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Ostfildern - Bei der Handball-WM der Frauen schauen neben deutschen Fans auch besonders die hin, die mitten im Handballzirkus stecken: Pascal Morgant, Trainer der Bundesliga-Handballerinnen des TV Nellingen, kann zwar bei der WM keiner seiner Hornets beim Kräftemessen mit anderen Handballnationen zuschauen, der 42-Jährige versucht jedoch selbst so viel wie möglich von der WM mitzubekommen und vor allem zu -nehmen - nicht zuletzt für die vom Abstieg bedrohten Nellingerinnen, die derzeit auf dem 12. und damit nicht mehr auf einem direkten Abstiegsplatz stehen. Vergangenes Wochenende war Morgant im Rahmen der WM in Leipzig bei einem Trainersymposium.

Was haben Sie vom Trainerlehrgang mitgenommen?

Morgant: Jede Menge. Das Training wird immer wieder aufgefrischt. Es ist zwar nicht so, dass alles komplett neu wäre, aber man bekommt neue Gedanken, vor allem im Austausch mit anderen Trainern. Das macht richtig Spaß. Ein dänischer Athletiktrainer hat Einblicke gegeben, wie er mit der brasilianischen Nationalmannschaft zusammenarbeitet. Neben dem aktuellen Bundestrainer Michael Biegler hat sich sein Nachfolger Henk Groener vorgestellt und etwas über Teambuilding erzählt. Es war alles extrem interessant.

Haben Sie auch Bekannte getroffen?

Morgant: Emir Hadzimuhamedovic aus Neckarsulm war dabei, Jürgen Krause vom VfL Waiblingen, Stefan Eidt von der TG Nürtingen und auch solche Trainer-Ikonen wie Frank Bergemann, der früher jahrelang Erlangen trainiert hat und den ich noch aus meiner Zeit als Spieler kenne. Das war natürlich besonders schön, ihn zu treffen.

Haben Sie auch Spiele gesehen?

Morgant: Das war Teil des Programms. Ich habe Spiele aus der deutschen Gruppe, also von Südkorea, China, den Niederlanden, Kamerun und Serbien gesehen. Bei so einem Kontinente übergreifenden Turnier ist es spannend, wie andere Nationen sich präsentieren.

Sind da große Unterschiede?

Morgant: Früher waren sie wesentlich größer. Bei China sind zwei Trainer aus Skandinavien, bei Südkorea ist der Torwarttrainer aus Russland, der aber auch jahrelang in der Bundesliga gespielt hat. Da sieht man europäische Einflüsse.

Wie verfolgen Sie die Spiele zuhause weiter?

Morgant: Wir werden mit dem Team den ganzen Freitag in Bietigheim verbringen und ab 14 Uhr alle Spiele sehen, Zeit miteinander verbringen, das ein oder andere diskutieren. Wenn man schon eine Heim-WM hat, dann muss man da natürlich auch hingehen.

Wie nehmen Sie die Stimmung hier war? Ist es ein Thema bei den Leuten?

Morgant: Absolut. Von einem Boom möchte ich noch nicht sprechen, aber es ist kurz davor. Wenn es Deutschland schafft, weiterzukommen, und weiter so erfolgreich spielt, dann kann ich mir schon vorstellen, dass wir einen kleinen Boom im Frauen-Handball auslösen. Was ich mir natürlich sehr wünsche. Im Moment kann man sich über die Aufmerksamkeit für den Frauen-Handball nicht beschweren.

Sie sehen jetzt den direkten Vergleich: Nationalmannschaft und TV Nellingen. Was fällt am meisten auf? Wo sind die größten Unterschiede?

Morgant: Natürlich körperlich. Was bei der WM für Mädels auf dem Platz stehen, wie groß und athletisch und wie schnell die Handball spielen... Von der Entwicklung her sind wir mit Nellingen auf keinem anderen Weg. Die Passqualität wird immer höher, was bei uns ein zentraler Punkt ist. Und auch Abwehr, Aggressivität und Beweglichkeit sowie vorne die Spielweise über ein Kurzpassspiel, nicht mehr diese langen Spielzüge, die früher den Frauen-Handball prägten. Es hat sich beschleunigt, verkürzt. Nicht nur beim TV Nellingen, allgemein sind in der Bundesliga alle auf diesem Weg.

Wer sticht aus dem Nationalteam heraus?

