Massenvorlesungen sind an der Uni Hohenheim die Regel, massenhafte Prüfungsabbrüche ein Novum. Quelle: Unbekannt

Die Affäre um den massenhaften Prüfungsabbruch an der Uni Hohenheim hat weitere Folgen. Weil die Abbrecher zu laut waren, dürfen 154 verbliebene Prüflinge wiederholen.

StuttgartNach Zeitungsberichten über den massenhaften Prüfungsabbruch von Wirtschaftsstudenten an der Uni Hohenheim standen dort die Telefone nicht mehr still. Der Vorgang, dass die Uni die Atteste von 37 Prüfungsabbrechern anzweifelte und daraufhin 103 weitere Krankmelder ein Glaubwürdigkeitsproblem bekamen, zog massenhafte Presseanfragen aus der ganzen Republik nach sich. Die Uni sah sich jetzt gezwungen, weitere Konsequenzen zu ziehen. Inzwischen steht fest: Tatsächlich hatten an jenem 23. Mai nicht 37, sondern sogar 48 der 202 erschienenen Prüflinge ihre Grundlagenprüfung in den Wirtschaftswissenschaften abgebrochen und den Saal verlassen. Bei 33 Abbrechern, die das Attest fristgerecht am selben Tag eingereicht hatten, wurde die Prüfung mittlerweile als nicht bestanden gewertet. Für drei Prüflinge bedeutet dies die Exmatrikulation. Bei vier Abbrechern prüfe man noch, ob sie tatsächlich prüfungsunfähig waren oder nicht, sagte Uni-Sprecher Florian Klebs. Und 103 weitere Krankgemeldete mit Attesten vom selben Arzt müssen sich jetzt ebenfalls erklären.

Andere Studenten gestört

Die 154 Studierenden, die die Prüfung in den Wirtschaftswissenschaften nicht abgebrochen, sondern regulär zu Ende geschrieben haben, dürfen die Prüfung im Februar 2019 wiederholen. Der Grund: Die Abbrecher waren zu laut, die verbliebenen Prüflinge hatten sich davon stark gestört gefühlt und sich darüber beschwert. Offenbar haben sich „vor der Prüfungsaufsicht regelrechte Schlangen gebildet“, wie Prüfungsteilnehmer berichteten. Auch beim Zusammenpacken und Verlassen der insgesamt drei Prüfungshörsäle hätten sich einige Abbrecher recht lautstark benommen. Dies sieht auch die Universität als problematisch an und wertet es wie bei einer Geräuschbelästigung durch Bauarbeiten. Deshalb räumt sie den Klausurschreibern nun die Möglichkeit ein, die Prüfung zu wiederholen. Sie sollen in den nächsten Tagen per Post darüber informiert werden. Die Entscheidung über die Wiederholung müssen sie aber treffen, bevor sie das Ergebnis ihrer Klausur erfahren.

Zudem hätten sich Studierende darüber beschwert, dass die Klausur im Vergleich zu anderen Klausuren zu schwer gewesen sei. Diese Kritik wies der Lehrstuhl als unzutreffend zurück. Der Schwierigkeitsgrad habe sich in einem vergleichbaren Rahmen mit den vergangenen Klausuren bewegt. Auch die Aussage von Studierenden, dass die Klausuraufgaben andere Themen enthalten hätten als die in Vorlesung und Übung behandelten, wies der Lehrstuhl zurück.

Außerdem hätten einige Studierende kritisiert, dass die Nummerierung bei einer Aufgabe nicht korrekt gewesen sei. Dies werde man bei der Bewertung „in angemessener Weise berücksichtigen“, teilte die Universität mit. Es gebe „keine Pläne“, den betreffenden Arzt anzuzeigen, erklärte Klebs. Dieser Mediziner hatte für den Prüfungszeitraum zwischen dem 22. und dem 25. Mai insgesamt 140 Hohenheimer Prüflingen Krankmeldungen attestiert, für die 37 Abbrecher am 23. Mai alle ähnlich lautend und in zwei Varianten: Kopfschmerzen/Sehstörungen und Übelkeit/Erbrechen. Das hatte den Prüfungsausschuss der Uni stutzig gemacht und die ganze Affäre erst ins Rollen gebracht. Ob die Ärztekammer gegen den Mediziner ermittelt, darüber erhielt unsere Zeitung keine Auskunft. Laut der Berufsordnung müsse jeder Patient für die Erstellung eines Attests auch persönlich untersucht werden und die Ausstellung der Krankschreibung „nach bestem Wissen und Gewissen“ erfolgen, sagte Oliver Erens, der die ärztliche Pressestelle der Landesärztekammer Baden-Württemberg leitet. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht laut der Deutschen Presseagentur keinen strafrechtlich relevanten Tatbestand. Von den Prüfungsabbrechern fand sich gegenüber unserer Zeitung niemand zu einer Stellungnahme bereit.