsam, aber stetig nach oben arbeitet und dazu nicht gerade aus einer Metropole kommt: Er wird als graue Maus wahrgenommen. Das hört Grimm zwar nicht so gerne. Aber er bestätigt: „Kontinuität ist das Entscheidende.“ Platz für Platz haben sich die Melsunger seit dem Bundesliga-Aufstieg im Jahr 2005 verbessert, das Umfeld und die Zuschauerzahlen sind mitgewachsen. Die Euphorie auch. Und die Erwartungshaltung. In der vergangenen Saison ist die Mannschaft Fünfter geworden und hat sich zum dritten Mal für den EHF-Pokal qualifiziert. Statt grauer Maus entwickelt sich die MT immer mehr zu Speedy Gonzales der Bundesliga.

Entwicklung spricht sich herum

„Ich finde das spannend. Für einen Trainer ist das eine traumhafte Situation, bei einem Verein zu arbeiten, der noch nicht so viel gewonnen hat, und bei dem man etwas entwickeln kann“, sagt Grimm. Dass sich etwas entwickelt, spricht sich herum. Vor zwei Jahren etwa sind Lemke (vom SC Magdeburg) und Tobias Reichmann (von KS Kielce/Polen) nach Melsungen gekommen, „um Teil dieser Entwicklung zu sein“, wie Lemke sagt. Für 2020 hatten bereits Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) und Kai Häfner (TSV Hannover-Burgdorf) zugesagt, der Schwabe Häfner (Grimm: „Ein super Typ“) wechselte nach Nachverhandlungen sofort – und ist in Esslingen dabei.

„Es ist schon so, dass einige Spieler das hier sehen und sich dann leichter tun, die Entscheidung zu treffen, herzuwechseln“, erklärt Reichmann. Eine starke Mannschaft wird so noch stärker. Und die Gruppe resistenter gegen die steigende Erwartungshaltung. „Es ist ja nicht nur das Umfeld, wir wollen ja auch erfolgreich sein“, erklärt Lemke und zuckt cool mit den Schultern.

Die Melsunger sind in der Spitze des deutschen Handballs angekommen. „Das hat auch mit der hervorragenden Arbeit meines Vorgängers Michael Roth zu tun“, ist Grimm wichtig zu erwähnen. Acht Jahre war Roth Coach der MT, ehe nach seiner Beurlaubung Grimm vom Co- zum Chef-Trainer aufstieg. „Wir wollen dauerhaft unter den besten fünf Mannschaften sein“, blickt Grimm in die Zukunft. Schaut man auf die Tabelle der abgelaufenen Saison, sind die Melsunger da schon angekommen. Fehlt noch die Sache mit der Dauerhaftigkeit. Zudem fällt auf, dass die Hessen in der vergangenen Spielzeit gegen das Spitzenquartett SG Flensburg-Handewitt, THW Kiel, SC Magdeburg und Rhein-Neckar Löwen kein einziges Spiel gewonnen haben. Das soll 2019/2020 natürlich anders sein.

„Erste sechs Plätze sind vergeben“

Was die Mannschaften, die sich seit Jahren oben festbeißen, der MT noch voraus haben? „Sicherlich die Infrastruktur, da sind wir dran“, sagt Grimm und überlegt dann kurz. „Das Sportliche muss in die Köpfe der Spieler. Wenn einer nach Melsungen wechselt, muss er wissen, dass er zu einer Mannschaft kommt, die jedes Spiel gewinnen will – und das 34 Mal im Jahr.“

Davon, dass es leichter geworden sein könnte, weiter hoch zu kommen, weil die deutschen Spitzenteams vermeintlich an Stärke verloren haben, will Reichmann nichts wissen. „Ich glaube nicht, dass die Spitze schwächer geworden ist, nur weil die Mannschaften zuletzt in der Champions League nicht so gut abgeschnitten haben“, sagt er. „Da entscheiden Kleinigkeiten. Insgesamt ist die Bundesliga in der Breite stärker geworden, die Top-Mannschaften können nicht mehr sagen: ,Da kommt ja nur der Tabellen-15. und wir können ein paar Spieler schonen’.“

Es wird spannend, wie sich die Melsunger in der kommenden Saison schlagen. „Ich bin mir ziemlich sicher: die ersten sechs Plätze sind vergeben“, sagt Grimm – die MT wird dazugehören. Wo genau sie landet, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel davon, ob die Mannschaft von einem ähnlichen Verletzungspech wie in der vergangenen Runde verschont bleibt. „Ziel ist, Meister zu werden“, gibt es von Lemke eine grundsätzliche Kampfansage. Zum Saisonstart kommt gleich Mal der aktuelle Meister Flensburg in die Melsunger Rothenbach-Halle. Zuvor aber geht es zum Marktplatzturnier. Das macht viel mehr Spaß als Krafttraining.

Der Reichstadtpokal beginnt an diesem Freitag mit drei Spielen: Frisch Auf Göppingen – HC Erlangen (19.30 Uhr, Sporthalle Altbach), TBV Lemgo-Lippe – SG BBM Bietigheim (20 Uhr, Käsberghalle Mundelsheim), MT Melsungen – Kadetten Schaffhausen (20 Uhr, Rundsporthalle Neckartenzlingen). Für alle Spiele gibt es noch Restkarten an der Abendkasse.