Abseits der Verkehrsströme und der Geschäftigkeit des Tals liegt das Esslinger Gebiet RSKN. Die Buchstaben stehen für die schon im Mittelalter genannten Esslinger Filialorte Rüdern, Sulzgries und Krummenacker sowie die Siedlung Neckarhalde, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Ein etwa acht Kilometer langer, nur teilweise barrierearmer Spaziergang führt durch alte Dörfer und ruhige Wohngegenden, über historische Wege durch Weinberge und Streuobstwiesen.
Start mit Anstieg Die Tour startet an der Esslinger Frauenkirche und lässt mit dem recht steilen Anstieg auf dem alten Weg schon am Neckarhaldentor erahnen, dass die Arbeit in der Steillage keine fröhliche Landpartie darstellt. Ganz schnell bieten sich weite Ausblicke und Überblicke über die Geschehnisse unten im Tal - zum Beispiel, wie rasant die Weststadt wächst, erkennbar am Baufortschritt der neuen Hochschule. Entlang der Trockenmauern der Terrassen und später durch frühere, nun mit Obstbäumen bepflanzte Weinberge führt der Weg etwa 130 Höhenmeter nach oben bis zur Siedlung Neckarhalde am östlichen Ende der Sulzgrieser Heide.
„Wunderlinge und Sektierer“ Die ersten Häuser auf der Neckarhalde wurden im Jahr 1909 errichtet. Die recht einfachen Häuschen wurden mit viel Eigenarbeit in großen, zur Selbstversorgung geeigneten Grundstücken erbaut. Die Siedlung war als Heimstättenkolonie für arme Stadtbewohner konzipiert worden, zog jedoch auch eine Reihe von Aussteigern, Kritikern der Industrialisierung und Freunden naturnaher Lebensweisen an. Ein zeitgenössischer Autor schimpfte über die „Wunderlinge und Sektierer“, die sich auf der Neckarhalde tummelten.
Neu und alt Nur wenige der alten Siedlungshäuser der Neckarhalde sind erhalten, zumeist stehen dort moderne Wohnhäuser, oft in aussichtsreicher Lage. Reizvoll wird es zuweilen, wenn alte und neue Architektur spannungsreich nebeneinander stehen. Die Neckarhalde ist mittlerweile zum gesuchten, aber auch hochpreisigen Wohnort geworden. Erhalten blieb jedoch die Sulzgrieser Kelter. Der Wein wird nun zwar in Mettingen produziert, die alte Wengerter-Wirtschaft, heute Hotel und Restaurant, lockt aber mit Garten und Aussichtsterrasse zu einer Rast vor dem weiteren Weg.
Bäuerliche Vergangenheit Oben auf der Höhe angekommen, liegt eine weite Ebene vor den Wandernden. Das Getreide steht hoch und biegt sich im Wind, dahinter liegen die ehemaligen Bauerndörfer Rüdern und Sulzgries. Gemüse, Obst und Getreide wird angebaut im gleichen fruchtbaren Löẞboden wie auf der Filderebene, zu der das Gebiet geologisch noch gehört. Schaut man nach Westen, sieht man auf der Anhöhe schon den Turm des Albvereins auf der Katharinenlinde, der Hügel gehört schon zum Schurwald.
Steil nach oben Kleine schmale Wege führen zur Bushaltestelle, nach links in die Uhlbacher Straße hinein und kurz vor dem Weingut Bayer geht es rechts über einen Wirtschaftsweg steil nach oben durch Streuobstwiesen bis zur Katharinenlinde. Im Herbst schätzen Erwachsene und Kinder das Gebiet zum Drachensteigen, da dort günstige Aufwinde wehen.
Steil nach unten Das gleichnamige Gasthaus mit Terrasse, Bänken und Baumstümpfe eignen sich als Zwischenstopp und zum Durchschnaufen, bevor es wieder zurück geht. Dort führt ein enger Hohlweg mit Namen Gollenweg zurück, der übergeht in die Gollenstraße im Stadtteil Krummenacker. Kurz nachdem der Gollenweg auf der Hertfelderstraße eingemündet ist, führt ein kleiner Stich nach rechts, der an der Rückseite von Villen und Neubauten parallel zur Hertfelderstraße vorbeiführt und am Spielplatz am Weideweg endet.
Abzweige einplanen Der Weideweg führt auf die Sulzgrieser Straße. Links liegt das traditionsreiche Gasthaus Krone. Wer will, kann sich nach rechts wenden, um das kleine aber lebhafte Ortszentrum von Sulzgries zu besuchen. Dort befindet sich auch das Schulmuseum, das derzeit geschlossen ist. Die Route führt in den Holunderweg und den Hochwiesenweg, durch ein ruhiges hügeliges Wohngebiet mit zum Teil bemerkenswerten Villen. Manch eine Seitenstraße lädt zum Abzweigen ein, zum Beispiel die steile Bergstraße, an deren oberen Ende das Brennhäusle Sulzgries liegt und das noch in Betrieb ist. Das Gebiet liegt unterhalb der landwirtschaftlich genutzten Sulzgrieser Heide. Die vielen Hinweisschilder „Landwirtschaftlicher Verkehr frei“ erzählen davon.
