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Handel&Gewerbe

Wasser, Wein und gute Geschäfte

Ein Spaziergang durch die Esslinger Innenstadt folgt den Spuren zweier wichtiger Lebensmittel und führt über Kopfsteinpflaster zu Brunnen, Weinbergen, Pfleghöfen und Patrizierhäusern.

Wasser, Wein und gute Geschäfte

Vom Weinbau geprägtes Viertel: die Beutau. Fotos: Peter Stotz

ESSLINGEN. Das Trinkwasser der Stadt Esslingen wurde ab dem 13. Jahrhundert von Quellen am Hang des Neckartals zu Brunnen innerhalb der Mauern geleitet. Zum bedeutenden Getränk in der Stadt avancierte aber der Wein. Er sorgte wegen seiner Qualität für Wohlstand in der Stadt und gute Umsätze. Ein Spaziergang von etwa fünf Kilometern Länge, nur bedingt barrierearm, folgt den Spuren zweier wichtiger Lebensmittel. 

- Wasser und Dampf
Der Spaziergang startet am Bahnhof und führt zunächst flussaufwärts am Neckar entlang zum Obertorwasen am östlichen Rand der Innenstadt. Dort wurde im Jahr 1877 das erste Esslinger Wasserwerk in Betrieb genommen. Eine Dampfmaschine pumpte Grundwasser aus dem Neckarkies und durch eine zwei Kilometer lange Leitung etwa 70 Meter höher zu einem Wasserspeicher im Burgberg.

- Kostbares Gut
Das Wasser war ein kostbares Gut. Die „Vertrags-Bedingungen über die Abgabe von Wasser zu Privatleitungen“ aus dem Jahr 1878 sahen beim „Offenlassen von Hahnen ohne Verwendung des Wassers“ eine Geldstrafe vor. Im Wiederholungsfall konnte „dem Betreffenden das Wasser sofort entzogen werden“. 

- Zweifelhafte Qualität
Über die Obertorstraße geht es zum Wolfstor und zum Ottilienplatz. Am dortigen Brunnen versorgten sich die Bauern, Weingärtner und Handwerker der östlichen Kernstadt mit Wasser. Das Wasser wurde von einer Quellfassung über Deicheln, ausgehöhlte Baumstämme, in die Stadt geleitet. Der Qualität war dies nicht unbedingt zuträglich, stellte aber eine Verbesserung gegenüber dem Wasser aus dem Entengraben jenseits der Mauer dar.

- Großer Durst
Der weitere Weg führt in die Küferstraße. Die durchreisenden Kaufleute löschten regelmäßig ihren Durst in einem der Wirtshäuser der Stadt und bescherten den Wirten gute Umsätze. Für das Spätmittelalter sind 13 Gasthäuser mit Speiseangebot und Übernachtungsmöglichkeit nachgewiesen. Da jedoch jeder Bürger das Recht hatte, den eigenen Wein auszuschenken, gab es zusätzlich eine große Zahl an Gassenwirtschaften. Dies führte zu regelmäßigen – und regelmäßig erfolglosen – Beschwerden der Inhaber der großen Wirtshäuser bei der Obrigkeit. 

Einst versorgte der Brunnen am Ottilienplatz die östliche Innenstadt mit Wasser. Foto: Peter Stotz
Einst versorgte der Brunnen am Ottilienplatz die östliche Innenstadt mit Wasser. Foto: Peter Stotz

- Tiefe Keller
Von der Küferstraße über den Blarerplatz und die Strohstraße geht es zur Webergasse. Dort stehen beeindruckende Patrizierhäuser, die vermögenden Tuch- und Weinhändlern gehörten. Unter vielen der Häuser liegen enorme Gewölbekeller, die teilweise miteinander verbunden sind. Die Bogentore an den Fassaden zeigen an, wo die Weinfässer einst in die Tiefe gelassen wurden.

- Privilegierte Lage
Aus der Webergasse kommend führt der Weg an einer der städtebaulichen Sünden der 1970er-Jahre vorbei, der Brücke der Augustinerstraße. Sie wurde beim Bau des Altstadtrings, dem etwa 160 zumeist mittelalterliche Gebäude zum Opfer fielen, errichtet. Hinter der Brücke steigt die Burgsteige an der ehemaligen Kelter des Kaisheimer Pfleghofs vorbei steil nach oben. Der Burgweinberg, von drei Seiten durch Mauern geschützt, reichte einst bis in die Stadt und stellte bereits im Mittelalter eine privilegierte Lage dar. 

