Daniel Rieker hat mit dem TSV Köngen abgeschlossen und kann sich vorerst keine Rückkehr vorstellen. Foto: Herbert Rudel - Herbert Rudel

Mit dem TSV Köngen hat der 33-Jährig abgeschlossen und würde erst zurückkehren, wenn die Vereinsoberen nicht mehr da sind. Hinter seiner Entlassung vermutet er Absprache.

KöngenDie Entlassung der Trainer-Brüder Daniel und Julien Rieker beim Landesligisten TSV Köngen sorgte vergangene Woche im gesamten Fußball-Bezirk für großes Aufsehen. Vier Tage vor Saisonbeginn zogen die Vereinsverantwortlichen des Aufsteigers die Reißleine und präsentierten Mario Sinko als Nachfolger. Trennungsgründe wurden einige genannt, unter anderem auch ein Zerwürfnis zwischen Trainern und Mannschaft. Der 33-jährige Daniel Rieker kann die Entlassung bis heute nicht nachvollziehen und vermutet ein abgekartetes Spiel: „Wenn mal wirklich jeder seine Meinung sagen würde, dann müssten Joachim Dienelt und Co. allein aus Charaktergründen zurücktreten.“

Am vergangenen Freitag ist der TSV Köngen in die neue Landesliga-Saison gestartet – ohne Sie und Ihren Bruder Julien als Trainer. Haben Sie dennoch mitverfolgt, wie es den Köngenern erging?
Ja, das schon, wenn auch nicht live vor Ort. Ein paar Zuschauer haben mir immer wieder Updates über WhatsApp geschickt. Das war schon komisch.

Als Markus Anfang am Ende der vergangenen Saison als Trainer des damaligen Zweitliga-Tabellenführers 1. FC Köln entlassen wurde, sagte er den Satz: „Mein Kölner Herz trägt Trauer.“ Ging es Ihnen während der vergangenen Tage ähnlich?
Ich war 15 Jahre ununterbrochen Trainer beim TSV Köngen. Da lässt es sich nicht vermeiden, dass man mit dem Herzen dabei ist und dann logischerweise auch traurig ist, plötzlich nicht mehr an der Seitenlinie stehen zu dürfen. Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass bei mir die Enttäuschung darüber, wie die Entlassung abgelaufen ist, ganz klar überwiegt.

Wie ist die Entlassung aus Ihrer Sicht denn abgelaufen?
Das kam alles komplett aus dem Nichts und zu einem Zeitpunkt, der mehr als fragwürdig war. Am Mittwoch davor hatten mein damaliger Co-Trainer Mustafa Baykara und ich uns noch mit der Vereinsführung um Joachim Dienelt, Achim Wunderwald und Rolf Aldinger getroffen, um über die Saisonvorbereitung zu sprechen. Dabei ging es auch um die zukünftige Ausrichtung der Mannschaft. Und dann, ein paar Tage später, wurde ich plötzlich erneut zu einem Gespräch eingeladen.

Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt schon ein mulmiges Gefühl?
Das nicht, aber ich habe mich natürlich schon gefragt, was es jetzt noch zu besprechen gibt. Zumal wir uns ja erst wenige Tage zuvor ausführlich unterhalten hatten. Eine Vorahnung hatte ich aber dennoch, weil ein befreundeter Trainer in der Vorwoche gesehen hatte, wie sich die Vereinsführung mit Mario Sinko getroffen hatte.

Wie haben Sie dann letztlich von Ihrer Entlassung erfahren?
Wie schon beim letzten Gespräch waren auch dieses Mal wieder die drei Herren da – also Oberboss Joachim Dienelt, Achim Wunderwald und Rolf Aldinger. Dienelt, der als einziger gesprochen hat, hat dann angefangen, über die vermeintlich schlechte Vorbereitung zu reden und die damit verbundene schlechte Außendarstellung des Vereins. Außerdem meinte er, dass er kein Problem damit hätte, wenn das Verhältnis zwischen Vorstand und Trainer nicht das beste sei, das Verhältnis zur Mannschaft müsse aber zwingend gut sein. Weil das aber zuletzt nicht mehr der Fall gewesen sei, müsse der Verein jetzt die Notbremse ziehen und mich beurlauben. Das war’s. Wie bei einem schlechten Streit, der viel zu schnell eskaliert und man direkt eine auf’s Maul bekommt.

Wie haben Sie darauf reagiert?
Im ersten Moment war ich natürlich überrascht. Dann habe ich aber alle drei noch mal gefragt, ob sie das wirklich wollen. Und als daraufhin alle drei nur auf den Boden geguckt und genickt haben, habe ich auf den Tisch geklopft und bin gegangen.

