
REICHENBACH. Das Reichenbacher Gemeindegebiet ist zu annähernd 50 Prozent mit Wald bedeckt und liegt zumeist an den steilen Abhängen des Schurwalds. Entsprechend anspruchsvoll ist unsere Wanderung. Sie ist etwa zehn Kilometer lang, führt innerorts zwar über Asphalt, ansonsten aber über Wirtschaftswege und Waldpfade und ist nicht barrierearm. Es sind etwa 150 Höhenmeter mit steilen Abschnitten zu bewältigen. Stabiles Schuhwerk ist empfehlenswert.

- Moderner Ortskern
Die Tour beginnt am Reichenbacher Bahnhof. Durch die Bahnhof- und die Hauptstraße geht es in Richtung Ortsmitte, wo der Blick auf moderne, funktionale Gebäude wie das Rathaus fällt. Dort ist auch eine durch einige Reichenbacher Enthusiasten restaurierte Dampfmaschine aus dem Jahr 1891 zu betrachten, die bis 1977 in einer Fabrik im Ort im Einsatz war.
- Historischer Ortskern
Unterhalb der Mauritiuskirche lassen etliche alte Gebäude die Struktur des einstigen Bauerndorfs erkennen. Zwischen 1938 und 1945 arbeitete der Pfarrer Theodor Dipper an der Mauritiuskirche. Als Mitglied der Württembergischen Pfarrhauskette versteckte er während des Zweiten Weltkriegs viele Juden und verhalf ihnen zur Flucht. Die Kirche, das Pfarrhaus, der nach Dipper benannte Kirchvorplatz mit Brunnen und der Brunnenstraße sowie dem Friedhof stehen als Ensemble unter Denkmalschutz.
- Wildes Wasser
Der Weg führt weiter zum Reichenbach, der im Regelfall friedlich durch den Ort in Richtung Fils plätschert. Dass der Bach auch ganz anders und seinem namensgebenden Reichtum Nachdruck verleihen kann, hatte er immer wieder gezeigt und regelmäßig den Ortskern mit Wasser und Schlamm geflutet. Im Jahr 2020 wurde schließlich ein Hochwasser-Rückhaltebecken in Betrieb genommen, das auch bei den jüngsten starken Regenfällen dafür sorgte, dass man im Ort keine nassen Füße bekam.


- An der Grenze
Die Tour folgt dem Wegzeichen blauer Balken zur Schorndorfer Straße, biegt links ab und quert schon nach wenigen Hundert Metern den Bach. Nun geht es bergan, erst durch Streuobstwiesen, dann im Wald parallel zum Bach gen Norden. Der Weg umgeht einige tief eingeschnittene Klingen und neigt sich bald der Ölmühle im Talgrund zu, die bereits auf Hegenloher Gemarkung steht. Bis dorthin reicht auch das Gebiet von Baltmannsweiler. Ein etwas versteckt im Gebüsch stehender verwitterter Grenzstein weist auf diese besondere Ecke hin.
- Algen und Hinweise
Der Weg führt entlang des Bachs nach rechts einige Hundert Meter zurück. Am Parkplatz Wagnerwiese lässt ein mit Moos und Algen überwachsenes Schild erahnen, dass damit einmal Wanderer auf das sogenannte Kaisersträßle auf dem Schurwaldrücken aufmerksam gemacht wurden.
- Bergprüfung und Rast
Wir überqueren nun die Landesstraße und gehen einige Meter nach links weiter. Dann führt uns der Weg nach rechts in den Wald. Dort folgt ein schweißtreibender Anstieg von etwa 110 Höhenmetern, zunächst auf einem Forstweg, dann auf einem Waldpfad. Er endet schließlich bei einer mächtigen Eiche am Oberen Rißhaldenweg. Die Tour wendet sich nach links und führt eher gemächlich durch ein laut Hinweisschild nachhaltig bewirtschaftetes Waldgebiet. Bald schon ruft die Terrasse des Naturfreundehauses – knapp hinter der Gemarkungsgrenze – zur verdienten Pause.
- Bergab zum Ziegenstückle
Der Rückweg in Richtung Ort gestaltet sich nun bequem bergab auf der Alten Hegenloher Straße. Wer auf halber Höhe den direkten Weg zum Ort links liegen lässt und stattdessen dem Forstweg geradeaus folgt, gelangt zum Wohngebiet Rißhalde und nach einigen Kehren zum Alten Schafhaus und zu einem „Ziegenstückle“ genannten Privatgelände. Dort tummeln sich Rinder und Schafe, Ziegen und Hühner. Mittwochs und samstags können sie besucht werden.