- Wasser im Berg
Auch gegenwärtig ist die Burg für die Wasserversorgung wichtig. Im Boden unter der nördlichen Wiesenfläche befindet sich ein Hochbehälter, der allerdings nicht mehr mit Grundwasser aus dem Tal, sondern durch die Landeswasserversorgung gespeist wird.

- Die Wengerter-Vorstadt
Der Weg führt nun über die Spielflächen nach links unten auf die Obere Beutau. Sie ist eine der drei historischen Straßen der Vorstadt der Wengerter, die zumeist die Rebflächen der Patrizier als Pächter bearbeiteten und damit entscheidend zu deren Wohlstand beitrugen. Allein in dieser kleinen Vorstadt standen im Spätmittelalter fünf Keltern. In der Unteren Beutau ist eine davon sorgfältig restauriert erhalten. 

- Gesundheit
Zurück im Stadtzentrum erreichen die Spaziergänger den Marktplatz. Dort stand das im Jahr 1232 erstmals genannte St.-Katharinen-Spital, das sich neben sozialen und fürsorglichen Aufgaben auch der Krankenpflege widmete. Arme Stadtbürger wurden in einer Krankenstation behandelt. Um ihre Gesundung nicht zu gefährden, wurde ihnen statt Wasser Wein gegeben. Das Spital wurde ab 1811 abgerissen, einzig das Kielmeyer-Haus, die ehemalige Kelter des Spitals, ist erhalten. 

- Sekt und Fische
Auf der gegenüber liegenden Seite steht der Komplex des Speyrer Pfleghofs. 1826 gründete Georg Christian Kessler, der beim Champagnerhersteller Veuve Clicquot gelernt hatte, in der Kelter des Pfleghofs die erste Sektkellerei Deutschlands. Produktion und Gewölbekeller können besichtigt werden. Vorbei am Fischbrunnen, in dem der Fang der Neckarfischer bis zum Verkauf frisch gehalten wurde, über die Innere Brücke und die Pliensaustraße wird der Ausgangspunkt der Tour erreicht. Peter Stotz


Kleines Viertel, große Bedeutung

ES-INNENSTADT. Die Beutau, das mittelalterliche Esslinger Weingärtnerviertel, ist die kleinste der historischen Vorstädte der Stadt Esslingen. Gleichwohl war sie die bedeutendste, wurde doch dort ein gewichtiger Teil des Einkommens der städtischen Patrizier erwirtschaftet. Nicht zuletzt deshalb erhielt sie eine eigene Ummauerung samt Graben, Toren und Befestigungen. Seinen Namen verdankt das Viertel einer Ölmühle am Geiselbach, im Mittelalter als „bytun mulin“ genannt, in der Saaten ausgepresst, also ausgebeutet wurden. 

Die Weingärtner der Beutauvorstadt bewirtschafteten als Pächter die Weinberge des Patriziats und der Klöster, viele noch erhaltene kleine Häuser zeugen davon, dass die Wengerter keine vermögenden Stadtbürger waren. In der Beutau finden sich auch die Pfleghöfe der Klöster Blaubeuren, Salem und Kaisheim sowie eine der früher fünf Keltern im Viertel. Die Beutau präsentiert sich mit kopfsteingepflasterten engen Gassen, Fachwerkhäusern und bauhistorischen Besonderheiten wie aus einem Bilderbuch des Spätmittelalters. Der Bau der Ringstraße führte allerdings dazu, dass die Beutau aus dem Blickfeld der Besucher und dem Bewusstsein vieler Bewohner verschwunden ist. Rührige Einzelhändler, Handwerker und Anwohner bemühen sich seit einigen Jahren, das Viertel in den Fokus zu rücken. pst

Zahl zur Tour

Heute: Weinbau

42 Keltern waren im 17. Jahrhundert in Esslingen angemeldet. Dort wurde die Ernte aus den damals etwa 1200 Hektar Rebfläche gepresst, der Saft sodann in Bottiche und Fässer zur Gärung gefüllt. Für den Verkauf des Weins galt der Esslinger Eimer, die Entsprechung von etwa 300 Litern, als in ganz Süddeutschland gängiges Maß. pst