Jetzt sind Trainerentlassungen im Fußball ja inzwischen beinahe alltäglich geworden, häufig gehen diese aber geräuschlos vonstatten. Dann ist meistens von einer Trennung in gegenseitigem Einvernehmen die Rede. Wie das Medienecho zeigt, war das bei Ihnen nicht der Fall. Warum machen Sie aus Ihrem Frust kein Geheimnis und gehen damit derart offensiv an die Öffentlichkeit?
Weil das in Köngen in der Vergangenheit schon so oft der Fall war. Speziell was Joachim Dienelt teilweise abgezogen hat, war unter aller Sau. Da wurden Leute hintergangen und völlig grundlos, nur weil sie eine andere Meinung hatten, rausgeschmissen. Man denke nur an Harald Mangold: Der ist damals ebenfalls in die Landesliga aufgestiegen und danach entlassen worden – warum weiß niemand. Mangold war sicherlich ein Querkopf und hatte eigene Ansichten, aber er hatte ja nachweislich Erfolg damit.

Und da sehen Sie Parallelen zu sich?
Definitiv. Eigentlich mag ich es nicht, groß nachzutreten. Aber so etwas muss einfach mal öffentlich gesagt werden, so geht man nicht mit Menschen um. Da hätte man doch auch direkt nach dem Aufstieg sagen können, dass man nicht mehr mit mir zusammenarbeiten möchte. Dann wäre ich zwar enttäuscht gewesen, hätte die Entscheidung aber akzeptiert, weil ich dann noch ausreichend Zeit gehabt hätte, mich umzuorientieren.

Auf Ihrem öffentlichen Facebook-Profil waren nach der Trennung Wörter wie „Lügen“, „Farce“ und „abgekartetes Spiel“ zu lesen. Was glauben Sie, weshalb Sie wirklich entlassen wurden?
In meinen Augen hat das alles schon während der Rückrunde in der Bezirksliga angefangen. Schon damals hatten wir Trainer nie die volle Rückendeckung des Vereins, obwohl die Mannschaft gut gespielt hat. Wir waren trotz der Zielvorgabe, nicht erneut abzusteigen, auf dem besten Weg, den Relegationsplatz zu erreichen. Es lief also eigentlich alles perfekt – bis irgendwann ein Spieler zu mir kam und fragte, ob ich denn noch Trainer sei, weil die ganze Zeit das Gerücht herumschwirrt, dass Mario Sinko als Trainer zurückkehren würde. Ich habe das zu dem Zeitpunkt nicht wirklich ernst genommen. Auch wenn ich es im Nachhinein vielleicht hätte tun sollen.

Inwiefern?
Naja, inzwischen steht ja fest, wer mein Nachfolger ist. Und so, wie es gelaufen ist, bin ich einfach davon überzeugt, dass alles von Anfang an abgesprochen war. Ursprünglich war Mario Sinko, der eigentlich ein guter Freund von mir war, ja nach der Saison 2016/2017 von seinem Traineramt beim TSV zurückgetreten, weil er keine Zeit mehr hatte. Aber auf einmal tauchte er bei jedem zweiten Spiel von uns auf und unterhielt sich immer wieder mit Joachim Dienelt. Beiden hätte doch damals bewusst sein müssen, dass die Gerüchte dadurch nur noch mehr befeuert werden.

Wie hat sich das in der Folge gezeigt?
In Köngen ist es so üblich, dass die Trainer die Vertragsgespräche mit den Spielern selbst führen. Das Problem war nur, dass auch dort immer wieder der Name Sinko fiel. Die Spieler wollten wissen, wie es weitergeht, wer in der kommenden Saison ihr Trainer ist. Also musste ich mich beim Verein rückversichern, ob an den Gerüchten etwas dran ist. Mir wurde dann mitgeteilt, dass einem der Vorstandsmitglieder wohl in Anwesenheit einiger Spieler rausgerutscht sei, dass Mario Sinko eventuell Co-Trainer in Köngen werden könnte. Ich habe daraufhin gesagt, dass ich es schön finden würde, wenn mir als Trainer kurz vor der Relegation der Rücken gestärkt würde, statt irgendwelche Gerüchte zu streuen. Damit war die Sache für mich erledigt.

Der TSV Köngen hat dann den Aufstieg in die Landesliga gepackt, Sie als Trainer wurden aber dennoch ausgetauscht. Wie erklären Sie sich das?
Letztlich muss man einfach sagen, dass die Vereinsspitze den Trainer Mario Sinko unbedingt haben wollte. Es wurde dann zuerst auf die freundliche Art versucht, ihn in Form einer Doppelspitze einzuschleusen. Als ich dem Ganzen aber eine Absage erteilt hatte, weil ich mich als Meistertrainer nicht ins zweite Glied versetzen lassen wollte, musste es eben anders durchgesetzt werden. Und im Endeffekt haben die Verantwortlichen ja dann ihr Ziel erreicht, indem sie irgendwelche Gründe vorgebracht haben. Und die Spieler, die nur wegen mir ihren Vertrag verlängert hatten, waren gefangen, weil die Wechselfrist längst abgelaufen war.