- Eine Erinnerung zum Schluss
Nach viel Grün empfängt ein Gewerbegebiet die Spaziergänger mit der betongrauen Realität der Ulmer Straße. Die Sainte-Savine-Brücke führt zum südlichen Ufer der Fils und dort zur Keimzelle der Industrialisierung des unteren Filstals, dem Gelände der früheren Baumwollspinnerei Heinrich Otto. Eine Eisenbrücke leitet zurück über die Fils, auf die andere Seite von B 10 und Bahnlinie gelangt man durch eine Unterführung. Eine Bronzetafel erinnert an die Zwangsarbeiter, die dort zur Nazizeit in einem Lager interniert waren. Dann ist der Bahnhof erreicht. Peter Stotz
Als Erz in der Schmelzhütte gewonnen wurde
Das einstige Bauerndorf Reichenbach hat auch eine Geschichte als Bergwerksort.
REICHENBACH. Zur Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung Reichenbachs im Jahr 1268 und während der folgenden Jahrhunderte erzielten die jeweiligen Herren des Orts und der einzelnen Höfe ihre Einnahmen im Wesentlichen aus den Zehnten und Abgaben aus dem Ackerbau, der Forstwirtschaft, dem Weinbau und der Fischerei. Ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts kam dann der Bergbau hinzu. Die württembergischen Grafen und späteren Herzöge versprachen sich nach einigen Funden im Lützelbachtal nennenswerte Einkünfte aus dem Abbau von Kupfererz, Mangan und Kobalt an den Schurwaldhängen.
Bei den Reichenbacher Bergbau-Ambitionen spielten die Fils und der Reichenbach eine wesentliche Rolle. So bestand urkundlich seit Mitte des 15. Jahrhunderts am Bruckwasen an der Fils die Wasenmühle, die über einen Mühlkanal betrieben wurde. Herzog Friedrich I. von Württemberg ließ im Jahr 1605 die Mühle zu einem Stampfwerk umbauen, in dem das Reichenbacher erzhaltige Gestein per Wasserkraft zerkleinert wurde. Das Erz wurde vor Ort in einer Schmelzhütte verarbeitet. Die dafür notwendige Energie lieferte Holzkohle, die aufgrund der reichen Waldbestände des Schurwalds in großer Menge vorhanden war.
Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an wurde auch in den Sandstein des Schurwaldabhangs eingelagerte Kohle gefördert und außerdem nach Gold und Silber gegraben. Die Vorkommen blieben jedoch, wie auch in anderen Orten an den Hängen des Schurwalds, überschaubar. Anders als etwa in Geislingen im oberen Filstal, wo noch im 20. Jahrhundert nennenswerte Vorkommen an Eisenerz – dort allerdings in Stollen an den Hängen der Schwäbischen Alb – ausgebeutet wurden, rechtfertigten die Erträge auf längere Sicht den Aufwand nicht, und so wurde der Bergbau in Reichenbach im Jahr 1739 endgültig aufgegeben.
Der Bergbau in Reichenbach ist längst Vergangenheit. Der Musikverein Gemeindekapelle Reichenbach indes hat bei seiner Gründung im Jahr 1921 diesen Aspekt der Ortsgeschichte aufgegriffen und sich den Beinamen „Glück auf“ gegeben, den alten Gruß der Bergleute. Bei der Feier zum 750- jährigen Gemeindejubiläum im Jahr 2018 spielte der Musikverein zur Erinnerung an die Zeit des Bergbaus in Reichenbach das Bergmannslied „Glück auf, der Steiger kommt“. Peter Stotz
Zahl der Tour
Heute: Hochwasserschutz
95 000 Kubikmeter umfasst das Rückhaltebecken, das Reichenbach im Jahr 2020 in Betrieb genommen hat. Die Gemeinde hatte es bauen lassen, nachdem der Reichenbach immer wieder den Ortskern überflutet hatte. Das Rückhaltebecken kann vor einem Hochwasser schützen, wie es rein statistisch alle 100 Jahre vorkommt. Das Bauwerk hat 4,5 Millionen Euro gekostet, wobei die Gemeinde deutlich weniger bezahlen musste, weil das Land 3,1 Millionen Euro übernommen hat. Die Bauzeit betrug zwei Jahre. pst