Mesut Özils Rücktritt aus der DFB-Elf wird kontrovers diskutiert. Foto: dpa - dpa

Herrscht Verständnis für die Entscheidung? Wie wird die Debatte generell bewertet? Und gab es womöglich selbst schon einmal Berührungspunkte mit Rassismus innerhalb des Fußballs?

EsslingenDer Fall Mesut Özil hat in den vergangenen Tagen für reichlich Wirbel gesorgt – das ist hinlänglich bekannt. Mit seiner beispiellos inszenierten Abrechnung in drei Akten löste der Ex-Nationalspieler ein Erdbeben aus, das weit über die Grenzen des Fußballs hinausreichte. Zunächst rechtfertigte sich Özil für das im Vorfeld der WM in Russland veröffentlichte Foto mit Erdogan („Es war aus Respekt vor dem höchsten Amt des Landes meiner Familie“), dann rechnete er mit Sponsoren und Medien ab, ehe er seine Nationalmannschaftskarriere für beendet erklärte und schwerste Vorwürfe in Richtung DFB-Präsident Reinhard Grindel richtete, ihn gar mehrmals des Rassismus bezichtigte. „In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren“ war dort in Englisch zu lesen. Oder: „Leute mit rassistisch diskriminierendem Hintergrund sollten nicht länger im größten Fußballverband der Welt arbeiten dürfen.“

Özils Anschuldigungen klingen heftig, wurden brachial präsentiert und schlagen nach wie vor für hohe Wellen. Grund genug, sich im Fußball-Bezirk Neckar/Fils umzuhören, wo einige Trainer mit türkischen Wurzeln arbeiten. Herrscht Verständnis für den Rücktritt Mesut Özils? Wie wird die Debatte generell bewertet? Und gab es womöglich selbst schon einmal Berührungspunkte mit Rassismus innerhalb des Fußballs?

Cihan Korkmaz
(Trainer SV 1845 Esslingen)

„Beim Timing muss man immer ein bisschen vorsichtig sein“, mahnt Cihan Korkmaz, Trainer der SV 1845 Esslingen, „für mich kam der Rücktritt etwas zu spät, das hätte er viel, viel früher machen können.“ Nichtsdestotrotz kann er die Entscheidung Özils, das DFB-Trikot zukünftig nicht mehr tragen zu wollen, sehr gut verstehen. „Ich weiß natürlich nicht, was genau er sich alles anhören musste, aber für mich sieht es so aus, als hätten die Leute beim DFB ein Opfer gesucht“, vermutet Korkmaz. Die Diskussionen um das veröffentlichte Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan findet er dennoch berechtigt. Zunächst sei es falsch gewesen, sich für die Fotoaufnahmen zur Verfügung zu stellen, des Weiteren sei der Zeitpunkt der Veröffentlichung natürlich sehr ungünstig gewesen. „Auch wenn Özil vielleicht nur Respekt zeigen wollte, war das natürlich unglücklich – wenngleich man sagen muss, dass der Präsident ihn auch nur ausnutzen wollte.“ Was das Thema Rassismus innerhalb des DFB betrifft, kann Korkmaz nichts sagen. Dazu fehlt dem 44-Jährigen logischerweise der tiefere Einblick. Er selbst habe jedoch seit Ende der 1990er-Jahre überhaupt keinen Rassismus auf dem Fußballplatz mehr erlebt. „Am Anfang meiner Karriere, ja. Das war damals noch relativ normal. Aber in den letzten zehn bis 20 Jahren gar nichts mehr“, stellt Korkmaz klar.

Erkan Dursun
(Spielertrainer TFC Köngen)

Verständnis für den Rücktritt Özils hat auch Erkan Dursun. Der Spielertrainer des türkischen Fußballvereins TFC Köngen „hätte vermutlich genauso entschieden“, um den Wirbel um seine Person nicht noch größer werden zu lassen: „Wenn er gut spielt, ist er der Held, und wenn nicht, dann ist er der Türke – da ist es doch nachvollziehbar, wenn er nicht mehr will.“ Seiner Meinung nach hat vor allem der Wirbel um das Erdogan-Foto ein Ausmaß angenommen, das kaum noch zu bewältigen war. „Jeder Mensch denkt doch anders – das ist hier in Deutschland ja nichts anderes. Und nur, weil er dieses Foto gemacht hat, heißt es ja noch lange nicht, dass er Erdogans Politik unterstützt“, sagt Dursun und begründet seinen Standpunkt: „Er ist immerhin der türkische Präsident, vermutlich hat er es einfach aus Höflichkeit gemacht.“ Hinsichtlich eigener, rassistischer Erfahrungen im Fußball kann auch Dursun nichts sagen. „Alles in Ordnung“, sagt der 31-Jährige Trainer, „natürlich gibt es immer mal wieder jemanden, der aus der Reihe tanzt, aber das ist kaum nennenswert“.

Erkan Sevik
(Trainer TSV Wernau)

„Ich hätte es nicht gemacht“, sagt Erkan Sevik, seit vier Jahren Trainer des TSV Wernau in der Kreisliga A, angesprochen auf den Nationalmannschaftsrücktritt von Mesut Özil. Dies liegt aber vor allem daran, dass Sevik nach eigener Aussage ein Mensch ist, der sich gerne beweist. Deshalb hätte er anstelle von Özil lieber versucht, Bundestrainer Löw, die Verantwortlichen und die eigenen Fans von sich zu überzeugen: „Man sollte die Fehler bei sich selbst suchen und nicht die Schuld anderen zuschieben.“ Und dennoch hätte er sich nach dem sportlichen Scheitern mehr Schutz von der Verbandsseite für Özil gewünscht. „Ihn für das schlechte Abschneiden bei der WM verantwortlich zu machen, geht auch nicht. Er war nicht alleine schlecht, die anderen Spieler des Kaders haben genauso versagt“, sagt Sevik. Wenngleich Özil durch das Erdogan-Bild natürlich besonders im Rampenlicht stand. „Das Bild hätte nicht sein müssen, so was gehört sich als Fußballer nicht und ist unnötig.“ Was Özils Behauptungen zum Thema Rassismus betrifft, so kann Sevik nur von seinen Erfahrungen berichten: „Ich trainiere 23 Männer, davon haben knapp 15 ausländische Wurzeln – aber weder innerhalb unseres Vereins noch auf anderen Sportplätzen habe ich bisher Rassismus erlebt. Und ich finde, so sollte das eigentlich auch im Profibereich sein.“