Auch eine klare Gestik gehört zum Handwerk eines Schiedsrichters. Foto: Prigan - Prigan

Das Deizisauer Schiedsrichtertalent Felix Prigan leitet als 19-Jähriger bereits Spiele in der Verbandsliga

DeizisauAls sich am Dienstag vor einer Woche der FC Liverpool und die AS Rom im Halbfinalhinspiel der Fußball-Champions-League an der legendären Anfield Road gegenüberstanden, saßen weltweit Millionen von Fußballfans vor ihren Fernsehgeräten. Felix Prigan war einer von ihnen. Wenngleich die Spieler der beiden Mannschaften für ihn eher nebensächlich waren. Viel interessanter – und das mag für den ein oder anderen komisch klingen – war für ihn der Schiedsrichter, in diesem Fall der Deutsche Felix Brych. „Ich achte inzwischen mehr auf die Leistung der Schiedsrichter als auf irgendetwas anderes“, erklärt Prigan.

Man mag es ihm verzeihen, erst recht, wenn man den Hintergrund seines Verhaltens kennt. Der 19-jährige Schüler ist selbst Schiedsrichter, ein ziemlich guter sogar, ein sogenanntes Schiedsrichtertalent. „Ich finde das faszinierend, weil es so viele Schiedsrichter gibt, von denen man sich etwas abschauen kann. Jeder hat seinen individuellen Stil und jeder reagiert in den einzelnen Momenten anders“, erklärt Prigan die Faszination für den Menschen mit Pfeife, Karten und Freistoßspray.

Prüfung am 14. Geburtstag

Seine ersten eigenen Pfiffe machte Prigan als 13-Jähriger. Beim jährlich in der Weihnachtszeit stattfindenden Hallenturnier seines Heimatvereins TSV Deizisau sei es so üblich, dass die C-Junioren des Vereins, zu denen er damals zählte, die Spiele der Bambini leiten. Und obwohl er zuvor keinerlei Berührungspunkte mit dem Schiedsrichterwesen hatte, überzeugte er. Hardy Wolf, Obmann der Schiedsrichter-Gruppe Esslingen und ebenfalls Mitglied des TSV, sei im Anschluss auf ihn zugekommen und habe ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte, diesen Weg weiter zu verfolgen, berichtet Prigan. Er hatte Lust und meldete sich zum Neulingslehrgang an. Zehn Lehrabende später und nach bestandener Abschlussprüfung wurde ihm der Schiedsrichterschein ausgehändigt. „Die Prüfung habe ich an meinem 14. Geburtstag abgelegt und war von da an berechtigt, Fußballspiele jeglicher Art zu pfeifen“, erzählt Prigan, der seine Tätigkeit als Schiedsrichter von Anfang an ernst nahm. So ernst, dass er sogar seine Karriere als Fußballer hintenanstellte. Auch für Tennis, Handball und Badminton war irgendwann keine Zeit mehr.

Die Schiedsrichterei genoss Priorität und ist für Prigan nach wie vor ein würdiger Ersatz: „Auf dem Spielfeld laufen wir manchmal mehr, aber mindestens genauso viel wie die Spieler. Von daher bin ich da schon ganz gut ausgelastet.“ Seit neuestem leitet er einmal pro Woche ein Schiedsrichtertraining in Sirnau, wo gemeinsam an der allgemeinen Fitness gearbeitet wird. Zusätzlich geht er mehrmals wöchentlich laufen und macht individuelle Kräftigungs- und Sprintübungen.

Die ersten Gehversuche als geprüfter Nachwuchsschiedsrichter sammelte Prigan schließlich im Jugendbereich – anfangs allerdings noch mit einem erfahrenen Schiedsrichter als Begleitung am Spielfeldrand. Dieser fungierte dann hauptsächlich als Ratgeber in den Halbzeitpausen. Zusätzlich nahmen ihn erfahrene Schiedsrichter als Assistenten mit zu ihren Einsätzen. All dies waren wichtige Erfahrungen, die gleichzeitig Lust auf mehr gemacht haben. Der Deizisauer lernte schnell und arbeitete sich Stück für Stück nach oben. Denn so wie bei den Fußballmannschaften geht es auch für die Schiedsrichter um den Aufstieg. Wer gute Leistungen zeigt, bekommt von den Schiedsrichterbeobachtern gute Noten und darf im Idealfall zur neuen Saison eine Alters- oder Spielklasse höher pfeifen.

Prigan ist inzwischen in der Verbandsliga, der höchsten Spielklasse Württembergs, angekommen. Als 19-Jähriger ist er dort der jüngste Spielleiter. Zudem kommt er regelmäßig als Assistent in der Oberliga Baden-Württemberg sowie der A-Junioren-Bundesliga zum Einsatz.

Seine Motivation? Sicherlich nicht die Bezahlung. Zwischen 45 und 100 Euro plus Fahrtkosten bekommt er aktuell pro Einsatz. Dass das irgendwann einmal mehr sein wird, steht außer Frage, das Geld ist allerdings nicht sein Hauptantrieb. „Der Karriereweg ist die größte Motivation. Als Schiedsrichter ist es deutlich realistischer, irgendwann einmal höherklassig zum Einsatz zu kommen“, sagt Prigan: „Im Optimalfall pfeife ich in ein paar Jahren in der Bundesliga. Neben Können gehört da aber auch sehr viel Glück dazu.“ Als junger Schiedsrichter, das ist Prigan bewusst, ist man daher gut beraten, von Liga zu Liga zu schauen und jedes Spiel so anzugehen, als sei es das wichtigste.

Fan einer eher großzügigen Linie

Und dennoch kann er ein persönliches Highlight nennen: Mitte März war er als Assistent beim Halbfinale des A-Junioren-DFB-Pokals zwischen dem SC Freiburg und Borussia Mönchengladbach im Einsatz. „Wenn es für die Spieler um viel geht, dann ist die Herausforderung für uns Schiedsrichter am größten“, sagt Prigan, „und wenn dann noch alles gelingt, ist man natürlich umso zufriedener“. Sich selbst bezeichnet er als Fan einer eher großzügigen Linie und damit verbunden viel Spielfluss. Wenngleich ihm natürlich bewusst ist, dass er dadurch ein größeres Risiko eingeht. Entscheidend ist daher laut Prigan, dass ein Schiedsrichter gut mit Spielern umgehen kann, eine gute Ansprache hat, ausreichend Fitness mitbringt und im Endeffekt eine gute Entscheidungsqualität besitzt. „Für mich sind das die Bausteine eines guten Schiedsrichters“, sagt der 19-Jährige. An der Schiedsrichterei gefalle ihm vor allem die Kameradschaft unter den Kollegen und die damit verbundene Charakterschulung. Man lerne als Mensch enorm dazu und würde auch abseits des Platzes deutlich selbstbewusster.

Ob ihn sein Weg irgendwann tatsächlich in die Bundesliga oder womöglich sogar die Champions League führen wird, wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Bis dahin gilt es noch ein paar mehr Spiele souverän zu leiten. Sein Namensvetter Brych, der an der Liverpooler Anfield Road im Übrigen einen guten Job gemacht hat, war bei seinem Bundesligadebüt 29 Jahre alt. Felix Prigan bleibt also noch ein bisschen Zeit.

Beim Champions-League-Rückspiel in Rom wird Prigan am heutigen Mittwoch übrigens dem Slowenen Damir Skomina genau auf die Pfeife schauen.