Morgant: Für mich eigentlich noch gar niemand. Mit Kim Naidzinavicius’ Kreuzbandriss hat das Team gleich zu Beginn den ersten großen Schock verarbeiten müssen. Kim war für mich die herausragende Spielerin mit dem Potenzial, bei dieser WM zu absoluter Weltklasse zu kommen. Aber Bundestrainer Biegler und Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld haben das sensationell gut vorbereitet. Sie haben sich breit aufgestellt und genau das ist die Chance. Es gab schon Spiele, bei denen eine nicht den besten Tag hatte, da sind die anderen Gewehr bei Fuß gestanden und haben super Spiele abgeliefert. Die Spielerinnen dafür zu begeistern, dass der Teamgeist zählt, selbst auf der Tribüne, das haben die beiden geschafft und das wird dann auch den Erfolg bringen.

Was ist Ihr Tipp? Wie weit kommen die deutschen Frauen?

Morgant: Da möchte ich gar nicht tippen, ich traue denen alles zu. Bei dieser Heim-WM ist alles drin.

Ist nochmal geplant, mit dem TVN-Team zu einem Spiel zu gehen?

Morgant: Es ist unmöglich, weil Richtung 23. Dezember zu unserem nächsten Bundesligaspiel die Zeit immer intensiver wird. Ich denke, ich muss diese Vorrunde noch genießen. Ab nächster Woche liegt der Fokus auf uns. Wir werden in der Halle vielleicht über eine Leinwand was anschauen.

Mit Blick auf die kommenden drei „Weihnachtsspiele“ am 23., 27. und 30. Dezember: Wie stehen die Nellingerinnen derzeit da?

Morgant: Es gibt ein paar leichte Blessuren, aber alle können trainieren. Ich freue mich, dass nächste Woche Lena Degenhardt zurückkommt, die nach ihrem Fußbruch gleich bei der Bundeswehr war. Wir hatten deshalb noch gar keine Chance, sie groß zu integrieren. Wir trainieren viel zusammen mit der TG Nürtingen. Wir spielen in Kleingruppen gegeneinander, dass wir nicht immer den gleichen Gegner haben. Das Testspiel beim Schweizer Erstligist Spono Eagles, gegen die wir in der Vorbereitung mit fünf Toren verloren haben, wird ein super Gradmesser, um zu sehen, wie die Entwicklung vom Sommer bis jetzt war und ich hoffe, dass ich ein paar Erkenntnisse aus diesem Spiel mitnehmen kann.

Gibt es ein genaueres Ziel für die jetzt wieder startende Bundesliga?

Morgant: So wie die Tabelle jetzt aussieht, soll sie am Ende der Saison auch aussehen. Das wird eine knappe Geschichte: Wir wollen den sportlichen Klassenverbleib, das ist unser ganz großes Ziel. Dafür brauche ich aber auch Mann und Maus bei dem kleinen Kader. Das ist natürlich eine Herkulesaufgabe, jetzt erst recht mit diesem kompakten Spielplan. Unser Fokus liegt auf dem Heimspiel gegen Bensheim am 30., davor in Bietigheim und zuhause gegen Metzingen muss man einfach realistisch sagen, dass es schwierig wird. Das sind ganz andere Kaliber mit ganz anderen Zielen als wir.

Das Interview führte Karla Schairer.

Die Handballerinnen des TV Nellingen spielen am 23. Dezember (19 Uhr) gegen die SG BBM Bietigheim, am 27. Dezember zuhause (20 Uhr) gegen die TuS Metzingen und am 30. Dezember (19 Uhr) ebenfalls in der Sporthalle 1 gegen die SG Bensheim/Auerbach.

Am Samstag, 16. Dezember, hat der TVN ein Testspiel beim Schweizer Erstligisten Spono Eagles.

Zur Person

Pascal Morgant (42) ist seit 2013 Trainer der Handballerinnen des TV Nellingen. Zur Saison 2016/2017 gelang ihm mit den Hornets der Aufstieg in die Bundesliga. Morgant spielte vor seiner Trainertätigkeit bei Bundesligist Frisch Auf Göppingen und gehörte zur Aufstiegsmannschaft von 2001. Vor seinem Engagement beim TVN war er Jugendkoordinator des Frisch-Auf-Nachwuchscenters. Morgant ist zweifacher Vater und lebt mit seiner Familie in Göppingen.