Idylle Der Hochwiesenweg mündet in die Viehgasse, eine kleine, sehr ländlich wirkende Anhäufung einzelner Häuser, die obgleich nicht weit von der lebhaften Innenstadt entfernt, eine Atmosphäre idyllischer Abgeschiedenheit verbreitet. Schmale Wege führen an Häusern und Gärten entlang, Pferde grasen auf der Wiese.
Pietistische Bildchen Ein Pfad führt nach rechts durch die Wiesen und mündet durch in die Straße Holgenburg. Die Bezeichnung führt in die Irre, denn dort stand nie eine Burg. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren dort vielmehr noch Weinberge zu finden, in denen verstreut einige Häuser standen. Eines davon gehörte dem Lithografen und Verleger Jakob Ferdinand Schreiber, der zu der Zeit große Mengen an Bilderbögen und pietistischen Andachtsbildchen für Kinder produzierte. Die „Heiligen“ - „Holgen“ - genannten Drucke führten zur Namensgebung für Schreibers Haus als „Holgenburg“.
Dunkle Staffel Am Ende der Holgenburg erhascht man einen Blick auf die Villa Hengstenberg am Hellerweg, dem die Route nach links folgt. Schon bald öffnet sich rechts zwischen hohen Sichtschutzzäunen, hinter denen sich private Parks verbergen, ein Pfad, der steil nach unten führt. Diese klassische Weinbergstaffel mit schiefen und bemoosten Tritten zwischen hohen Mauern nötigt Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, einiges an Respekt ab und erfordert bei feuchter Witterung Trittsicherheit - zumal, wie ein Schild warnt - die Beleuchtung nicht aktiv ist. Etwa 60 Meter tiefer ist die Turmstraße erreicht. Folgt man ihr nach rechts, wartet nur noch wenige Meter entfernt wieder die Frauenkirche und damit das Ziel des Ausflugs.
Von Barbara Scherer
Zahl der Tour
Heute: Aussichtspunkt
17
Meter ragt der Turm des Schwäbischen Albvereins
an der Katharinenlinde in die Höhe. Er wurde im Jahr 1957
aus Stahlbeton erbaut. bs
Legenden um die Katharinenlinde
Oberhalb von Esslingen-Sulzgries stehen ein sagenhafter Baum, ein Aussichtsturm und ein Ausflugslokal.
Um die Katharinenlinde, auf dem Höhenzug zwischen Esslingen und Stuttgart gelegen, rankt sich eine ganze Reihe von Geschichten. Zum ersten Mal hat der württembergische Geograf Johann David Georg von Memminger im Jahr 1812 eine der Sagen notiert. Er schrieb in seinem Buch „Cannstatt und seine Umgebung“, die Schurwaldhöhe biete „eine ganz vortreffliche Aussicht“, eine dort wachsende Linde sei„merkwürdig durch eine Legende, nach welcher hier die fromme Katharina, die Stifterin des Spitals Eẞlingen, begraben liegt“.
Eine weitere Sage entstand wahrscheinlich ebenfalls im 19. Jahrhundert. Ihr zufolge sollte Katharina in der Frühzeit des Christentums aufgrund ihres Glaubens dort hingerichtet werden. Sie habe als Gottesurteil vorgeschlagen, eine Linde mit der Krone in den Boden zu pflanzen. Sollten die Wurzeln Laub austreiben, sei ihr Glaube der wahre. Wie auch immer - seit Generationen werden im Nachgang zu den Geschichten dort Linden gepflanzt und die Anhöhe Katharinenlinde genannt. Der Schwäbische Albverein baute bei der Katharinenlinde eine Schutzhütte und einen kleinen hölzernen Turm.
An der Stelle der Hütte steht längst ein Ausflugslokal mit Kinderspielplatz. Der Katharinenlindenturm daneben stammt in seiner gegenwärtigen Gestalt aus dem Jahr 1957. Er bietet einen hervorragenden Überblick über das Neckartal. Die Aussicht reicht von Münster über Bad Cannstatt und den Neckarhafen bis nach Esslingen. Auch die Filderebene ist gut zu überblicken, ebenso der Stuttgarter Flughafen. Je nach Wetterlage wandert der Blick weit entlang der „blauen Mauer“ der Schwäbischen Alb.
Der Turm ist normalerweise tagsüber geöffnet. Für den Eintritt wird um einen Euro gebeten, den man in ein Kässchen an der Eingangstür einwirft. Der Weg nach oben führt über Betonstufen durch ein recht kahles Treppenhaus. Derzeit ist der Katharinenlindenturm allerdings wegen Sanierungsarbeiten bis auf Weiteres geschlossen. bs