Laut Verein war das Verhältnis zwischen Trainern, einzelnen Spielern und Vorstand schon länger kein gutes mehr – haben Sie das genauso gesehen?
Natürlich nicht. Wenn die Spieler so unzufrieden gewesen wären, hätten sie doch problemlos nach der Saison wechseln können. Dem war aber nicht so. Mal ehrlich: Ich habe in Köngen ein paar Euro pro Stunde verdient. Welcher Trainer stellt sich denn dafür mehrmals die Woche auf den Platz, wenn ein Großteil des Kaders keinen Bock auf einen hat? Keiner.

Was sagen Sie zu den anderen Trennungsgründen, die genannt wurden?
Auch die kann ich mir nicht erklären. Punkte wie ungenügende Fitness oder Beratungsresistenz sind in meinen Augen nicht zutreffend. Ein Team geht in der Relegation nicht zweimal über 120 Minuten und schlägt im Finale den TSV Weilheim bei brühender Hitze mit 5:1, wenn es nicht fit ist. Genauso lasse ich mir von der Vereinsführung keine Vorgaben bei der Aufstellung machen. Denn würde ich das tun, dürfte ich kein Trainer mehr sein.

Aber warum sollte sich der Verein derartige Behauptungen ausdenken? Die Ereignisse der vergangenen Tage werfen ja kein gutes Licht auf den TSV Köngen.
Der Verein kann ja nicht zugeben, dass das alles abgesprochen war. Das wäre ja ein Skandal. Daher musste der Rausschmiss anders begründet werden. Dass der Ruf dadurch geschädigt wird, wurde einfach in Kauf genommen. Weil mal ehrlich: Wie ticken denn die meisten Menschen? Der Großteil will keinen Stress, geht der Konfrontation aus dem Weg und ist froh, dass es Leute gibt, die Führungsämter in Vereinen übernehmen. Aber wenn mal wirklich jeder seine Meinung sagen würde, dann müssten Joachim Dienelt und Co. allein aus Charaktergründen zurücktreten.

Hätten Sie sich in den vergangenen Tagen mehr Unterstützung gewünscht – womöglich auch von Spielern?
Die habe ich ja bekommen, nur eben nicht öffentlich. Ich habe da absolut Verständnis dafür. Fußballer sind nicht dafür da, Politik zu machen. Die wollen in der Landesliga spielen, das haben sie sich hart erarbeitet. Es ist also logisch, dass die kein Eigentor schießen möchten, indem sie sagen, dass das vom Verein kein gutes Verhalten war. So etwas sagen sie mir dann privat. Genauso wie das viele Andere auch getan haben. Und das zeigt mir, dass ich nicht so viel falsch gemacht haben kann.

Ebenfalls auf Facebook haben Sie über Ihr Verständnis von Familie geschrieben. Auch im Zusammenhang mit dem TSV Köngen ist immer wieder von einer grün-weißen Familie die Rede. Dieser haben Sie seit Kindheitstagen angehört. Sind Sie auch deshalb so enttäuscht, wie die vergangenen Tage verlaufen sind?
Das kann man so sagen! Der Verein hat das Wort Familie einfach nicht verstanden. Abgesehen von einer kurzen Unterbrechung zu A-Jugendzeiten, als ich mal für zwei Jahre bei der besseren Familie des TSV Deizisau gespielt habe, habe ich jetzt 27 Jahre immer alles für den TSV Köngen gegeben – sowohl im Jugendbereich als Trainer oder Leiter des jährlichen Pfingstcamps als auch als Coach der aktiven Mannschaften. Das ist Vereinsleben, wie es sein sollte. Aber das interessiert innerhalb der Vereinsführung letztlich keinen. Von daher ging mir schon ein wichtiger Teil meines Lebens verloren.

Besteht die Möglichkeit, dass Sie irgendwann wieder Teil der Köngener Familie werden?
Ich bin den meisten Vereinsmitgliedern weiterhin verbunden, aber das Thema TSV Köngen ist für mich erledigt. Solange Leute wie Joachim Dienelt oder Achim Wunderwald im Hintergrund alles Mögliche in Bewegung setzen, um ihre Ziele zu erreichen, will ich mit diesem Verein nichts mehr zu tun haben. Die Leute müssen endlich mal einsehen, dass das eine einzige Vetterleswirtschaft ist.

Wie geht es für Sie jetzt weiter?
Ich habe diese Woche noch ein Gespräch mit einem anderen Bezirksligisten, da möchte mich der Abteilungsleiter gerne kennenlernen. Und das werde ich mir jetzt mal anhören. Grundsätzlich bin ich gerne Trainer und möchte auch wieder als Trainer arbeiten, aber durch die ganze Geschichte stelle ich im Moment allgemeine Werte in Frage. Wenn ein Trainerposten plötzlich wichtiger ist als jahrelange Freundschaften, dann sollte man sich mal hinterfragen. Beim TSV Köngen scheint dahingehend etwas verrutscht zu sein.

Das Interview führte Jan Geißler.